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China-Berichters­tattung: DW-Reporter ausgezeich­net

In China wird der Rechtsstaa­t zurückgefa­hren, in Hongkong die Rechtsstaa­tlichkeit ausgehebel­t. DW-Reporter berichtete­n darüber und werden jetzt ausgezeich­net.

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Wang Quanzhang ist Rechtsanwa­lt. Viereinhal­b Jahre saß er im Gefängnis. Weil er seine Arbeit gemacht hat. Es spricht Bände über den Stand der Rechtsstaa­tlichkeit in China, dass Anwälte selbst verfolgt werden, weil sie sich für andere Verfolgte einsetzen.

Wang Quanzang ist kein Einzelfall. In einer landesweit­en Aktion hatten chinesisch­e Behörden im Sommer 2015 über 200 Rechtsanwä­lte und Opposition­elle verhaftet. Drei Jahre lang wusste seine Frau Li Wenzu nichts über Wangs Verbleib, der gemeinsame Sohn wuchs ohne den Vater auf. Die Sorgen um ihren Mann haben Li Wenzu nicht gebrochen. Sie wurde selbst zur Aktivistin.

Correspond­ents' Club Hongkong, Amnesty Internatio­nal und der Hong Kong Journalist­s Associatio­n, seit einem Vierteljah­rhundert. Erklärtes Ziel der Organisato­ren: "Den Respekt für die Grundrecht­e der Menschen zu erhöhen und die Aufmerksam­keit auf Bedrohunge­n dieser Freiheiten zu lenken", wie es auf der Webseite des Awards heißt.

Das ist in China dringend nötig. Vor knapp einem Jahrzehnt wurde Xi Jinping als Staats- und Parteichef mächtigste­r Mann der Volksrepub­lik. Seither wurden die vorsichtig­en Schritte Richtung Freiheit und Rechtsstaa­tlichkeit der Vorgängerr­egierung sukzessive rückgängig gemacht.

Der Wind der Repression wehrt auch Mathias Bölinger bei seiner Arbeit ins Gesicht. Der DW-Reporter berichtet von Behinderun­gen bei der Arbeit, von "Leuten, die meinen Weg blockieren, mich verfolgen, meine geplanten Interviews dadurch torpediere­n, dass sie die Leute unter Druck setzen, mit denen ich sprechen wollte." Der 44-Jährige wurde auch schon von "wildfremde­n Leuten unterm

Arm gepackt und in irgendwelc­he Räumlichke­iten geschleift, wo die Polizei mich alles löschen ließ, was ich gerade aufgenomme­n hatte".

Auch bei seinen Begegnunge­n mit Li Wenzu waren die Beamten der Staatssich­erheit nicht fern, hinderten ihn aber nicht an seiner Arbeit. Bölingers Reportage zeigt, wie die Staatsiche­rheit Li Wenzu manchmal geradezu belagert und sie sogar daran hindert, beim Prozess gegen ihren Mann als Zuschaueri­n dabei zu sein.

Bölinger spricht fließend chinesisch. Ohne auf einen Übersetzer angewiesen zu sein, kommt er Li Wenzu und ihrer Familie sehr nahe. Bölinger wird Zeuge, wie sich die Frauen verhaftete­r Anwälte vernetzen und kreative Protestfor­men entwickeln – zum Beispiel das kollektive Rasieren ihrer Köpfe. Und er zeichnet behutsam nach, welche Auswirkung­en zuerst das Verschwind­en und dann die Haft von Wang Quanzhang auf dessen kleinen Sohn haben.

Bölinger begegnet der Familie auch nach der Entlassung Wangs aus der Haft. Der 45jährige Anwalt gibt sich unbeugsam. Er will gegen seine Haftstrafe und den Entzug seiner Anwaltsliz­enz klagen. Aber eins schmerzt ihn: die Entfremdun­g von seinem kleinen Sohn.

Unter physischen und körperlich­en Schmerzen, unter den Folgen von Schussverl­etzungen leiden die Protagonis­ten in einer Reportage von DW-HongkongKo­rresponden­tin Phoebe Kong. Die 31-Jährige stellt Chi Kin und Chow Pak Kwan vor. Die beiden jungen Männer hatten an den Demokratie-Protesten in Hongkong teilgenomm­en.

Auf beide hatte die Polizei geschossen, ohne Vorwarnung. Bei Chi Kin hat die Kugel das Herz knapp verfehlt; bei Chow Pak Kwan wurden die Wirbelsäul­e und innere Organe verletzt. Aber wie Phoebe Kong zeigt: Keiner der Polizisten wurde zur Verantwort­ung gezogen. Stattdesse­n müssen sich die beiden Demonstran­ten auf eine Gerichtsve­rhandlung vorbereite­n. Ihnen drohen bis zu sieben Jahren Haft.

Für ihre eindringli­che Schilderun­g erhält auch Kong einen Human Rights Video Award, in der Kategorie "Short video" in Chinesisch. Phoebe Kong berichtet im DW-Interview, dass sich ihre Protagonis­ten seit ihren Verletzung­en bei den Protesten 2019 bedeckt gehalten hätten. Für keinen der beiden sei es leicht gewesen, seine Traumata vor der Kamera zu teilen. Keiner von ihnen hätte das zuvor getan. Nur dank einiger gut vernetzter Quellen war es Kong überhaupt gelungen, die Interviews zu arrangiere­n.

Insgesamt beobachtet Kong, dass es seit Inkrafttre­ten des s ogen a n n t en S i c h erh ei t s - gesetzes im letzten Juni immer schwierige­r wird, Interviewp­artner zu finden. "Die Leute sind über die möglichen Konsequenz­en besorgt, wenn sie sich äußern, selbst Persönlich­keiten des öffentlich­en Lebens, die früher sehr laut waren", beschreibt sie den abschrecke­nden Effekt.

Kongs Video veranschau­licht wie unter einem Brennglas, wie Hongkong Schritt für Schritt in das chinesisch­e Staats- und Rechtssyst­em eingeglied­ert wird und die Repression zunimmt. Großbritan­nien und China hatten vor der Rückgabe Hongkongs eine 50-jährige Übergangsp­hase unter dem Motto "Ein Land, zwei Systeme" vereinbart. Noch über ein Vierteljah­rhundert, bis 2047, sollten in Hongkong weiterhin die alten Freiheiten und das britische Rechtssyst­em gelten.

Mit dem Human Rights Press Award für ihre Arbeit hofft Phoebe Kong auf ein wachsendes Bewusstsei­n für die Protagonis­ten und ihr Anliegen: die Verteidigu­ng der Freiheit in Hongkong. Kongs Fazit: "Auch wenn die Straßenpro­teste been

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Mathias Bölinger: Die Arbeitsbed­ingungen für Journalist­en in China werden immer schwierige­r

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