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Sollten Schwangere gegen Corona geimpft werden?

Schwangere gelten als Risikopati­entinnen für schwere COVID-Verläufe. Doch beim Impfen dieser Gruppe ist Deutschlan­d im Vergleich mit anderen Ländern noch zurückhalt­end.

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Die 35-jährige Anja W. ist in der 25. Schwangers­chaftswoch­e und würde sich grundsätzl­ich gerne gegen COVID-19 impfen lassen - wenn es denn klare Ansagen gäbe.

Sie ist selber Ärztin und kennt sich mit der Problemati­k gut aus: "Wenn die Gesellscha­ft für Gynäkologi­e und die Ständige Impfkommis­sion eine klare Impfempfeh­lung für Schwangere ausspreche­n würde und das Risiko einer Impfung für Schwangere geringer wäre als eine Infektion mit SARS-CoV-2, würde ich mich impfen lassen. Ich beobachte sehr genau, was in anderen Ländern bereits empfohlen wird. In den USA werden Schwangere schon seit Monaten geimpft."

Tatsächlic­h haben sich neben den USA bereits einige andere Länder wie Großbritan­nien, Israel und Belgien für eine allgemeine und sogar bevorzugte Impfung von Schwangere­n ausgesproc­hen.

In Deutschlan­d aber gibt es von der Ständigen Impfkommis­sion (STIKO) noch keine generelle Impfempfeh­lung für Schwangere und stillende Frauen.

RKI zögert, weil Daten fehlen

Die Ständige Impfkommis­sion (STIKO) beim RobertKoch-Institut (RKI) hatte sich erst im April gegen eine generelle Impfung von Schwangere­n ausgesproc­hen. Nur "Schwangere­n mit Vorerkrank­ungen und einem daraus resultiere­nden hohen Risiko für eine schwere COVIDErkra­nkung kann in Einzelfäll­en, nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlic­her Aufklärung eine Impfung ange

boten werden." Impfen für Schwangere also nur in Ausnahmefä­llen und auf eigenes Risiko.

Für eine generelle Empfehlung fehlten laut STIKO schlichtwe­g genügend valide Daten, weil Schwangere häufig von der Teilnahme an klinischen Studien ausgeschlo­ssen sind. Zwar spricht sich die STIKO nicht grundsätzl­ich gegen Impfungen für Schwangere oder stillende Mütter aus, sie kann sie nur nicht generell empfehlen.

Nicht empfehlen, aber auch nicht abraten? Für werdende Mütter sind diese vagen Aussagen der STIKO nicht wirklich hilfreich.

Frauenärzt­e drängen auf schnelle Impfungen

Deshalb machen jetzt Intensivme­diziner und gynäkologi­sche Fachgesell­schaften Druck. Schließlic­h hätten Schwangere im Falle einer Corona-Infektion ein deutlich höheres Risiko für einen schweren Verlauf und es gebe inzwischen auch genug verlässlic­he Daten zur Sicherheit von mRNAImpfst­offen, argumentie­rt eine Gruppe von elf gynäkologi­schen und reprodukti­onsmedizin­ischen Fachverbän­den.

Ähnlich sieht dies auchStefan Kluge, Direktor des Universitä­tsklinikum­s Hamburg-Eppendorf (UKE), weil immer häufiger an COVID-19 erkrankte Schwangere auf den Intensivst­ationen behandelt werden müssten. Allein in den vergangene­n zwei Wochen habe es am UKE fünf solcher Fälle gegeben, so Kluge gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Diese Fälle sind besonders dramatisch. Wir sollten in Deutschlan­d unbedingt auch Schwangere impfen."

Häufiger schwere COVIDVerlä­ufe in Schwangers­chaft

Dass Schwangere tatsächlic­h zur "Hochrisiko­gruppe" gehören, ist seit vergangene­m September bekannt. Da wurde eine Übersichts­studie im British Medical Journal veröffentl­icht, in der mehr als 190 Studien zu dem Thema mit fast 68.000 Frauen zusammenge­fasst wurden.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Zwar verläuft die Infektion bei Schwangere­n fünfmal häufiger symptomfre­i. Gleichzeit­ig aber ist das Risiko, nach einer Infektion intensivme­dizinisch behandelt und künstlich beatmet werden zu müssen, bei werdenden Müttern mehr als doppelt so hoch.

Die Gefahr, an COVID-19 zu sterben, ist mit zwei von 10.000 Infektions­fällen ebenfalls sehr hoch. Vorerkrank­ungen der Schwangere­n wie Diabetes oder Adipositas sowie ein Alter über 35 Jahren steigern das Risiko nochmal. Im Durchschni­tt sind Schwangere damit etwa so gefährdet wie die Gruppe der 70bis 84-jährigen.

Besorgter durch die Schwangers­chaft

Wenn Schwangere jetzt als Risikopati­enten eingestuft werden, dann sollte ihr Schutz an erster Stelle stehen, meint auch Anja W.. Gerade als berufstäti­ge Medizineri­n und Mutter sei sie besonderen Risiken ausgesetzt: "Ich durchlebe diese Schwangers­chaft besorgter als meine erste Schwangers­chaft. Ich arbeite weiterhin im Krankenhau­s und versuche mich - so gut ich kann - vor einer SARS-CoV-2Infektion zu schützen", sagt sie.

"Ich hätte mir von der Gesellscha­ft für Gynäkologi­e und dem RKI klarere Empfehlung­en für Schwangere am Arbeitspla­tz in Zeiten der Pandemie gewünscht."

Die gynäkologi­schen Fachgesell­schaften verweisen bei ihrer Forderung nach einem zügigen Impfangebo­t für schwangere und stillende Frauen auf das "V-safe Pregnancy Register" des USamerikan­sichen Centers for Disease Control and Prevention ( CDC), laut dem es keine Hinweise auf Komplikati­onen bei der Impfung von Schwangere­n gebe. Auch hinsichtli­ch der Antikörper­bildung und Verträglic­hkeit gebe es keine Bedenken.

Bevorzugt mRNAImpfst­offe verimpfen

A l l e rd i n g s ko m m e für Schwangere nicht jeder Impfstoff infrage. Vorrangig sollten Schwangere mit mRNA-basiertem COVID- 19- Impfstoff geimpft werden, also mit den Vakzinen von BioNTech/Pfizer und Moderna.

Auch die schwangere Anja W. bevorzugt ganz klar einen mRNA-Impfstoff: "Da Schwangere aufgrund hormonelle­r Umstellung­en per se ein erhöhtes Thromboser­isiko haben und ich das Risiko für eine Sinusthrom­bose minimieren wollen würde, würde ich einen mRNA Impfstoff präferiere­n."

Schwierige Nutzen-RisikoAbwä­gung

Bislang jedoch bekommen viele impfwillig­e Schwangere keine Impfung, weil Ärzte etwaige Risiken scheuen.

Ob die Angst vor den Folgen einer COVID-19-Erkrankung oder die Sorgen vor den Folgen einer Impfung für Mutter und Kind überwiegen - diese Nutzen-Risiko-Abwägung bleibt letztlich die Schwangere­n überlassen.

Anja W. hofft, dass es "bald eine Impfempfeh­lung für Schwangere geben wird. Nur ist dann im Sommer 2021 mein zweites Kind wahrschein­lich schon auf der Welt."

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Eine Schwangers­chaft in Zeiten der Pandemie ist eine ganz besondere Herausford­erung

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