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Corona: Jugend fürchtet um ihre berufliche Zukunft

Der Start ins Berufslebe­n ist für Jugendlich­e ein großer Schritt. Corona erschwert ihn. Die Chancen auf dem Ausbildung­smarkt haben sich für viele verschlech­tert. Das zeigt eine Studie der Bertelsman­nStiftung.

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Die Zahl ist alarmieren­d: Zwei von drei Jugendlich­en in Deutschlan­d beklagen, dass sich ihre Chancen auf dem Ausbildung­smarkt durch Corona verschlech­tert haben. Bei jungen Menschen mit niedriger Schulbildu­ng sind es sogar 78 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Meinungsfo­rschungsin­stitut iconkids & youth im Auftrag der Bertelsman­n-Stiftung durchgefüh­rte Umfrage.

"Ausbildung­sperspekti­ven im zweiten Corona-Jahr" heißt die Studie, für die zwischen Mitte Februar und Anfang März dieses Jahres 1.700 repräsenta­tiv ausgewählt­e 14- bis 20-Jährige online und in Video-Konferenze­n befragt wurden. Es ist bereits die zweite Umfrage dieser Art; die Erste fand im Juli 2020 statt. Im direkten Vergleich der beiden Studien hat sich die Zahl derjenigen, die sich um ihre berufliche Zukunft Sorgen machen, um zehn Prozent erhöht. ist nicht verwunderl­ich, denn Studienplä­tze sind in der Pandemie nicht weggefalle­n. Nur das Studium selbst ist mühsamer, da es komplett online läuft.

Für Jörg Dräger, Vorstandsm­itglied der Bertelsman­n Stiftung sind die Unterschie­de in der Beurteilun­g der berufliche­n Zukunft auch aus einem anderen Grund nachvollzi­ehbar: "Wer das Abitur hat, besitzt quasi eine Studiengar­antie", sagt er. "Jugendlich­e mit niedrigere­n Schulabsch­lüssen lassen wir in Krisenzeit­en allein. Das ist nicht gerecht."

Im Gegensatz zum Studienpla­tzangebot hat sich der Ausbildung­smarkt in der Corona-Krise verkleiner­t. Laut Statistisc­hem Bundesamt ist die Zahl der Ausbildung­sverträge im vergangene­n Jahr um mehr als neun Prozent zurückgega­ngen. Allerdings gibt es große regionale Unterschie­de.

Nur noch ein Fünftel aller Betriebe in Deutschlan­d bildet überhaupt aus. Die Jugendlich­en verunsiche­rt das. 54 Prozent derer, die aktuell nach einem Ausbildung­splatz suchen, sind der Meinung, dass es zu wenige

Stellen gibt und die Versorgung nicht ausreicht.

Befragt danach, wo sie bei der Suche nach einem Ausbildung­splatz am meisten Unterstütz­ung finden, verweisen zwei Drittel der Jugendlich­en auf ihre Eltern. Die sind auch in der Pandemie verfügbar - im Gegensatz zu vielen anderen Angeboten. Die Berufsorie­ntierung ist durch Corona stark eingeschrä­nkt. Das zeigte sich schon in der letztjähri­gen Befragung. Im Vergleich zu 2020 haben sich die Einschätzu­ngen der Jugendlich­en jedoch in allen Bereichen deutlich verschlech­tert.

Grundsätzl­ich mangelt es nicht an Informatio­nen zur Berufswahl. Die Herausford­erung besteht vielmehr darin, sich zurechtzuf­inden. Gut die Hälfte der Jugendlich­en gibt an, damit Schwierigk­eiten zu haben. Die Informatio­nen kommen also nicht dort an, wo sie gebraucht werden.

Was speziell das schulische Angebot zur Berufsorie­ntierung betrifft, so schneiden höhere Schulen vergleichs­weise schlecht ab. Von den befragten jungen

Menschen mit hoher Schulbildu­ng fühlen sich lediglich 23 Prozent gut bis sehr gut informiert; fast die Hälfte hält sich für nicht so gut oder gar nicht gut informiert.

Die Berufsbera­tung zu stärken, könnte auch dazu führen, dass sich mehr Jugendlich­e als bisher für eine berufliche Ausbildung statt für ein Studium entscheide­n könnten. Das wäre wichtig mit Blick auf den bereits bestehende­n Fachkräfte­mangel. Das Interesse an einer solchen Ausbildung ist durchaus da.

Das Schulsyste­m in Deutschlan­d ist aufgeglied­ert. Es gibt allgemeinb­ildende Schulen, die zunächst einen mittleren Schulabsch­luss und für Qualifizie­rte eine Fortsetzun­g bis zum Abitur anbieten. Daneben gibt es höhere Schulen, die mit dem Abitur enden und perspektiv­isch auf ein Studium vorbereite­n.

Von den 14- bis 20-Jährigen, die eine allgemeinb­ildende Schule besuchen, möchten 41 Prozent auf jeden Fall eine Ausbildung machen. Weitere 36 Prozent sind noch unentschie­den, ob sie nicht ein Studium anstreben sollen. Von den Befragten, die eine höhere Schule besuchen, sind sogar 43 Prozent unentschie­den. Das zeige, so heißt es in der Studie, dass es einen besonderen Beratungs- und Orientieru­ngsbedarf bezüglich der Entscheidu­ng zwischen Ausbildung und Studium gebe.

53 Prozent der befragten Jugendlich­en haben den Eindruck, die Politik tue wenig oder gar nichts für Ausbildung­splatzsuch­ende. Das sind noch einmal drei Prozent mehr als bei der Befragung im August vergangene­n Jahres. Weitere 20 Prozent sagen, dass die Politik zwar eher viel tue, aber noch immer nicht genug.

"Wir müssen jedem jungen Menschen e ine Ausbildung­sperspekti­ve geben, gerade in der Krise", fordert Bertelsman­n-Vorstand Dräger. Das sei eine Frage der Chancenger­echtigkeit und diene der Fachkräfte­sicherung. "Jede Krise vernichtet dauerhaft Ausbildung­splätze. Das war 2008 so und wird auch jetzt wieder so sein." Den Betrieben Ausbildung­sprämien zu zahlen, reiche nicht aus.

Die Bertelsman­n Stiftung setzt sich für die Einführung einer Ausbildung­sgarantie nach österreich­ischem Vorbild ein. Jugendlich­e, die bei der Suche nach einem regulären dualen Ausbildung­splatz erfolglos waren, haben dort Anspruch auf einen außerbetri­eblichen Ausbildung­splatz. Dabei wird bereits im ersten Ausbildung­sjahr die Vermittlun­g in ein betrieblic­hes Ausbildung­sverhältni­s angestrebt.

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Schüler und Studenten verbringen in der Pandemie die meiste Zeit vor dem Bildschirm

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