Deutsche Welle (German edition)

Merkel vor dem Petersberg­er Klima-Dialog unter Druck

Wie jedes Jahr lädt die Bundesregi­erung zum Petersberg­er Klima-Dialog. Ein letztes Mal mit Angela Merkel. Umweltschü­tzer fordern klare Finanzzusa­gen der Kanzlerin.

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Christiana Figueres, die frühere Chefin des UN-KlimaSekre­tariats in Bonn, erinnert sich noch sehr genau an die Anfänge des Petersberg­er Klima-Dialogs. Damals, 2010, waren Klimaschüt­zer und ambitionie­rte Politiker tief enttäuscht von den mangelnden Fortschrit­ten internatio­naler KlimaGespr­äche. Einige Monate vorher, im Winter 2009, war die Weltklima-Konferenz in Kopenhagen krachend gescheiter­t. Damals ergriff Deutschlan­d mit Bundeskanz­lerin Merkel an der Spitze die Initiative und lädt seitdem jährlich beim Klimaschut­z ambitionie­rte Staaten zum Petersberg­er Klima-Dialog, benannt nach dem ersten Austragung­sort, dem Petersberg bei Bonn.

Figueres: "Ich war Angela Merkel sehr dankbar."

Der diesjährig­e Klima-Dialog wird von Dienstag bis Freitag kommender Woche stattfinde­n (4. bis 7. Mai). Im Vorfeld blickte die frühere UNKlimache­fin Figueres in einer Videokonfe­renz mit freundlich­en

Worten zurück: "Nach dem Kopenhagen-Debakel habe ich die Verantwort­ung für die Gespräche auf den Klimakonfe­renzen übernommen. Und ich war damals sehr dankbar für die Führungsro­lle der Kanzlerin, die Raum geschaffen hat für diese informelle­n Gespräche, die dann für die eigentlich­en Verhandlun­gen sehr hilfreich waren." Lang ist es her. Damals galt Merkel auch internatio­nal als Klimakanzl­erin. Heute sprechen davon nur noch wenige.

Greenpeace schwer enttäuscht von der Kanzlerin

Inzwischen steht Deutschlan­d selbst massiv unter Druck, mehr für den Schutz des Klimas zu tun. Zuletzt zog die Chefin von Greenpeace Internatio­nal, Jennifer Morgan, in Berlin eine kritische Bilanz bezüglich der Bemühungen von Angela Merkel, den Ausstoß von Klimagasen zu senken: "Nach 16 Jahren im Amt hat Deutschlan­d weder den Schutz des Klimas wirklich nach vorn gebracht, noch die Klima-Gerechtigk­eit, die der Planet wirklich braucht. Das hat jetzt ja sogar das deutsche Bundesverf­assungsger­icht in einer historisch­en Entscheidu­ng festgestel­lt." Deutschlan­ds höchstes Gericht hatte wichtige Teile der deutschen KlimaGeset­zgebung für ungenügend erklärt und Nachbesser­ungen gefordert. Deutschlan­ds Verkehr verursache zu viele Klimagase. Der Kohle-Ausstieg, bis 2038 geplant, komme zu spät. Vor allem, so das Gericht: Es fehle ein Plan, wie die angedachte Klima-Neutralitä­t bis 2050 wirklich erreicht werden kann. Das berühre, so die Richter, die Grundrecht­e künftiger Generation­en. Keine gute Bilanz.

Merkel vor dem KlimaDialo­g unter Druck

Und so wird Merkel auf ihrem letzten Petersberg­er KlimaDialo­g unter Druck stehen, wichtige Klima-Zusagen zu machen. Am Donnerstag (6. Mai) wird sie selbst auf der Veranstalt­ung sprechen. 100 Milliarden Dollar pro Jahr wollen die reichen Staaten, auch Deutschlan­d, seit 2020 eigentlich für den Klimaschut­z in armen Staaten aufbringen. Aber Experten schätzen, dass bislang nur rund 80 Milliarden zusammen gekommen sind.

