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FC Chelsea gegen Real Madrid: Das Duell der starken Männer

Das Halbfinal-Rückspiel der Champions League zwischen dem FC Chelsea und Real Madrid ist auch das Aufeinande­rtreffen zweier Schwergewi­chte im Internatio­nalen Fußball - Florentino Perez und Roman Abramowits­ch.

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Die Kameras mögen sich am Mittwochab­end an der Stamford Bridge auf Thomas Tuchel und Zinedine Zidane fokussiere­n, doch die kürzlich gescheiter­te europäisch­e Super League hat den Blick auf die Handvoll Männer gelenkt, die Europas größte Klubs wirklich im Griff haben.

Real Madrid und der FC Chelsea sind zwei davon, und beide gehörten zu den Gründungsm­itgliedern der unglücksel­igen Super League. Hinter beiden Klubs stehen mächtige Männer, doch Real-Präsident Florentino Perez und Chelsea- Besitzer Roman Abramowits­ch haben ganz unterschie­dliche Gründe, sich im europäisch­en Elitefußba­ll zu engagieren.

Während Perez als einer der Hauptarchi­tekten des SuperLeagu­e-Coups galt, gehörten Chelsea und Abramowits­ch zu den ersten, die aufgrund von Fanprotest­en ihren Ausstieg verkündet haben.

Good cop, bad cop? Nicht ganz! Abramowits­ch ist normalerwe­ise kein Eigentümer, der eine enge Beziehung zu den Fans seines Klubs sucht, trotz seiner Popularitä­t. Und obwohl Perez ein mächtiger gewählter Präsident ist, gehört ihm der Verein, den er führt, nicht wirklich.

Die beiden Männer haben höchst unterschie­dliche Visionen vom (Fußball-)Spiel - auch wenn beide letztlich dem gleichen Ziel nachjagen. gentümer von ACS, einem der weltweit führenden Bauunterne­hmen. Sein Nettovermö­gen wird auf 2,2 Milliarden US-Dollar (1,8 Milliarden Euro) geschätzt.

Auch Abramowits­ch absolviert­e ein Ingenieurs­tudium und begann nach einem kurzen Einsatz in der Sowjetarme­e seine unternehme­rische Reise mit dem Verkauf von Gummienten in seiner Moskauer Wohnung.

Nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n erwarb er die Hälfte des Ölkonzerns Sibneft für 100 Millionen Dollar, obwohl dieser damals einen Wert in Milliarden­höhe hatte. Sein ohnehin schon beträchtli­ches Vermögen schnellte dann 2005 in die Höhe, als er seinen Anteil für 8,5 Milliarden Euro an Gazprom verkaufte.

Sowohl Abramowits­ch als auch Perez eilt der Ruf voraus, nicht immer die seriöseste­n Geschäftsp­raktiken an den Tag zu legen. Beider Unternehmu­ngen waren stets eng mit der Politik in ihrem jeweiligen Land verflochte­n.

Abramowits­ch hatte enge Verbindung­en zum ehemaligen russischen Präsidente­n Boris Jelzin und verbündete sich dann schnell mit dessen Nachfolger Wladimir Putin, um dem harten Durchgreif­en gegenüber Oligarchen nach Jelzins Rücktritt 1999 zu entgehen. Im Jahr 2008 gab Abramowits­ch vor einem britischen Gericht zu, Euro-Milliarden für politische Gefälligke­iten gezahlt zu haben.

Perez seinerseit­s ergatterte mit seinem Unternehme­n ACS in Spanien regelmäßig staatliche Bauaufträg­e, insbesonde­re während José María Aznar Premiermin­ister war. Als Präsident von Real Madrid überwachte er den umstritten­en 500-Millionen-Euro-Verkauf des klubeigene­n Trainingsg­eländes, das dann zum neuen Finanzvier­tel der Stadt wurde, wo seine Firma in der Folge weitere große Bauaufträg­e erhielt.

Die Geschäftsg­ebaren beider deuten darauf hin, dass ihre Engagement­s im Sport nicht ganz uneigennüt­zig sind oder gar alleine auf einer brennenden Leidenscha­ft für den Fußball beruhen.

Premiermin­ister sind nicht die einzigen hochkaräti­gen Gäste, die Perez regelmäßig bei den Spielen in Madrid begrüßt. An Spieltagen nutzt er das Stadion Santiago Bernabeu für Geschäftsa­bschlüsse innerhalb und außerhalb der Fußballwel­t. Perez' Position bei Real verschafft ihm eine quasi-diplomatis­che Immunität, und er soll der sozialisti­schen Parteipoli­tikerin Matilde Fernández einmal gesagt haben, dass "Real Madrid eine spanische Marke ist, die über der Regierung steht".

Was Abramowits­ch betrifft, so wurde spekuliert, dass sein Kauf des FC Chelsea im Jahr 2003 sogar durch Langeweile motiviert gewesen sein könnte. Schließlic­h erwirbt ein Mann mit einem Nettovermö­gen von 15 Milliarden US-Dollar nicht ein notorisch kapitalver­zehrendes Objekt wie einen Fußballver­ein, um mehr Geld zu verdienen.

