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Horst Seehofer: "Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung"
Bundesinnenminister Seehofer beklagt einen Höchststand bei Gewalttaten der politisch motivierten Kriminalität - und freut sich über einen Fahndungserfolg beim "NSU 2.0".
Elf Todesopfer politisch motivierter Kriminalität registrierte das Bundeskriminalamt (BKA) 2020. Allein neun waren es beim Attentat eines Rechtsextremisten auf eine Shisha-Bar in Hanau (Hessen). Beunruhigend findet der für die Sicherheit in Deutschland zuständige Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Entwicklung aber auch deshalb, weil die Zahlen in fast allen Bereichen nach oben gehen.
Mit weit über 44.000 registrierten Delikten wurde ein neuer Negativrekord in der seit 2001 geführten Statistik aufgestellt. Wobei 85 Prozent in die Bereiche Volksverhetzung, Beleidigung und Propaganda fallen.
"Es gibt k l are Ve rro - hungstendenzen in unserem Lande", beklagt Seehofer in
Berlin die Entwicklung angesichts einer Zunahme der Straftaten um 8,5 Prozent. Die Zahlen seien ein Gradmesser für die Stimmung in der Gesellschaft. Das gelte insbesondere für 2020, "weil durch die Pandemie eine weitere Polarisierung der politischen Diskussion zu beobachten ist".
Doch bevor der Innenminister näher auf die Radikalisierung der Corona-Proteste eingeht, verweist er auf einen Trend, der sich verfestige: Nach dem Mord an dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke und dem Anschlag auf die Synagoge in Halle sei Hanau der dritte rechtsterroristische Anschlag in wenigen Monaten gewesen.
"Das zeigt, dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Sicherheit in unserem Lande ist." Fast 53 Prozent aller politisch motivierten Straftaten sind dem rechten Spektrum zuzuordnen. Trotz all der Zahlen, "die mich bedrücken", freut sich Seehofer aber auch über einen aktuellen Fahndungserfolg.
"NSU 2.0": Rolle der Polizei "noch nicht vollständig geklärt"
Und zwar die Festnahme eines Verdächtigen, der seit 2018 unter dem Pseudonym "NSU 2.0" per Mail, Fax und SMS Drohnachrichten an Menschen mit und ohne Migrationshintergrund verschickt haben soll. Unter den Betroffenen ist neben Politikerinnen und Journalisten die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die im Prozess gegen die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) Opfer-Angehörige vertreten hat.
Ungeklärt ist aber weiterhin, welche Rolle Polizisten in Frankfurt am Main beim "NSU 2.0" gespielt haben. Denn Namen, Telefonnummern und andere persönliche Daten bedrohter Personen waren von PolizeiComputern der Banken-Metropole abgerufen worden.
"Das ist noch nicht vollständig geklärt", sagt BKA-Präsident Holger Münch und bittet angesichts der laufenden Ermittlungen weiter um Geduld. Es bleibe abzuwarten, "was die Auswertung der Datenträger erbringt". Gemeint ist der Computer des in Berlin festgenommenen mutmaßlichen Täters, der kein Polizist sein soll.
Corona-Proteste von "Querdenkern" im Fokus
Bei aller Erleichterung über diesen Erfolg im Kampf gegen den Rechtsextremismus sieht Innenminister Seehofer aber insgesamt ein großes Eskalationspotential. Und das hat aus seiner Sicht auch mit dem Protest gegen die Corona-Politik zu tun, den er grundsätzlich in Schutz nimmt: Versammlungen gegen die Corona-Maßnahmen seien Aus