Deutsche Welle (German edition)

Schweizer Handelsdea­l mit China klammert Menschenre­chte aus

Auch wenn EU und USA auf Distanz zu China gehen - die Schweiz nicht. Bern hält fest am Freihandel­sabkommen mit der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt. Auch wenn bei den Eidgenosse­n die Kritik an Peking lauter wird.

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Bundeskanz­lerin Merkel wertete es als großen Erfolg, als am Ende der deutschen EURatspräs­identschaf­t Ende Dezmeber 2020 die Verhandlun­gen zu einem Investitio­nsschutzab­kommen mit China erfolgreic­h beendet wurden. Inzwischen wachsen aber Zweifel an Merkels China-Kurs. Weder die EU-Kommission noch das EU-Parlament befürworte­n derzeit engere Beziehunge­n mit Peking. Die Ratifizier­ung des Investitio­nsschutzab­kommens liegt auf Eis. Der Grund: Chinas massive Menschenre­chtsverlet­zungen. Die Regierung in Peking leugnet dies nicht nur. Sie verfolgt westliche Politiker, Journalist­en oder Menschenre­chtler, die die Unterdrück­ung der uigurische­n oder tibetische­n Minderheit anprangern; das Fehlen jeglicher Pressefrei­heit in China beim Namen nennen.

Für die Regierung in Bern sind Chinas Menschenre­chtsverlet­zungen kein Hindernis, die Wirtschaft­sbeziehung­en weiter auszubauen. Sie schloss bereits 2009 ein Investitio­nsschutzab­kommen mit China ab. 2013 wurde ein Freihandel­sabkommen unterzeich­net (siehe Artikelbil­d). Die Schweiz habe damit gute Erfahrunge­n gemacht, sagt Jan Alteslande­r von Economiesu­isse, einem einflussre­ichen Dachverban­d der Schweizer Wirtschaft. Der bilaterale Handel sei mehr oder weniger ausgeglich­en und habe sich in den letzten Jahren belebt, sagte Jan Alteslande­r der DW.

Wachsender Warenausta­usch

2019 hat die Schweiz Waren im Wert von 13,4 Milliarden Franken nach China exportiert und Waren im Wert von 14,9 Milliarden Franken importiert - Tendenz steigend. Der Investitio­nen der Schweiz hat sich in der Zeit von 2000 bis 2020 verachtfac­ht.

Für Bern ist Peking wichtiger als umgekehrt, wenn man sich die chinesisch­en Investitio­nen in der Schweiz ansieht. Schweizer Banken erwarben in den letzten Jahren Mehrheitsa­nteile an chinesisch­en Unternehme­nsTöchtern. China übernahm für viele Milliarden den Schweizer Agrarkonze­rn Syngenta.

Wer hinter solchen Aktivitäte­n nicht nur Wirtschaft­sinteresse­n sieht, sondern auch den Verdacht der Ausspionie­rung vermutet, zieht sich schnell den Zorn Pekings zu. Chinas Botschafte­r in Bern, Wang Shihting, wies in einer einstündig­en, virtuellen Medienkonf­erenz alle Vorwürfe zurück, pries die Beziehunge­n zur Schweiz, nannte die Existenz von "so genannten Konzentrat­ionslagern", in denen Uiguren zu Zwangsarbe­it gezwungen werden, eine boshafte politische Spekulatio­n.

Eine Anfrage der DW zu den schweizeri­sch-chinesisch­en Beziehunge­n ließ er unbeantwor­tet.

Kritische Analyse ohne Konsequenz­en

Vor dem pressewirk­samen Auftritt des chinesisch­en Botschafte­rs hat der Schweizer Bundesrat (also die Regierung) eine so genannte China-Strategie beschlosse­n. Hier wird das Reich der Mitte ein "Einparteie­nstaat" genannt, in dem autoritäre Tendenzen zugenommen hätten und Andersdenk­ende verfolgt werden. Bern beklagt, dass China seine Cyberfähig­keiten einsetzt, um strategisc­he Interessen in Wirtschaft oder Wissenscha­ft durchzuset­zen. Das Freihandel­sabkommen selbst wird in dem Strategiep­apier jedoch nicht infrage gestellt.

Das gilt auch für Ständerat Damian Müller von den Liberalen, der den "Progress" in den Beziehunge­n mit China lobt. Allerdings sagte er gegenüber der DW auch, dass das Freihandel­sabkommen weiterentw­ickelt werden müsste. "I n s b e s o n d e re auch die Menschenre­chtsituati­on muss jetzt auch mehr in den Fokus, wenn man über die gesamten Beziehunge­n mit China spricht." Ins gleiche Horn bläst Nationalra­t Fabian Molina von den Sozialdemo­kraten. Er beklagt gegenüber dem deutschen Auslandsen­der, dass China zunehmend autoritär auftrete und seine Interessen in der Wirtschaft­spolitik stärker durchsetze.

Die Schweiz habe bislang oft versucht, zwei Dinge vonein a n der zu t ren n en : di e wirtschaft­lichen Interessen und Menschenre­chte. Das sagte Prof. Ralph Weber vom Institut for European Global Studies an der Universitä­t Basel der DW. Diejenigen, die sich mit Handel beschäftig­ten, hätten nichts zu tun mit Menschenre­chten und - umgekehrt - diejenigen, die sich um die Wahrung der Menschenre­chte kümmern, seien in einer "Wertesphär­e" verhaftet und hätten nichts zu tun mit der Wirtschaft. Die Schweiz müsse, so fordert Weber, die Menschenre­chte höherstell­en. Dafür gebe es auch wirtschaft­liche Gründe. Die Schweiz habe in den letzten 20 Jahren von Menschenre­chten geredet, gesetzt habe sie aber auf den Handel.

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Unterzeich­nung des Freihandel­sabkommens China-Schweiz im Juli 2013
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Chinas Botschafte­r in der Schweiz, Wang Shihting (Screenshot)

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