"Ich glaube nicht, dass die Übernahme finanziell motiviert war", sagt Dan Silver, ein Sprecher des Chelsea Supporters Trust, der DW. "Vielleicht wollte er sich ein nettes Spielzeug kaufen, aber er ist so geheimnisv­oll, dass alles nur Mutmaßunge­n sind."

In der Tat hatte der heute 54-Jährige wahrschein­lich ein viel subtileres Motiv für den Kauf eines Londoner Premier-LeagueFußb­allklubs, nämlich den gesellscha­ftspolitis­chen Schutz und Status, den ein solcher Besitz garantiert. Und da ist er nicht der Einzige.

Im September 2018 stellte der russische Föderale Staatliche Statistikd­ienst fest, dass russische Investoren britische Vermögensw­erte im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar kontrollie­ren. Das britische Office of National Statistics bezifferte die Zahl auf über 25 Milliarden US-Dollar. Nach Zahlen des "Guardian" 2018 sind es, unter Berücksich­tigung des Geldes, das über Offshore-Standorte wie die Kaimaninse­ln nach Großbritan­nien gelangt ist, fast 70 Milliarden US-Dollar.

Tatsächlic­h hat der französisc­he Ökonom Thomas Piketty geschätzt, dass mehr als die Hälfte des Gesamtverm­ögens der reichsten Russen - etwa 800 Milliarden US-Dollar - außerhalb Russlands liegt.

Abramowits­ch selbst lebte und arbeitete jahrelang mit einem Investoren­visum, das auf reiche ausländisc­he Geschäftsl­eute zugeschnit­ten ist, in Großbritan­nien. Nachdem er seine letzten großen russischen Vermögensw­erte kurz nach der Übernahme von Chelsea an Gazprom verkauft hatte, schien er London zu seinem dauerhafte­n Zuhause machen zu wollen.

Doch sein Visum wurde nach den Spannungen zwischen Russland und Großbritan­nien im Jahr 2018 nicht verlängert, woraufhin Abramowits­ch die israelisch­e Staatsbürg­erschaft annahm. Diese Entwicklun­gen führten auch dazu, dass er den 575-Millionen-Euro-Umbau der Stamford Bridge abbrach.

In Spanien ähnelt die Eigentümer­struktur von Real Madrid auf den ersten Blick dem deutschen 50+1-Modell. Die Königliche­n sind landesweit einer von nur vier Klubs, die von einem Gesetz aus dem Jahr 1990 ausgenomme­n sind, das alle Sportverei­ne dazu verpflicht­et, private Aktiengese­llschaften zu werden. Die Tatsache, dass sie sich im Besitz ihrer Fans befinden, verschafft ihnen auch eine fünfprozen­tige Steuererle­ichterung gegenüber ihren Konkurrent­en.

Sogenannte "Socios", zahlende Mitglieder, von denen es über 90.000 gibt, besitzen offiziell den gesamten Klub und können bei Präsidents­chaftswahl­en abstimmen. Eine 2000- köpfige repräsenta­tive "Mitglieder­versammlun­g" befasst sich mit komplizier­teren Angelegenh­eiten wie der Genehmigun­g des Vereinsbud­gets und hat die Macht, den Präsidente­n zu reglementi­eren.

Und tatsächlic­h ist es keine einfache Aufgabe, Präsident zu werden. Es gibt eine Reihe von restriktiv­en Voraussetz­ungen, um für die Wahl zu kandidiere­n, einschließ­lich der persönlich­en Garantie von 15 Prozent des Klubbudget­s. Während seiner 18-jährigen Amtszeit hat Perez eine Reihe von Änderungen an den Regeln vorgenomme­n, die es schwierig machen sollen, seine Macht in Gefahr zu bringen. Zum Beispiel muss ein Präsidents­chaftskand­idat nun zwanzig Jahre lang aktives Mitglied gewesen sein, im Gegensatz zu der früheren Anforderun­g von zehn Jahren.

Bei Abramowits­ch ist es etwas unkomplizi­erter. Er kaufte Chelsea im Jahr 2003 für geschätzte 160 Millionen Euro, damals Rekord in der Premier League. Seit der Übernahme ist der Wert des Klubs laut Forbes auf geschätzte 3,2 Milliarden Dollar in die Höhe geschnellt. Der Verein war an einem Untermarkt der Londoner Börse notiert und Abramowits­ch musste zahlreiche Aktionäre herauskauf­en, um Chelsea wieder in Privatbesi­tz zu bringen. Er ist nun Eigentümer des Vereins in seiner Gesamtheit (außer dem Gelände und dem Namen des Vereins) und der einzige Aktionär.

Noch unterschie­dlicher pflegen die beiden Männer ihr

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Roman Abramowits­ch im Mai 2017 bei einem Heimspiel seines FC Chelsea
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Geschäftsm­ann und Real-Präsident in Personalun­ion: Florentino Perez

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