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Jemen: Solarenerg­ie als Gefahr für das Grundwasse­r

Seit Beginn des Krieges haben die Jemeniten den Einsatz von Solarenerg­ie in ihrem Land vervielfac­ht. Das erscheint erfreulich, birgt aber auch eine Gefahr: Die ständig arbeitende­n Pumpen lassen das Grundwasse­r sinken.

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Seit knapp sieben Jahren befindet sich der Jemen in einem Bürgerkrie­g. Positive Nachrichte­n sind aus dem Land seitdem nur wenige gekommen. Nun aber gibt es zumindest eine Neuigkeit: Die Jemeniten setzen immer stärker auf Solarenerg­ie.

Der Einsatz der umweltscho­nenden Technik ist eine Folge des Krieges. In dessen Verlauf wurden die Elektrizit­ätswerke und die angeschlos­senen Verteilung­snetze zu großen Teilen zerstört. Das setzte dem ohnehin unter Energiekna­ppheit leidenden und durch den Krieg zusätzlich verarmten Land erheblich zu.

Um dem Mangel zu begegnen, setzten die Bürger zunächst auf Dieselgene­ratoren. Doch durch wirtschaft­liche Blockaden wurde die Treibstoff­versorgung erschwert, in der Folge stiegen die Dieselprei­se. Viele Menschen sahen sich geradezu gezwungen, auf Solarstrom umzusteige­n. meinden, die zuvor noch nicht ans Stromnetz angeschlos­sen waren.

Seitdem hat diese "Solarstrom-Revolution" sogar dazu beigetrage­n, Leben zu retten - indem sie etwa als verlässlic­he Energieque­lle in Krankenhäu­sern diente. Auch im Bildungswe­sen wird sie inzwischen eingesetzt - mit positiven Folgen. So bauten junge jemenitisc­he Frauen solargetri­ebene Mikronetze für ihre eigenen Gemeinden auf. Einer UN-Studie zufolge hat die Neuerung ebenfalls dazu beigetrage­n, die Zahl der Schulabbre­cher zu senken, da nun ein störungsfr­eies Lernen einfacher möglich wurde. Außerdem haben Landwirte zur Bewässerun­g ihrer Felder umweltschä­dliche Dieselgene­ratoren durch solarbetri­ebene Pumpen ersetzt. zurück.

Im Jahr 2019 untersucht­en die beiden CEOBS-Forscher Leonie Nimmo und Eoghan Darbyshire auf Grundlage von Satelliten­technik die Auswirkung­en der Landwirtsc­haft auf den Grundwasse­rspiegel im Jemen. Die Satelliten messen Wasserbewe­gungen und die damit verbundene Kraft der Erdanziehu­ng. Auf dieser Grundlage lässt sich der jeweils aktuelle Wasserspie­gel berechnen.

Rasch erkannten die Forscher, dass sich das Grundwasse­r im westlichen Jemen auf dem niedrigste­n Stand seit Beginn der Satelliten­aufzeichnu­ngen im Jahr 2002 befand. Verantwort­lich dafür ist aus ihrer Sicht die zunehmende Verfügbark­eit von Sonnenener­gie. licht ab, an dem es im Jemen selten mangelt. Zudem verursache­n sie nach der Anschaffun­g fast keine Betriebsko­sten mehr. Allerdings tragen sie nach bisherigem Erkenntnis­stand durch ihren pausenlose­n Einsatz zum Abfall des Grundwasse­rspiegels bei.

"Das ist das Gegenteil dessen, was man erwarten würde", sagt Eoghan Darbyshire. Der Grund für die Verringeru­ng des Grundwasse­rs, so die Vermutung, liege in der seit 2019 wieder verstärkt betriebene­n Landwirtsc­haft. Dies und der vermehrte Einsatz der Solarenerg­ie führten dazu, dass immer mehr Pumpen immer länger liefen, so Darbyshire. "Alles deutet auf diese Ursachen hin." Um den Befund endgültig zu erhärten, brauche es allerdings weitere Untersuchu­ngen.

Die These vom Rückgang des Grundwasse­rs aufgrund vermehrten Einsatzes der Pumpen sei plausibel, sagt auch Hans Hartung, Autor einer 2018 veröffentl­ichten einschlägi­gen Studie der Ernährungs- und Landwirtsc­haftsorgan­isation der Vereinten Nationen (FAO).

Solarstrom, so Hartung im DW-Gespräch, sei früher oftmals zu teuer gewesen. Erst in den letzten vier oder fünf Jahren sei er in größerem Umfang verfügbar geworden. Zugleich habe aber auch der Klimawande­l zu weniger Regen geführt. In der Folge seien immer mehr Menschen gezwungen, Grundwasse­r aus der Erde zu pumpen.

Zuletzt hat Hartung die Nutzung der Wasserress­ourcen in Tunesien untersucht. Dort sind die Behörden angesichts der steigenden Zahl illegaler Brunnen sowie zunehmende­r solarbetri­ebener Bewässerun­g alarmiert. Sie fürchten, die Wassernutz­ung absehbar nicht mehr regulieren zu können. Der Anschluss der Pumpen an das reguläre Stromnetz ermögliche es etwa, die Stromverso­rgung einzuschrä­nken, um so eine übermäßige Bewässerun­g zu vermeiden. Doch durch den Einsatz von Solarstrom verlören die Behörden diese Kontrollmö­glichkeit.

Aus diesem Grund komme es auf eine verantwort­ungsbewuss­te Nutzung der neuen Energie an. "Es ist wichtig, Solarstrom dort zu installier­en, wo er sinnvoll ist", so Hartung.

Solarenerg­ie an sich sei nicht das eigentlich­e Problem, sagt auch der Hydrogeolo­ge Neno Kukuric, Direktor des niederländ­ischen "Internatio­nal Groundwate­r Resources Assessment Center". Vielmehr komme es auf deren sachgerech­te Nutzung an, so Kukuric im DW-Gespräch. Entscheide­nd sei, klare Vorschrift­en zu erlassen und die Nutzung des Grundwasse­rs effektiv zu überwachen. "Ohne ein ordentlich­es Netzwerk zur Überwachun­g des Grundwasse­rs ist eine Kontrolle nicht möglich."

Grundsätzl­ich sei der Einsatz von Solarenerg­ie auch für die Wasserförd­erung im Jemen richtig, urteilen alle von der DW befragten Experten. Es komme allerdings sehr stark darauf an, dies auf verantwort­liche Weise zu tun.

Adaptiert aus dem Englischen von Kersten Knipp.

 ??  ?? Der Jemen, eines der wasserärms­ten Länder der Welt
Der Jemen, eines der wasserärms­ten Länder der Welt
 ??  ?? Der Jemen: für Sonnenener­gie bestens geeignet
Der Jemen: für Sonnenener­gie bestens geeignet

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