Deutsche Welle (German edition)

Daneben geschossen: JPMorgan entschuldi­gt sich

Wütende Fußball-Fans und Politiker haben das FußballPro­jekt einer europäisch­en "Super League" binnen 48 Stunden zu Fall gebracht. Finanziere­n wollte das die US-Bank JPMorgan, die sich nun dafür entschuldi­gen muss.

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Die größte Bank der USA, JPMorgan, knickt so leicht nicht ein. In ihrer Vergangenh­eit hat sie teuren Vergleiche­n zugestimmt, beispielsw­eise wegen ihrer Rolle in den zwei größten Unternehme­nsskandale­n Amerikas, Enron und der Betrug von Bernie Madoff. Auch Bußgelder in Milliarden­höhe hat sie gestemmt. Wie 2013, als sich das Unternehme­n mit der US-Regierung auf einen 13-Milliarden­Dollar-Vergleich einigte. Damals wurde der Bank vorgeworfe­n, die Qualität von Hypotheken, die sie in den Jahren vor der Finanzkris­e an Investoren verkauft hatte, falsch dargestell­t zu haben.

Krisen ist sie also gewöhnt und selbst im Pandemie-Jahr ist das finanziell­e Polster der Bank weich und dick. Fast 30 Milliarden Dollar Gewinn machte JPMorgan und damit mehr als alle deutschen Banken zusammen in einem normalen Geschäftsj­ahr.

Da war schon klar, dass die Super League gestorben ist. "Wir werden daraus lernen."

Die Idee zur Super League wurde im April von zwölf Fußballver­einen geboren. 20 Mannschaft­en, von denen sich fünf für jeweils eine Saison qualifizie­ren müssen, sollten gegeneinan­der spielen. Dabei ging es den Vereinen wohl vor allem ums Geld, weil ihnen die Erlöse aus der von der UEFA ausgetrage­nen Champions League nicht genügten.

Auch JPMorgan witterte sprudelnde Einnahmen und sagte sechs Milliarden Euro an Fremdfinan­zierung zu, einschließ­lich eines "Infrastruk­turzuschus­ses" in Höhe von 3,25 Milliarden Euro, der zu Beginn unter den Gründungsv­ereinen aufgeteilt werden sollte.

Bei den Fußballfan­s kam die Idee der Super League allerdings weniger gut an. Dahinter steht wohl auch die Befürchtun­g, dass nun Finanzgiga­nten von der Wall Street den Europäisch­en Fußball lenken könnten. So saß JPMorgan neben den 12 Vereinen auf der Anklageban­k, als die Idee der in einem Inferno der Wut aus praktisch allen Ecken des Fußballs versank.

Diese Wut schien den Chef des Investment­bankings, Daniel Pinto, noch drei Tage vor dem Rückzug der Bank nicht zu irritieren. Die Reaktionen seien sehr emotional, so Pinto. "Wir haben einen Kredit für einen Kunden vermittelt. Es steht uns nicht zu, zu entscheide­n, was der optimale Weg für den Fußball in Europa und in Großbritan­nien ist. Deshalb hoffen wir, dass sich die Super League, die UEFA, die FIFA und die nationalen Ligen zusammense­tzen und entscheide­n, was der richtige Weg ist: dieser Super League-Weg oder ein anderer."

Am nächsten Tag, als sich die meisten Vereine bereits von der Idee verabschie­det hatten, distanzier­te sich auch Pinto von dem Plan. Am selben Tag stufte die Nachhaltig­keitsRatin­g-Agentur Standard Ethics JP Morgan Chase von "angemessen" auf "nicht konform" herab - ein Hinweis darauf, dass die Marke der Bank beschädigt worden war.

Die Begeisteru­ng von JPMorgan für das Projekt Super League sei Teil einer breiteren Verschiebu­ng im Profifußba­ll, sagt Dan

Plumley, Dozent für Sportfinan­zierung an der englischen Sheffield Hallam Universitä­t. Auch andere US-Finanzinst­itute und Equity-Firmen hätten in den Sport investiert. Er verwies dabei auf die Fußballclu­bs Burnley und Southampto­n in der englischen Premier League sowie auf den italienisc­hen AC Mailand. USInvestme­nt- und Private-EquityFond­s hätten sich in diese Vereine eingekauft oder sie ganz übernommen. Insofern wundert ihn das Engagement von JPMorgan in die Super League nicht.

"Das ist was diese Art von Organisati­onen tun", sagte er der DW. Wenn sie langfristi­ges Wachstumsp­otenzial sehen, seien sie bereit, große Summen an Kapital zu investiere­n. "Ohne Zweifel hätten die Clubs über die Super League mehr Geld generiert, als sie es ohne die neue Spielform jemals getan hätten. Für JPMorgan hätte sich die Super League langfristi­g ausgezahlt", fügte er hinzu.

Schon vor der Idee der Super League hatte JPMorgan enge Verbindung­en zu den beiden Vereinen, die als die stärksten Unterstütz­er des Projekts galten: Real Madrid und Manchester United.

Die Bank finanziert­e die Renovierun­g des Stadions von Real Madrid, wobei der Vorstandsv­orsitzende der Bank, Jamie Dimon, 2018 nach Madrid flog, um Reals Präsident Florentino Perez zu treffen. Im Fall von Manchester United unterstütz­te die Bank den umstritten­en Kauf des Vereins durch die Familie Glazer in den frühen 2000er Jahren.

Mit ihrem Engagement haben sowohl die milliarden­schweren Besitzer der Vereine, die die Idee der Super League anführen wollten, als auch die Großbank JPMorgan gezeigt, wie wenig Gespür sie für die europäisch­e und speziell die englische Fußballkul­tur haben. Auch wenn die Vereine mit Geldmengen hantieren, die mit multinatio­nalen Konzernen verbunden sind, sind doch ihre Mannschaft­en tief in die lokalen Fangemeind­en eingebette­t.

Und diese Fangemeind­e ist beachtlich. Bevor die Pandemie für leere Stadien sorgte, waren die Zuschauerz­ahlen bei englischen Ligaspiele­n in den drei Spielklass­en knapp unterhalb der Premier League auf einem Allzeithoc­h. 2019 besuchte ein Drittel der englischen Bevölkerun­g (18,4 Millionen Menschen) Spiele in einer dieser drei Ligen.

Für JPMorgan sollten die nun verärgerte­n Fußballfan­s eigentlich bald potenziell­e Kunden sein. Im Januar verkündete die Bank, dass sie unter der Marke Chase in den britischen Retail-Banking-Markt einsteigen und irgendwann im Jahr 2021 eine rein digitale Bank eröffnen wird. So mancher Fan wird sich erinnern, welche Bank das ungeliebte Super League-Projekt finanziere­n wollte.

Aus dem Englischen adaptiert von Insa Wrede

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Auch wenn es um viel Geld geht - der Fußball sollte die Fans nicht aus den Augen verlieren
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Chelsea-Fans protestier­en gegen Super League-Pläne

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