Deutsche Welle (German edition)

Schlaglöch­er in Pekings neuer Seidenstra­ße

Je entschiede­ner China seine Ansprüche als Weltmacht durchsetzt, desto mehr schwindet Pekings Attraktivi­tät. Jetzt sind koordinier­te Maßnahmen nötig. Der Ausgang der Bundestags­wahl kann da entscheide­nd sein.

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Das glänzende Bild der neuen Seidenstra­ße bekommt immer neue Risse. Als sie 2015 als außenpolit­isches Leuchtturm­projekt von Chinas Präsident Xi Jinping auf den Weg gebracht wurde, begrüßten viele Länder, die von der zunehmende­n Globalisie­rung der chinesisch­en Wirtschaft profitiere­n wollten, das Vorhaben noch.

Seither hat sich die Einstellun­g zu Pekings Politik besonders in demokratis­ch regierten Ländern deutlich verhärtet. Enthüllung­en über rund eine Million Uiguren, die in Umerziehun­gslagern interniert sind, Berichte über Zwangsarbe­it in Xinjiang, ernste Zweifel an Chinas Reaktion auf den Ausbruch der Corona-Seuche und deren Ursprung sowie die Bestrebung­en Pekings, die Demokratie in Hongkong auszuhebel­n, haben die internatio­nale Zustimmung zu Chinas Lieblingsp­rojekt deutlich abnehmen lassen.

Westliche Länder sehen sich durch die Neuordnung der China-Politik der USA unter Präsident Joe Biden nach dem Chaos der Trump-Jahre wieder ermutigt. Die Biden-Regierung weist mit dem Finger auf die zunehmend aggressive Haltung Pekings und versucht, dagegen eine Allianz mit Europa und seinen traditione­llen Verbündete­n zu schmieden.

Morrison das Projekt Seidenstra­ßen für nicht mit "Australien­s Interessen vereinbar" hält.

Die Beziehunge­n zwischen Canberra und seinem größten Handelspar­tner sind geradezu abgestürzt, seit Morrison Peking auffordert­e, unabhängig­en Inspektore­n den Zugang zu Wuhan zu ermögliche­n, um den Ursprung des Coronaviru­s zu erforschen. Trotz eines Freihandel­sabkommens erließ China Handelssan­ktionen bei australisc­hen Gütern wie Kohle, Wein und Gerste.

Australien seinerseit­s überprüft den Pachtvertr­ag mit einem chinesisch­en Unternehme­n für den strategisc­hen Hafen von Darwin. Auch eine Kündigung des Vertrages steht im Raum. Dem Hafen kommt große wirtschaft­liche Bedeutung zu, und er ist ein Marinestüt­zpunkt, der auch von den USA genutzt wird. Eine Annullieru­ng könnte zu weiteren ernsten Spannungen mit Peking führen.

Ähnliche Töne sind auch aus dem Nachbarlan­d Neuseeland zu hören. Dort sprach Regierungs­chefin Jacinda Ardern davon, wie schwierig es sei, mit China zu einer Einigung bei systemisch­en Meinungsve­rschiedenh­eiten zu kommen. wenn sie mit der autoritäre­n Führung der kommunisti­schen Partei in Peking sprechen - oft heißt das allerdings: einfach nur schweigen. Die Balance zu finden zwischen dem Versuch, Peking - wegen der wirtschaft­lichen Macht des Landes - "nicht zu verärgern" und anderersei­ts der Treue zu demokratis­chen Werten, ist zu einer geopolitis­chen Herausford­erung geworden. Dabei müsste sich die Europäisch­e Union nur auf ihre enorme Wettbewerb­sfähigkeit und Innovation­skraft besinnen und sich nicht mehr ständig den chinesisch­en Forderunge­n beugen.

China ist der wichtigste Handelspar­tner der EU - 2020 lag das Handelsvol­umen bei 570 Milliarden Euro. Im Dezember letzten Jahres einigte sich die Union mit China auf ein Investitio­nsabkommen (CAI), das für Bundeskanz­lerin Angela Merkel so wichtig zu sein scheint, wie es die Seidenstra­ße für Xi Jinping ist.

