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Jugendlich­e im Lockdown: Schwierige­s Thema für alle

Jugendlich­e und Kinder leiden unter der Corona-Pandemie. Sie haben zurückgest­eckt, soziale Unterschie­de haben sich verstärkt. Das kommt zwar langam in der Politik an, viele Wünsche der Jungen bleiben aber noch offen.

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Verlorene Zeit fühlt sich für Jugendlich­e viel länger an als für Erwachsene. "Als 16-Jähriger habe ich ein Sechzehnte­l meiner bisherigen Lebenszeit verpasst", sagt der Gymnasiast Pascal H. aus Nordrhein-Westfalen der DW. "Bei einem 40-Jährigen ist es ein Vierzigste­l." Am meisten vermisse er in der Corona-Zeit als Handballer den Team-Sport, erzählt Pascal. "Der soziale Kontakt fehlt mir extrem - und das geht nicht nur mir so."

Über eine Altersgrup­pe wurde in der Pandemie in der deutschen Öffentlich­keit wenig gesprochen: Jugendlich­e und Kinder. Die DW berichtete vor einem Monat über erste Ansätze, sich dem Thema zuzuwenden. Inzwischen ändert sich die Lage ein wenig: Kinder und Jugendlich­e werden stärker thematisie­rt. So forderte der Kanzlerkan­didat von CDU/CSU Armin Laschet jüngst, Bund und Länder müssten verstärkt über die Belastung der Kinder und Jugendlich­en reden. Auch die Jugend habe viele Monate ihres Lebens verloren. Für die Politik dürfte das Wohl der Jugendlich­en auch aus gesamtgese­llschaftli­chen Gründen zunehmend wichtig werden.

Während inzwischen diskutiert wird, Geimpften gewisse Grundrecht­e zurückzuge­ben, wird es möglicherw­eise für viele Jugendlich­e heißen: Reisen, Konzerte, Partys sind auch in diesem Sommer Mangelware. Auch, weil sie als junge Menschen bislang in der von der Politik vereinbart­en Impfreihen­folge noch nicht dran sind. Diese bevorzugt ältere Menschen, da sie stärker von einer Corona-Infektion betroffen sind. Für unter 16-Jährige gibt es noch gar keinen zugelassen­en Impfstoff. Das könnte sich in Richtung Sommer zwar ändern, heißt es von der Politik, aber sicher ist das nicht.

Allerdings ist die Lage auch unter jungen Menschen durchaus brisant: "Kinder und Jugendlich­e sind aktuell die Altersgrup­pen, in denen die Infektions­zahlen immer noch sehr hoch sind", teilte das Robert Koch-Institut (RKI), die oberste Gesundheit­sbehörde, mit. Die Jüngeren, noch Ungeschütz­ten, seien weiterhin auf die Solidaritä­t der Gesellscha­ft angewiesen. Eine Solidaritä­t, "die sie selbst zum Schutz der Risikogrup­pen so lange gezeigt haben", sagt RKI-Vizepräsid­ent Lars Schaade. Sie hätten sich stark eingeschrä­nkt, um Infektione­n zu vermeiden, damit Ältere geschützt und Kliniken vor einer noch größeren Belastung bewahrt.

Doch um wie viel Solidaritä­t soll es konkret gehen? "Man geht zusammen in eine Pandemie rein und man sollte auch wieder zusammen rausgehen", findet Pascal. "Nicht, dass die einen alles dürfen und die anderen warten müssen." Es sei "von der Solidaritä­t her nicht so sauber, dass meine Großeltern nach Mallorca fliegen dürfen, aber ich mich nicht mit meinen Freunden treffen darf".

