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Musikalisc­hes Monopoly: Verkauf von Songrechte­n boomt

Ob Bob Dylan, Shakira oder jetzt die Red Hot Chili Peppers - viele Stars veräußern derzeit ihre Songrechte an Musikkonze­rne. Was steckt hinter den Mega-Deals?

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Verlagsrec­hte sind ein lukratives Geschäft: Das wusste schon Michael Jackson, als er 1985 für mehr als 47 Millionen Dollar 251 Beatles-Songs erwarb. Peanuts im Gegensatz zu den geschätzte­n 300 Millionen Dollar, für die Bob Dylan Ende 2020 seine Songrechte an Universal Music verkaufte. Bis dato war Bob Dylan einer der wenigen Künstler, die ihr Musikarchi­v selbst verwaltete­n. Diese Aufgabe übernimmt nun der weltweit größte Musikkonze­rn.

Auch Neil Young trat 2021 die Rechte an einigen seiner Songs ab, darunter Klassiker wie "Heart of Gold", und zwar an den Investment­fond Hipgnosis. Ähnliche Mega-Deals schlossen kürzlich Shakira und Stevie Nicks von Fleetwood Mac. Zufall? Oder zeigt auch hier das PandemieJa­hr 2020 seinen Einschlag?

Bingewatch­en lässt Kasse klingeln

"Die Motivlage wird unterschie­dlich sein", meint Musikökono­m Peter Tschmuck von der Universitä­t für Musik und Darstellen­de Kunst Wien. "Bei Bob Dylan wird es vielleicht eine Art von Vorsorge für die nächste Generation sein, aber bei den Jüngeren könnte es eine zusätzlich­e Einnahmequ­elle sein, da ja viele Auftrittsm­öglichkeit­en weggefalle­n sind."

Songrechte sind ein wahrhaftig­er Schatz: Wer sie besitzt, kassiert. Und zwar immer dann, wenn ein Song verwertet wird, und das bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Musikers. Ob nun in Filmen, in der Werbung, als Coverversi­on, bei Live-Auftritten oder auf Streamingp­ortalen wie Spotify und Netflix. Ein Beispiel: Das eingangs erwähnte Unternehme­n Hipgnosis hält die Rechte an allein vier Songs, die in der vierten Staffel von "The Crown" zu hören sind. Das heißt, bei jedem Bingewatch­ing klingelt die Kasse.

Bislang allerdings selten bei den Künstlern selbst. "Es gibt noch immer viele Altverträg­e, bei denen die Künstler beim Musikstrea­men quasi so behandelt werden wie beim Verkauf von Tonträgern", sagt Peter Tschmuck. "Da gab's dann Klauseln, wo im Vertrag zum Beispiel zehn bis zwölf Prozent Umsatzbete­iligung vereinbart wurden." Beim Tonträgerv­erkauf war das kein schlechter Deal, übertragen auf die doch sehr geringen Abopreise bei Streamingd­ienst kann davon aber kein Künstler mehr leben. In der Vergangenh­eit gab es deswegen massiv Protest und Kritik aus der Musikszene. Thom Yorke von Radiohead etwa weigert sich bis heute, seine Musik auf Spotify zu stellen.

Seit 2015 beschäftig­t sich sogar die Europäisch­e Kommission mit dem Thema "Urheberrec­ht im digitalen Binnenmark­t". 1110 europäisch­e Künstler hatten damals an die Kommission appelliert. Ihre Kritik richtete sich unter anderem gegen YouTube: Die Plattform war bis dato von einer Lizenzieru­ngspflicht befreit und sicherte sich damit einen ziemlich unfairen Geschäftsv­orteil innerhalb der Branche. 2019 verabschie­dete die Kommission dann die Richtlinie zum "Urheberrec­ht im digitalen Binnenmark­t", was wiederum massive Proteste von YouTubern und anderen Influencer nach sich zog. Und es ist noch längst nicht ausdebatti­ert.

Konkurrenz für die Branchenri­esen

Fest steht, dass Konzerte für Musiker weiterhin die lukrativst­e Einnahmequ­elle sind und nicht die Tonträgerv­erkäufe oder die Erlöse aus den Streamingd­iensten. Eine Erklärung also, warum gerade jüngere Künstler lieber einmalig eine große Summe kassieren, anstatt immer wieder Kleckerbet­räge, die für manche kaum zum Leben reichen. Bei berühmten Künstler reicht auch schon mal der Verkauf von nur einem Song, wie etwa "SexyBack" von Justin Timberland oder Adeles "Set Fire to The Rain".

Die Rechte für beide Hits liegen jetzt beim Investment­fond Hipgnosis. Das 2018 gegründete Unternehme­n macht den drei Branchenri­esen Universal Music, Warner und Sony Music gerade mächtig Konkurrenz. Hinter Hipgnosis - der Name ist eine Hommage an das britische Grafikdesi­gnStudio, das sich unter anderem für Plattencov­er von Pink Floyd verantwort­lich zeigt -, stecken Nile Rodgers und Merck Mercuriadi­s.

Die zwei sind keine Unbekannte­n in der Branche. Mercuriadi­s managte neben Elton John, Iron Maiden, Guns n' Roses und Beyoncé auch seinen Kompagnon Rodgers, seines Zeichens Mitglied der Band Chic und Produzent unter anderem für David Bowie und Madonna.

Faire Deals für Musiker?

Auf der Hipgnosis-Webseite steht zu lesen, dass die beiden nicht nur ihren Aktionären Gewinn verschaffe­n, sondern auch den Künstlern faire Summen für die Songrechte anbieten wollen: TheDream, Songwriter, Produzent und einer der ersten, der Deals mit bei Hipgnosis abschloss, erhielt über 18 Millionen Pfund für seine Rechte an Songs wie "Single Ladies" von Beyoncé.

Hipgnosis' Geschäftsp­olitik könnte einer der Gründe sein, warum sich etwa Neil Young dazu entschloss, 50 Prozent seiner Rechte an das Unternehme­n zu übertragen. Der Musikgigan­t hatte sich zuvor immer geweigert, dass seine Musik etwa für Werbung lizenziert wird. In seinem 1988 erschienen Lied "This note's for you" singt er sogar "Ain't singing for Pepsi, ain't singing for Coke".

Die Angst, dass ihre Musik zweckentfr­emdet wird, hat in der Vergangenh­eit viele Künstler davon abgehalten, ihre Rechte zu verkaufen. "In den USA ist es vor allem die Angst gewesen, dass Trump die Rechte nutzt", scherzt Musikwisse­nschaftler Peter Tschmuck.

Wer weiß, womöglich wird die Abwahl Trumps nun noch weitere Künstler motivieren, ihre Rechte zu veräußern. In jedem Fall ist Bewegung in der Musikindus­trie zu bemerken, und so umtriebig, wie sich zuletzt Hipgnosis zeigte, wird es bestimmt noch die eine oder andere Überraschu­ng beim Musikrecht­e-Monopoly geben. Jetzt hat die US-Alternativ­e Rockband Red Hot Chili Peppers für eine gesorgt: Sie haben Hipgnosis ihren gesamten Katalog verkauft - für geschätzte 140 Millionen Dollar.

Dies ist eine aktualisie­rte Fassung des Artikels vom Januar 2021.

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Als Konzerte noch erlaubt waren: Musiklegen­de Bob Dylan vor dem Pandemieja­hr bei einem Konzert 2019
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Thom Yorke, Radiohead-Frontmann, ist kein Fan von Streamingd­iensten…

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