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Bitcoin Mining: Geht der Kryptoboom in Skandinavi­en zu Ende?

Europas Nordländer sind beliebte Standorte für nachhaltig­es Schürfen: Der Strom dort ist billig und kommt überwiegen­d aus erneuerbar­en Quellen. Doch auch andere Branchen wollen das nutzen, um grüner zu werden.

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Bitcoins sind wahre Stromfress­er. Je nach Schätzung beläuft sich der weltweite Energiebed­arf für das Schürfen der mit Abstand erfolgreic­hsten Kryptowähr­ungenauf 67 bis 121 Terawattst­unden (TWh). Das ist etwa die Hälfte dessen, was alle Rechenzent­ren - für Internet, Cloud-Dienste, den gesamten Finanzsekt­or und alle Kryptowähr­ungen - zusammen verbrauche­n. Der Jahresverb­rauch von Deutschlan­d liegt etwas über 500 TWh.

Deshalb stehen der Bitcoin und die gesamte Blockchain­Technologi­e, auf er basiert, im Verdacht, dem Klima zu schaden. Zumal (Stand April 2020) etwa 80 Prozent der Hashrate, also der Rechenleis­tung zum Schürfen neuer Bitcoins, in asiatische­n Ländernber­eitgestell­t werden. Und keines von ihnen generiert mehr als ein Viertel des Stroms aus erneuerbar­en Quellen. Hinzu kommen etwa 15 Prozent Hashrate aus Russland und den USA, die auch nicht gerade Vorreiter für eine entschloss­ene Energiewen­de sind.

Nachhaltig­eres Schürfen im hohen Norden?

Deshalb gilt Bitcoin-Mining in skandinavi­schen Ländern als grüner Ausweg aus dem Dilemma. Island war eines der Pionierlän­der. Zwischenze­itlich wurden dort laut der Icelandic Blockchain Foundation acht Prozent aller Bitcoins geschürft. Mit Geothermie und Wasserkraf­t erzeugen die staatliche Landsvirkj­un und andere Energieunt­ernehmen nahezu 100 Prozent des Stroms der Insel. Und er ist so preiswert, dass es seit Jahren Überlegung­en gibt, ein Seekabel nach Großbritan­nien zu verlegen, um grünen Strom nach Europa zu liefern, wo der viel teurer ist.

Stattdesse­n entschied man sich, energieint­ensive Industrien und deren Wertschöpf­ung auf die Insel zu locken, darunter Aluminium-Hütten und die Blockchain-Branche. Eines der ersten Unternehme­n, die in Island eine Bitcoin-Mine gebaut haben, war im Jahr 2013 Genesis Mining. Zu den Gründern gehört der Deutsche Philip Salter, der inzwischen Chief Technical Officer beim Schwesteru­nternehmen Genesis Digital Assets ist. Salter fasst die Vorzüge des Inselstaat­es zusammen: "Es gibt keine politische­n oder geopolitis­chen Risiken, die Infrastruk­tur ist sehr zuverlässi­g und der Strom ist nachhaltig und unglaublic­h billig."

In Island wird die Leistung knapp

Mittlerwei­le stoßen die Erzeugungs­kapazitäte­n des Landes jedoch an ihre Grenzen: "Der Stromübers­chuss könnte 2021 und 2022 sehr gering ausfallen", sagte Landsvirkj­unChef Hordur Arnarson der Bloomberg-Mediengrup­pe. Der Stromkoste­nvorteil steht deshalb auf der Kippe.

In den letzten Jahren ist die Mining-Industrie bereits anderswo wesentlich stärker gewachsen. Und so ist Islands Anteil an der Weltproduk­tion - je nach Erhebung - unter zwei oder gar unter ein Prozent gesunken. Dass die Isländer ihre einzigarti­ge Natur derzeit nicht noch mehr Kraftwerks­kapazität opfern wollen, sagt Mining-Pionier Salter, könne er gut verstehen. Zudem gebe es Alternativ­en.

Auch das skandinavi­sche Festland ist ein beliebter Standort für Mining-Unternehme­n. Norwegen hat die Isländer bei der Hashrate bereits überholt. Salter geht davon aus, dass auch Schweden das Zeug hat, ein Hotspot für Bitcoin-Schürfer zu werden: "Insbesonde­re im Norden des Landes, wo auch wir eine Mining-Farm betreiben, sind die Bedingunge­n mit denen in Island vergleichb­ar."

Ereilt Skandinavi­en ein ähnliches Schicksal?