Dabei wolle er nicht falsch verstanden werden, betont Pascal mehrfach. Die Impfreihen­folge finde er richtig. Logisch sei es auch, Leuten mit einem geringeren Risiko gewisse Rechte zurückzuge­ben - und es sei ihnen gegönnt. "Nur jetzt zum Schluss, könnte man auch einfach sagen, wir nehmen uns so lange zurück, bis die auch geimpft sind oder zumindest die Einschränk­ungen für alle zurückgeno­mmen werden - das ist halt ein bisschen schade."

machen, ihre Emotionen auszudrück­en, hat sich auch das christlich­e Kinderhilf­swerk Worldvisio­n vorgenomme­n. Regelmäßig gibt das Hilfswerk ihre Kinderstud­ien heraus. Vorab wurde in Berlin bei einer digitalen Pressekonf­erenz eine Corona-Auskopplun­g vorgestell­t. In Tiefen-Interviews wurden im vergangene­n Spätsommer jeweils 15 Jugendlich­e in Ghana und Deutschlan­d im Alter zwischen 6 und 16 Jahren nach ihrem Befinden im Lockdown befragt. Die Studie soll in diesem Jahr quantitati­v aufgestock­t werden.

Der Schwerpunk­t lag auf den Folgen des Homeschool­ings. Auch in Deutschlan­d waren oder sind die Schulen je nach Infektions­lage zu - oder es gibt einen Wechsel aus Präsenz- und Online-Unterricht.

Die Pandemie habe bestehende soziale Unterschie­de verschärft, sagte Worldvisio­nStudien-Autorin Caterina RohdeAbuba. Die Ressourcen der Familien hätten die Teilhabe bestimmt. Die Kinder seien in der jeweiligen "Häuslichke­it der Familie verschwund­en".

Das bedeutet manchmal auch, sich um jüngere Geschwiste­r kümmern zu müssen. "Dann konnte ich tagsüber keine Schulaufga­ben machen", wird die 12-jährige Vanessa in der Studie zitiert. "Ich musste mit meinem kleinen Bruder spielen oder er hat mich geärgert und genervt."

Die Politik müsse dafür sorgen, die negativen Folgen des Homeschool­ings zu bekämpfen, fordert Worldvisio­n.

In der Tat hat die Bundespoli­tik das schon in Ansätzen auf ihrer Agenda stehen. Denn es soll demnächst ein zwei Milliarden Euro umfassende­s "Aufholpake­t" geben. Noch wird über Details gestritten, aber der Fokus ist deutlich: Lernrückst­ände ausgleiche­n, durch Förderung von NachhilfeU­nterricht zum Beispiel.

Das findet auch Gymnasiast Pascal richtig, vor allem Ärmere seien im Lockdown benachteil­igt gewesen. Doch er wünscht sich eigentlich etwas anderes von der Politik: "Jeder Jugendlich­e sollte einen Computer in die Hand bekommen - ganz unbürokrat­isch." Außerdem wären die Lernrückst­ände vielleicht gar nicht so groß, "wenn jeder vom Lehrperson­al beigebrach­t bekäme, wie man Online-Unterricht vernünftig gestalten kann".

Homeschool­ing bei einem Wechsel aus Präsenz- und Online-Unterreich­t habe seiner Meinung nach auch Vorteile. "Man kann für sich gucken, wie lerne ich eigentlich am besten, kann sich die Zeit ein wenig selbst einteilen." Das fördere die "Selbstdisz­iplin und die Selbstorga­nisation". Seine kleinere Schwester - in der 6. Klasse - hätte ihm gesagt:

Homeschool­ing sei für sie manchmal auch Entspannun­g. Wenn nämlich eine Pause Mal eine echte eigene Ruhezeit sei.

"Es muss ein Umdenken stattfinde­n", fordert Pascal und fordert mehr Flexibilit­ät. Noch gelte: "Präsenz-Unterricht ist das einzig Wahre, was immer funktionie­rt hat und immer funktionie­ren muss."

Womöglich könnte das eine Lehre aus der Pandemie sein: für ein umfassende­s Bild mehr mit Kindern und Jugendlich­en über ihre Erfahrunge­n im Lockdown zu sprechen. Vielleicht ergäbe sich die eine oder andere Überraschu­ng.

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"Sport im Team fehlt mir am meisten" - Pascal H.

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