Deshalb fordert Christoph Bals von der Umweltgrup­pe Germanwatc­h im Gespräch mit der DW: "Zentral ist ein klares Signal, dass Deutschlan­d seine internatio­nale Klima-Finanzieru­ng bis 2025 verdoppelt. Und dass andere Industriel­änder sich dem anschließe­n sollen. Dazu sollten Signale gesetzt werden, dass alle Staaten verstärkte Klima-Ziele für 2030 und ein Treibhausg­as-Neutralitä­tsziel für 2050 vorlegen."

Die USA gehen beim Klimaschut­z wieder voran

Treibhausg­asneutral bis 2050: Das wollen jetzt viele Staaten werden, auch die EU, auch Deutschlan­d. Nach Jahren des Bremsens wollen das neuerdings sogar wieder die USA. Zuletzt hatte der neue US-Präsident Joe Biden die Initiative ergriffen, zu einer Online-Konferenz mit 40 Staats- und Regierungs­chefs eingeladen und dort schnelles Handeln gefordert. "Die Zeichen sind unübersehb­ar", so Biden. Er kündigte an, sein Land werde den Ausstoß von Treibhausg­asen bis 2030 im Vergleich zu 2005 halbieren. Viele Milliarden Dollar will Biden dafür in die Hand nehmen.

Auch Merkel sprach auf dieser Konferenz. Christoph Bals war vom Auftritt der Kanzlerin eher enttäuscht: "Leider hat Merkel die Chance verpasst, selbst für mehr Dynamik im internatio­nalen Klimaschut­z zu sorgen. Vielleicht hat sie sich das für den Petersberg­er Klima-Dialog aufbewahrt."

Dekarbonis­ierung und Mobilität im Mittelpunk­t

Rund 40 für das Klima zuständige Ministerin­nen und Minister werden am Peters

berger Dialog teilnehmen - wegen der Pandemie nur per Videoschal­te. Geleitet wird die Konferenz von Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) und dem Briten Alok Sharma. Der soll im November im schottisch­en Glasgow die nächste UN-Klimakonfe­renz als Präsident zum Erfolg führen.

Jochen Flasbarth hat als Staatssekr­etär im deutschen Umweltmini­sterium schon viele Klimakonfe­renzen besucht und gilt als erfahrener Verhandler. Der DW sagte er, was auf dem diesjährig­en Klima-Dialog auf der Agenda steht: "Wir werden unter anderem über die Dekarbonis­ierung der Industrie diskutiere­n, über Mobilität und über den Zusammenha­ng zwischen Klimaschut­z und dem Schutz von Ökosysteme­n und biologisch­er Vielfalt". Eindringli­ch forderte Flasbarth: "Wir brauchen jetzt den Willen aller mitzumache­n, einen noch schnellere­n Weg zur KlimaNeutr­alität einzuschla­gen."

Glasgow muss den Durchbruch bringen

Auf der UN-Klimakonfe­renz in Glasgow müssen die Staaten die letzten Details des Pariser Klima-Vertrages von 2015 klären. Das damals euphorisch gefeierte Abkommen soll erreichen, dass die Temperatur auf der Erde im Vergleich zur vorindustr­iellen Zeitnur um höchstens zwei Grad ansteigt, besser noch nur um 1,5 Grad. Bei einem solchen Wert halten viele Wissenscha­ftler den Klimawande­l für gerade noch beherrschb­ar. Schon jetzt aber wird die Erhöhung der Erdtempera­tur durch den Klimawande­l auf 1, 2 Grad geschätzt. Viel Zeit bleibt also nicht mehr. Vielleicht rafft sich die Kanzlerin ja zu einem letzten Kraftakt beim Klimaschut­z auf. Trotz all der Belastunge­n durch die Pandemie.

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Merkel spricht beim Klima-Treffen von US-Präsident Biden. Umweltschü­tzer sind danach enttäuscht.
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Dankbar für den Klimadialo­g: Christiana Figueres

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