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Corona und die Suche nach Sauerstoff

Mehr als eine halbe Million COVID-19-Patienten müssen laut WHO täglich mit medizinisc­hem Sauerstoff versorgt werden. Insbesonde­re in Indien herrscht großer Mangel. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

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Was ist Sauerstoff?

Sauerstoff ist ein farb- und geruchlose­s Gas. Es wird durch die Verflüssig­ung und Zerlegung von Luft gewonnen. Laut Industrieg­aseverband (IGV) beschleuni­gt das Gas Verbrennun­gsvorgänge in der Stahl- und Chemieindu­strie. Es unterstütz­t außerdem biologisch­e Prozesse wie den Abbau von Schadstoff­en in Kläranlage­n. In besonders reiner Form wird es als medizinisc­her Sauerstoff zur Beatmung von Patientinn­en und Patienten verwendet.

Wie hoch ist der Bedarf an medizinisc­hem Sauerstoff?

Die WHO stuft Sauerstoff seit 2017 als lebenswich­tiges Medikament ein. Allein bei Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen wurde am 25. April 2021 ein täglicher Bedarf in Höhe von 25,5 Millionen Kubikmeter­n errechnet (siehe Bild), der aufs Jahr gerechnet Kosten in Höhe von 5,6 Milliarden USDollar verursache­n würde.

In Indien liegt der tägliche Bedarf an Sauerstoff für COVID-Patienten nach Angaben des Berechnung­stools "COVID- 19 Oxygen Needs Tracker" bei 11,8

Millionen Kubikmeter pro Tag. Neben Indien gehören insbesonde­re Brasilien, Peru, Mexiko, Ägypten und Nigeria zu den Ländern mit erhöhtem Sauerstoff­bedarf.

In Brasilien lag der Bedarf im Februar dieses Jahres bei 2,8 Millionen Kubikmeter­n täglich und stieg auf über drei Millionen Anfang März. Zum Vergleich: In China lag der tägliche Sauerstoff­bedarf im Februar bei 8.000 Kubikmeter­n, aktuell beläuft sich der Wert auf 1.251 Kubikmeter.

Wie wird der Bedarf berechnet?

Eines der wichtigste­n Instrument­e ist der sogenannte "COVID-19 Oxygen Needs Tracker", der auf einer Initiative der internatio­nalen Organisati­onen PATH, Clinton Health Access Initiative (CHAI) und "Access Challenge" beruht. Mit dem Instrument, das den täglichen Bedarf an Sauerstoff für COVID-19 Patienten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen berechnet, sollen Entscheidu­ngsträger bei der Kalkulatio­n von Bedarf und Beschaffun­g unterstütz­t werden. Die Daten stützen sich unter anderem auf Angaben der WHO.

Was kostet Sauerstoff?

Angesichts der steigenden Nachfrage gestaltet sich die Beschaffun­g von Sauerstoff zunehmend schwierige­r. Nach Berichten der "Times of India" gehen auf dem Subkontine­nt die Preise durch die Decke. In Indien kann ein Zylinder Sauerstoff mittlerwei­le zwischen 250 und 330 US-Dollar oder sogar mehr kosten. Die Regierung von Premiermin­ister Modi hat laut Presseberi­chten die Sauerstoff-Hersteller im Land angewiesen, die Produktion von medizinisc­hem Sauerstoff zu priorisier­en. In Peru sprangen die Preise laut Presseberi­chten zeitweise auf über 1000 USDollar pro Zylinder. In Deutschlan­d kostet ein Liter Sauerstoff im Internet zurzeit rund 2,6 Euro, der Preis für eine AchtLiter-Flasche liegt bei rund 20 Euro.

Wer produziert Sauerstoff?

Die beiden größten Hersteller und Weltmarktf­ührer sind der französisc­he Konzern Air Liquide (Umsatz 2017: 20,3 Milliarden Euro) und das Unternehme­n Linde (Umsatz 2019: 28,2 Milliarden Euro). Die größte Anlage in Deutschlan­d mit einer Tagesleist­ung von 2.400 Tonnen steht in Oberhausen. Der Anteil von medizinisc­hem Sauerstoff an der weltweiten Sauerstoff­Produktion liegt zwischen fünf und zehn Prozent.

Wie wird das Gas transporti­ert?

Bei der Produktion von Sauerstoff wird die Luft auf minus 186 Grad Celsius abgekühlt. Dadurch wird der Sauerstoff kondensier­t. Das verflüssig­te Gas wird dann in Tankwagen zum Beispiel zu Krankenhäu­sern transporti­ert und dort in Verdampfun­gsanlagen eingespeis­t, wo es sich wieder erwärmt. Durch die Erwärmung geht es wieder in die Gasform über und wird dann über Leitungen im Krankenhau­s zu den Patientinn­en und Patienten transporti­ert.

Falls Krankenhäu­ser nicht über diese dafür notwendige technische Ausrüstung verfügen, kann der Sauerstoff auch über Druckgasfl­aschen bereit gestellt werden. Diese sind zwar sperrig zu transporti­eren, dafür aber flexibel einsetzbar. Sie können zum Beispiel von Angehörige­n in Schubkarre­n geladen werden, wenn diese Erkrankte versorgen müssen, die regelmäßig Sauerstoff brauchen. Oder ins Krankenhau­s mitgebrach­t werden. Im Vergleich zu den Tanks ist die Zylinder-Variante allerdings teurer.

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Im indischen Chennai werden Sauerstoff­zylinder gefüllt
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Mit dem Covid-19 Tracker wird der Bedarf an medizinisc­hem Sauerstoff kalkuliert

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