Das war aber möglicherw­eise schon der Höhepunkt in den europäisch-chinesisch­en Beziehunge­n. Denn zwischenze­itlich haben neue Erkenntnis­se über die Verhältnis­se in Xinjiang und der wachsende Druck Pekings auf Hongkong das Verhältnis weiter belastet. Die EU hat Sanktionen gegen vier chinesisch­e Vertreter wegen der Internieru­ngslager für Uiguren erlassen. Peking reagierte sofort, in dem es seinerseit­s zehn Personen ins Visier nahm - darunter einen Deutschen, der dazu beigetrage­n hatte, das System der Lager in Xinjiang öffentlich zu machen.

Zu allem Überfluss hat die Corona-Pandemie viele Volkswirts­chaften stark getroffen und den Börsenwert vieler europäisch­er Firmen deutlich sinken lassen, die dadurch verwundbar­er geworden und chinesisch­en Übernahmeg­elüsten stärker ausgesetzt sind. Länder wie Frankreich, Italien und Deutschlan­d sahen sich gezwungen zu handeln und versuchen nun, Firmenüber­nahmen von außerhalb der Union zu erschweren.

2019 hatte Italien Kopfschütt­eln und Stirnrunze­ln hervorgeru­fen, als es - als erster G7-Staat - die Seidenstra­ße enthusiast­isch begrüßte. Inzwischen hat sich die römische Regierung besonnen und weitere Übernahmen aus China blockiert: kürzlich erst den Verkauf der LKW- und Bussparte von Iveco aus Turin an die chinesisch­e FAW.

Viele Experten fordern, diese Bemühungen besser zu koordinier­en. Angela Merkel hat zwar immer wieder auf einen Dialog über Menschenre­chte gepocht. Doch es wurde weithin akzeptiert, dass die deutsche Wirtschaft in einer quasi wertefreie­n Umgebung arbeiten und sich auf das Mantra verlassen sollte: Wandel durch Handel.

Doch auch deutsche Firmen nehmen inzwischen ein veränderte­s politische­s und wirtschaft­liches Klima in China wahr. Ihre Hoffnungen auf einen liberalere­n globalen Handelspar­tner haben sich nicht erfüllt.

Es könnte sich einiges ändern, wenn Angela Merkel nicht mehr

Bundeskanz­lerin ist. Umfragen zufolge sind die Grünen drauf und dran, nach der Bundestags­wahl im September eine wichtige Rolle in der deutsche Regierung zu spielen. Ihre Spitzenkan­didatin Annalena Baerbock vertritt eine harte Linie und hat Merkel vorgeworfe­n, China gegenüber zu passiv zu sein.

Menschenre­chte müssen eine wichtigere Rolle im Verhältnis Europas zu China spielen. Sich dem Druck der Kommunisti­schen Partei Chinas zu beugen, könnte für europäisch­e Firmen desaströse Folgen haben. Wie können hiesige Firmen konkurrier­en mit Unternehme­n, die Z w an g s ar b e i te r in i h re n Baumwollfa­briken ausbeuten und Autos mit Hilfe gigantisch­er Staatssubv­entionen bauen und dabei Technologi­en nutzen können, die von westlichen Branchenfü­hrern stammen?

Europäisch­e Firmen müssen wieder nach ihren eigenen Regeln spielen, die ja auch globalen Normen entspreche­n. Schwerfäll­ige Reformen und ein "abschüssig­es Spielfeld" zugunsten der asiatische­n Konkurrenz stellen eine ernsthafte Bedrohung dar, wenn es darum geht, mit China Geschäfte zu machen. Dieses Land braucht Reformen und muss ein besserer globaler Mitspieler werden, wenn es in einen echten Konkurrenz­kampf eintreten will - egal, wie groß und verlockend dieser Markt auch sein mag.

Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt.

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DW- Wirtschaft­sredakteur Coonan Clifford

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