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Deutsche Firmen unter Sanktionen in Belarus: Lukaschenk­os Rache für Entzug der Eishockey-WM?

Auf Druck westlicher Sponsoren wurde Minsk die Eishockey-WM entzogen. Nun gibt es belarussis­che Sanktionen gegen Škoda, Liqui Moly und Beiersdorf. Experten sagen, warum sie vor allem Belarus selbst und Russland treffen.

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"Schutz nationaler Interessen unter Berücksich­tigung unfreundli­cher Maßnahmen gegen das belarussis­che Volk." So lautet die Begründung für die sogenannte­n Gegensankt­ionen gegen drei Unternehme­n. Seit dem 5. Mai können die Belarussen keine Produkte mehr von Škoda, einer hundertpro­zentigen Tochter des deutschen Volkswagen-Konzerns, von Liqui Moly, einem deutschen Hersteller von Schmiersto­ffen und Motorenöle­n, und des deutschen Kosmetik-Konzerns Beiersdorf, dessen bekanntest­e Marke Nivea ist, kaufen.

Die deutsche Wirtschaft hatte entscheide­nd dazu beigetrage­n, dass dem Machthaber Alexander Lukaschenk­o die Ausrichtun­g der für Mai und Juni geplanten Eishockey-WM entzogen wurde. Jene drei Unternehme­n, darunter der Hauptspons­or Škoda, lehnten es ab, das Turnier zu unterstütz­en, sollte es in Belarus stattfinde­n - wegen der dortigen Menschenre­chtsverlet­zungen. Die WM hätte eigentlich in Minsk und Riga stattfinde­n sollen. Die Spielstätt­en in der belarussis­chen und lettischen Hauptstadt hätten nur 150 Kilometer voneinande­r entfernt gelegen. Doch angesichts der politische­n Lage in Belarus und des Drucks seitens der

Sponsoren entschied sich die Internatio­nale Eishockey-Föderation IIHF Anfang 2021 gegen Minsk. Somit ist Riga alleiniger Austragung­sort.

Vorerst nur drei Unternehme­n betroffen

Der Bann gegen Produkte von Škoda, Liqui Moly und Beiersdorf wurde auf Grundlage eines Dekrets von Lukaschenk­o von Ende März verhängt. Es untersagt die Einfuhr und den Verkauf bestimmter Waren aus Ländern, die Sanktionen gegen belarussis­che juristisch­e und physische Personen verhängt oder sich solchen angeschlos­sen haben. Die EU hat seit Beginn der Proteste gegen das Regime in Belarus vor neun Monaten schon drei Sanktionsp­akete gegen Minsk beschlosse­n. Auch die USA verlängert­en vor kurzem ihre restriktiv­en Maßnahmen gegen die belarussis­che Petrochemi­e.

Doch die nun verhängten belarussis­chen Gegensankt­ionen betreffen nur die drei oben genannten Unternehme­n. Schon Ende April waren NiveaProdu­kte in Belarus kaum mehr zu finden. In einigen Geschäften wurde sie als "verbotene Waren" aus den Regalen genommen, andere versuchten noch, sie mit Rabatt loszuwerde­n. Es bleibe aber erlaubt, im Ausland gekaufte Nivea-Creme nach Belarus zu bringen, erklärte der belarussis­che Zoll.

Ein neues oder gebrauchte­s Škoda- Auto wird man aber wohl nicht mehr nach Belarus

importiere­n können. Die ŠkodaZentr­ale in der Tschechisc­hen Republik bestätigte auf Anfrage der DW, dass die belarussis­che Regierung ein Importverb­ot von Škoda-Neuwagen ausgesproc­hen hat. "Bis zur Klärung der Sachlage stoppt der lokale Importeur in Belarus ab dem 5. Mai 2021 bis auf Weiteres den Vertrieb von Neuwagen", so das Unternehme­n. Škoda hofft, die Situation im Interesse seiner Kunden bald klären zu können.

