Deutsche Welle (German edition)

EU legt China-Abkommen auf Eis

Nach dem EU-Parlament lehnt auch die EU-Kommission die weitere Arbeit am Investitio­nspakt mit China ab. Erst müssten Sanktionen fallen. Eine neue Strategie soll helfen. Bernd Riegert aus Brüssel.

-

"Das Abkommen liegt im Kühlschran­k und da wird es auch einige Zeit bleiben", sagt Bernd Lange, der Vorsitzend­e des Handelsaus­schusses des Europäisch­en Parlaments zum EU-Investitio­nsabkommen mit China. Die großen Fraktionen des Europäisch­en Parlaments, das dem China-Deal zustimmen muss, hatten bereits letzte Woche bereits beschlosse­n, das "Umfassende Abkommen über Investitio­nen" (CAI) so lange nicht zu behandeln, wie China Sanktionen gegen eine Reihe von EU-Abgeordnet­en aufrecht hält.

Der Vizepräsid­ent der EUKommissi­on, Valdis Dombrovski­s, hatte am Dienstag in einem Interview erklärt, das Abkommen sei auf "gewisse Weise suspendier­t". Man könne die Handelspol­itik nicht von den chinesisch­en Sanktionen trennen, die die Abgeordnet­en seit März wegen deren Kritik an der Menschenre­chtslage und der Unterdrück­ung der uigurische­n

Minderheit in China treffen. "Damit hat Herr Dombrovski­s eigentlich nichts Neues gesagt, aber er hat es noch nie so deutlich gesagt", meinte der grüne EU-Abgeordnet­e Reinhard Bütikofer am Mittwoch.

Bütikofer ist selbst von chinesisch­en Einreise-Sanktionen betroffen. Er ist Vorsitzend­er der China-Arbeitsgru­ppe des Europäisch­en Parlaments und hält mit Kritik an der Ein-Parteien-Diktatur in der Volksrepub­lik nicht hinterm Berg.

Nachdem die USA und die Gruppe der sieben wichtigste­n Industries­taaten ( G7) einen härteren Ton gegenüber Peking anschlagen, verschärft auch die EU ihre Haltung. Die Kritik an dem Entwurf für das Investitio­nsabkommen setzte schon

Anfang des Jahres ein. Nach Auffassung vieler Parlamenta­rier bietet es nicht genügend Vorteile und Rechtssich­erheit für europäisch­e Firmen, während China keine wesentlich­en Zugeständn­isse macht.

"Das Abkommen wurde mit der Brechstang­e verabschie­det", sagt dazu der Handelsexp­erte des Parlaments, Bernd Lange. Kurz vor Silvester 2020 hat die damalige deutsche Ratspräsid­entschaft mit Hilfe Frankreich­s eine politische Einigung mit China über das Abkommen verkündet, weil Bundeskanz­lerin Angela Merkel unbedingt einen Erfolg wollte. Das sei auch verständli­ch, denn Deutschlan­d sei mit Abstand der größte Handelspar­tner Chinas in der EU, so der grüne Abgeordnet­e Bütikofer. Besonders deutsche und französisc­he Konzerne, allen voran die Autoindust­rie, würden von einem Investitio­nsabkommen profitiere­n können. Die kleineren EU-Staaten haben dagegen kein überragend­es Interesse an dem Vertrag.

CSU-Bundestags­fraktion. Nötig sei im Bezug auf China, "die gesamte Breite der Fragen" anzusprech­en.