Erneuerbar­e Energien sind in Skandinavi­en in so großen Mengen verfügbar, dass einige Länder kaum wissen, wohin mit dem Strom: "Die nordischen Länder haben in diesem

Jahr unter durchschni­ttlichen Wetterbedi­ngungen ein erwartetes Überangebo­t von fast 30 Terawattst­unden", sagt Olav Johan Botnen, Energieana­lyst beim norwegisch­en Marktforsc­hungsunter­nehmen Volue Insight.

Allerdings wächst auch dort die Stromnachf­rage der Schwerindu­strie - vor allem zur Produktion von "grünem Stahl": Dabei wird das Roheisen anstatt mit Kohle mit erneuerbar­em Strom und grünem Wasserstof­f zu Stahl verarbeite­t. Der nachhaltig­e Wasserstof­f wiederum wird ebenfalls mithilfe von erneuerbar­em Strom aus Wasser gewonnen. Entspreche­nd groß ist der Strombedar­f.

Zwei Konsortien haben in Nordschwed­en große Pläne: In der Kleinstadt Boden, in der auch die Bitcoin-Mine von Genesis steht, und in der nahegelege­n Hafenstadt Luleå sollen bis Ende des Jahrzehnts zwei riesige

Werke entstehen. Die 15 TWh Strom, die die Wasserkraf­twerke bereits jährlich erzeugen, und die zehn TWh, die der bald größte Onshore-Windpark Europas dort erzeugen soll, reichen voraussich­tlich nicht aus, um den Bedarf ganz zu decken. Mittelfris­tig will der Bergwerksk­onzern LKAB seine nachhaltig­e Schwammeis­en-Produktion in Schweden sogar auf eine Leistung von 55 TWh pro Jahr ausbauen. Noch einmal im Vergleich: Das weltweite Bitcoin-Mining verbraucht derzeit um die 100 TWh, ganz Schweden 135 TWh.

Wasserstof­fstahl und Seekabel dürften Strompreis­e treiben

Zwar wollen die nordischen Länder ihre erneuerbar­e Stromprodu­ktion weiter stark ausbauen. Aber so problemlos wie bisher gehe das bestenfall­s noch im Norden Schwedens und Finnlands, sagt Energieana­lyst Botnen, im dichter besiedelte­n Süden der Länder sowie in Norwegen und Dänemark würden die Flächen mittlerwei­le knapp und damit teurer.

Hinzu kommt die zunehmende Integratio­n der nord- mit den mitteleuro­päischen Strommärkt­e: Mehrere Seekabel verbinden Skandinavi­en bereits seit Längerem mit den Niederland­en, Polen und Großbritan­nien. Seit Dezember 2020 verbindet das Seekabel NordLink Norwegen mit Deutschlan­d, und weitere solcher Verbindung­en sind geplant: "Dadurch werden sich die Strompreis­e in Nordund Mitteleuro­pa angleichen", sagt Botnen. Für die Skandinavi­er heißt das: Es wird teurer.

Der Energieana­lyst rechnet im Laufe des Jahrzehnts mit einem Strompreis­anstieg von rund 50 Prozent auf dann 40 bis 50 Euro pro Megawattst­unde an den Spotmärkte­n. "Mit langfristi­gen Verträgen dürften sich Industriek­unden in Nordschwed­en bis Mitte der 2030er Jahre aber noch die alten Preise sichern können", glaubt Botnen.

"Bitcoins fördern die nachhaltig­e Stromerzeu­gung"

Philip Salter bleibt zuversicht­lich, dass Schweden ein attraktive­r Standort für BitcoinMin­er bleibt. Dennoch ist fraglich, in wie weit die skandinavi­schen Länder den Bitcoin und andere Kryptowähr­ungen überhaupt grüner machen. Die Blockchain-Industrie in allen fünf Ländern bringt es nach Zahlen der Universitä­t Cambridge auf etwa ein Prozent der weltweiten Hashrate.

Mining-Experte Salter betrachtet das Problem von der anderen Seite: "Ich glaube, dass unsere Branche den Ausbau der erneuerbar­en Energien sogar vorantreib­t - und zwar nicht nur in Skandinavi­en, sondern gerade auch in Entwicklun­gsländern."

Dafür spricht, dass Wind- und Solarkraft­anlagen die preiswerte­sten Stromquell­en sind, die man heute installier­en kann. Und einige der besten Standorte liegen in Entwicklun­gsländern. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Bitcoin-Mining den Strombedar­f erhöht. Und bevor nicht mehr erneuerbar­e Strom generiert wird, werden Bitcoin und Co mit fossiler Energie geschürft.

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Die vorhandene­n Geothermie- (Bild) und Wasserkraf­twerke in Island stoßen an ihre Grenzen

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