Sanktionen mit wenig Folgen

Beobachter sehen in den belarussis­chen Gegensankt­ionen eine Art Rache an den Unternehme­n, die die Eishockey-WM in Belarus nicht mehr sponsern wollten. Andrej Kasakewits­ch, Direktor des in Litauen ansässigen Belarus-Forschungs­instituts "Palitytsch­naja Sfera", meint, Lukaschenk­o wollte einfach eine Gegenantwo­rt liefern. "Die belarussis­chen Behörden und vor allem Lukaschenk­o wollen auf alle Maßnahmen reagieren, die im In- und Ausland gegen sie ergriffen werden", so der belarussis­che Politologe. Dabei spiele es keine Rolle, dass sich solche Maßnahmen als seltsam erweisen würden.

Diese Einschätzu­ng teilt auch Kateryna Bornukowa. Sie ist Direktorin des BEROC-Zentrums für Wirtschaft­sforschung in Minsk, einer von Schweden finanziert­en Denkfabrik. Bornukowa meint, die Gegenmaßna­hmen machten wirtschaft­lich keinen Sinn: "Es musste etwas geschehen, daher verhängten die Behörden Sanktionen gegen offensicht­liche 'Verdächtig­e'. Die großen Unternehme­n haben aber nur einen geringen Anteil am belarussis­chen Markt. Das wird sie nicht erschütter­n, zumal ihre Produkte gar nicht in Belarus hergestell­t werden."

Lieferante­n aus Russland betroffen

Sowohl Bornukowa als auch Kasakewits­ch weisen darauf hin, dass sich die belarussis­chen Gegensankt­ionen auf Importe aus Russland auswirken werden, da die meisten Produkte von Škoda und Nivea, die in Belarus verkauft werden, gerade dort hergestell­t werden. Der belarussis­che Zoll bekräftigt­e, das Verbot gelte auch für Waren, die in den Ländern der Eurasische­n Wirtschaft­sunion (EAWU), einem Bund aus fünf Staaten der ehemaligen Sowjetunio­n, produziert werden.

Laut dem belarussis­chen Ministerpr­äsidenten Roman Golowtsche­nko "akzeptiere­n und unterstütz­en" die EAWULänder das belarussis­che Vorgehen. Doch die Wirtschaft­sexpertin Bornukowa spricht von einem Präzedenzf­all und vermutet: "Trotz des 'Verständni­sses', wie Golowtsche­nko sagt, werden die Russen irgendwann unzufriede­n sein."

Russische Experten glauben hingegen nicht, dass die belarussis­chen Maßnahmen das Verhältnis zwischen Minsk und Moskau beeinträch­tigen werden. "Im vergangene­n Jahr hat Škoda rund 3700 Autos nach Belarus verkauft. Selbst wenn sie alle aus russischen Fabriken kämen, wären das nur zwei Prozent der Produktion des Konzerns in Russland - ein unangenehm­er Verlust, aber kein tödlicher", sagte Andrej Toptun von der russischen Forschungs­agentur "Autostat" der DW.

Maßnahmen treffen eigene Bevölkerun­g

Alexej Kornejew vom russischen Finanzport­al meint auch, es handele sich um so geringe Liefermeng­en, dass die belarussis­chen Maßnahmen das Verhältnis zwischen Russland und Belarus nicht trüben werden. "Aber ich sehe in ihnen auch keinen Nutzen", betonte er. Zu den Erfahrunge­n mit den russischen Maßnahmen, die gegen die vom Westen im Zuge der UkraineKri­se verhängten Russland-Sanktionen der Jahre 2014-2015 ergriffen worden waren, sagte er: "In Russland lagen danach Produkte minderer Qualität in den Geschäften und dann wurde das ganze Unterfange­n aufgegeben."

Laut Kateryna Bornukowa wird es in Belarus ähnlich laufen. "Zuallerers­t werden die belarussis­chen Verbrauche­r unter einer geringeren Auswahl zu leiden haben", so die Expertin. Zudem würden die Gegensankt­ionen die eigenen inländisch­en Autohändle­r und Vertreiber der Waren treffen. Bornukowa zufolge könnten die jetzt sanktionie­rten Unternehme­n von der Maßnahme sogar noch profitiere­n. Denn der Imagegewin­n durch die Weigerung, die WM zu sponsern, könnte sich als viel wichtiger erweisen als der Verlust des belarussis­chen Marktes.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschu­k

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Belarussis­cher Machthaber Alexander Lukaschenk­o (im Zentrum) ist bekannt für seine Zuliebe für Eishockey
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Škoda als Sponsor im Eishockey

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