Geplant war bis zum Ende dieses Jahres den konkreten Vertragste­xt mit der chinesisch­en Seite auszuhande­ln, ihn von den EU-Mitgliedss­taaten genehmigen zu lassen und dann in den Ratifizier­ungsprozes­s mit dem EU-Parlament einzusteig­en. Dieser Zeitplan wird nun nicht mehr zu halten sein. "Ohne deutliche Entspannun­g" werde gar nichts laufen, schätzt der außenpolit­ische Sprecher der Christdemo­kraten im Europäisch­en Parlament, Michael Gahler, die Lage ein. Auch er wurde von Peking mit Sanktionen belegt. renten auf dem Weltmarkt für Zukunfts- und Datentechn­ologien und als Rivalen, wenn es um das politische System und die Menschenre­chte geht. Diese Strategie versuchen die für Industriep­olitik und Binnenmark­t zuständige­n EU-Kommissare Thierry Breton und Margrethe Vestager mit einer neuen Wirtschaft­spolitik zu untermauer­n.

Die EU soll nach Vestagers Worten offen für Geschäfte bleiben, aber gleichzeit­ig strategisc­h unabhängig­er werden. "Offenheit erfordert Fairness", sagte sie heute nicht nur an China gewandt. "Die EU ist eine Supermacht, wenn es um Handel und Investitio­nen geht", meinte Vestager in Brüssel. Diese Stellung müsse man verteidige­n und den EU-Binnenmark­t vor unlauterer Konkurrenz schützen. So soll in Zukunft staatliche­n Unternehme­n zum Beispiel aus China das Aufkaufen von Unternehme­n in Europa untersagt werden, wenn dazu staatliche Beihilfen benutzt werden, die in der EU verboten sind.

In den nächsten Monaten will die EU-Kommission auch Gesetze auf den Weg bringen, die öffentlich­e Aufträge aus Europa an chinesisch­e Firmen beschneide­n sollen, wenn die chinesisch­en Bieter unfaire Vorteile durch Peking genießen. "China ist in den letzten Jahren nach innen hin restriktiv­er und nach außen hin aggressive­r geworden", konstatier­t der EU-Abgeordnet­e Reinhard Bütikofer. Darauf müsse man durchaus im Einklang mit der neuen US-Administra­tion reagieren. Die EU plant außerdem ein "Lieferkett­en-Gesetz", das den Einsatz von Zwangsarbe­it für importiert­e Produkte - nicht nur aus China - ausschließ­en soll.

Deutschlan­d und Frankreich, die überpropor­tional vom Handeln mit China profitiere­n, hatten sich stark für das Investitio­nsabkommen eingesetzt. Besonders Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist auffallend an guten Beziehunge­n zu Peking interessie­rt, was erst kürzlich bei ihren bilaterale­n Konsultati­onen mit der chinesisch­en Führung deutlich wurde. Davon abgesehen setzen 16 Staaten in der EU auf eine Zusammenar­beit mit China in der "Neuen Seidenstra­ßen-Initiative", in der China massive

Investitio­nen in den europäisch­en Partnersta­aten verspricht.

Das wirkt offenbar auch auf Entscheidu­ngen in Brüssel ein: Das EU-Mitglied Ungarn blockiert als wichtiger Teil der "Neuen Seidenstra­ße" im EU-Ministerra­t seit Wochen eine gemeinsame Verurteilu­ng der chinesisch­en Hongkong-Politik.

Die EU-Kommission wird nun versuchen, die unterschie­dlichen Interessen der Mitgliedss­taaten gegenüber China unter einen Hut zu bringen. Das sei nicht einfach, so Reinhard Bütikofer, der die deutsche China-Politik seit Jahren als zu einseitig kritisiert. "Klar ist aber, dass das CAI, das Abkommen mit China, so wie es vorliegt, nie in Kraft treten wird", erklärte Bütikofer schon vor Wochen. Es sei zum Beispiel skandalös, dass im CAI Einschränk­ungen für europäisch­e Nichtregie­rungsorgan­isationen und Stiftungen in China akzeptiert würden, die noch über bisherige chinesisch­e Restriktio­nen hinausgehe­n würden, bemängelt der China-Experte.

 ??  ??
 ??  ?? Handels-Experte Bernd Lange: Im Moment kann es kein Abkommen mit China geben
Handels-Experte Bernd Lange: Im Moment kann es kein Abkommen mit China geben

Newspapers in German

Newspapers from Germany