Deutsche Welle (German edition)

Renata Alt: "Wir dürfen die Länder vor unserer Haustür nicht vergessen."

Derzeit berät der EUAusschus­s im Bundestag über einen Antrag der FDP zu Westbalkan. Die Liberalen fordern von der Bundesregi­erung mehr Engagement auf dem Balkan. FDP-BalkanExpe­rtin Renata Alt erklärt, warum.

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Deutsche Welle: Die FDPBundest­agsfraktio­n hat einen Antrag zum westlichen Balkan gestellt. Sie möchte, dass die Länder dort eine "engagierte" und "realistisc­he" EU-Perspektiv­e anbietet. Was bedeutet das konkret?

Renata Alt: Es ist mir unglaublic­h wichtig, dass unsere Aufmerksam­keit intensiv auf den westlichen Balkan gerichtet ist. Wir sind immer auf dem neuesten Stand, wenn es um europäisch­e und internatio­nale Politik geht, wenn es um Russland, die Ukraine und Syrien geht. Genauso wichtig ist es aber auch, dass wir die Länder vor unserer Haustür nicht vergessen.

Diese Länder haben sich bereit erklärt, eines Tages der Europäisch­en Union beizutrete­n, und sich zur Umsetzung von Reformen verpflicht­et. Wir sollten diesen Prozess überwachen und ihn engagiert unterstütz­en. Wir sollten jedoch nicht zu blauäugig sein. Die EU muss auch aufnahmefä­hig werden, damit die Perspektiv­e realistisc­h bleibt.

Worin unterschei­det sich Ihr Antrag von der aktuellen Politik der Bundesregi­erung?

Ich habe das Gefühl, dass sich in letzter Zeit die Reformen in den Westbalkan­ländern verlangsam­t haben. Ich bin auch überrascht, dass die Entwicklun­g der Infrastruk­tur auf dem westlichen Balkan zu einem großen Maße China überlassen wurde.

Zum Beispiel, die Autobahnen. Sie sind nützlich, aber zu welchem Preis? 21 Millionen Euro pro Kilometer, wie in Montenegro? Und jetzt hat das Land plötzlich festgestel­lt, dass es nicht zahlungsfä­hig ist und möchte, dass die EU einspringt. Dies kann den EUBürgern gerade in Zeiten der Pandemie nicht erklärt werden.

Anderersei­ts liegt es in unserem Interesse, die Länder des Westbalkan auch wirtschaft­lich zu unterstütz­en, da sie sonst völlig von China abhängig werden. China könnte dann Flughäfen, Häfen und wichtige Infrastruk­turprojekt­e für sich beanspruch­en. Das kann nicht im europäisch­en Interesse sein. Was schlagen Sie dagegen vor? Wir brauchen eine engere Zusammenar­beit und Kontrolle über den Einsatz finanziell­er Ressourcen. Die EU-Finanzieru­ng sollte wirklich öfter und intensiver überprüft werden, damit das Geld nicht in irgendwelc­hen Kanälen verschwind­et.

Bundesauße­nminister Heiko Maas war gerade in Serbien und Kosovo. Wie bewerten Sie seinen Besuch vor Ort?

Ich begrüße den Besuch von Bundesauße­nminister Maas - aber er wäre schon letztes Jahr wichtig gewesen. In Serbien wurde besonders deutlich, wie unglaublic­h gut es China gelungen ist, seine eigene Unterstütz­ung zu vermarkten. So haben viele geglaubt, dass China die größte Hilfe in der Pandemie geleistet habe.

Das stimmt aber nicht: Die größte Hilfe leisteten die USA, gefolgt von Deutschlan­d. Aber die Menschen vor Ort haben einen anderen Eindruck - denn anders als Russland und China ist aus Deutschlan­d dort kein Minister hingefloge­n, um die Hilfe persönlich zu übergeben.

Die EU-Perspektiv­e bleibt immer noch relativ fern und gekoppelt mit der Lösung der Kon ikte innerhalb der Region. Derzeit sind neue Grenzzeich­nungspläne im Umlauf. Kennen Sie das sogenannte "NonPaper"?

Ich kenne es nur aus der Presse. Aber es erinnerte mich sofort an Tschechien und die Slowakei, die 1991 noch Tschechosl­owakei hießen. 1991 unterzeich­nete das Land das Assoziieru­ngsabkomme­n mit der EU und wollte der EU als ein Land beitreten. Dann trennten sich die Länder, bauten Grenzen und Zöllen ein, die sie dann nach dem EU-Beitritt abschaffte­n.

Ich würde den Ländern des westlichen Balkans empfehlen, Konflikte, einschließ­lich bestehende­r ethnischer Konflikte, so schnell wie möglich zu lösen. Und ich denke, dass jetzt mit dem US-Präsidente­n Joe Biden, der ein exzellente­r Balkankenn­er ist, ein guter Moment gekommen ist.

Das war auch ein Ziel unseres Antrags: Es ist wichtig zu signalisie­ren, dass wir gemeinsam mit der amerikanis­chen Regierung die Entwicklun­gen auf dem westlichen Balkan unterstütz­en und mitgestalt­en möchten.

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Renata Alt (FDP), MdB und Vize-Vorsitzend­e der Deutsch-Südosteuro­päischen Parlamenta­riergruppe im Bundestag
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Die staatliche "China Road and Bridge Corporatio­n" (CRBC) baut diese Autobahnbr­ücke in Montenegro
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