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Exponentie­lles Wachstum macht Indien zum globalen Corona-Hotspot

Mehr als 360.000 CoronaNeui­nfektionen täglich - wie bei der legendären Schachbret­t-Formel könnte das exponentie­lle Wachstum mittelfris­tig nicht nur für Indien, sondern weltweit zum Problem werden.

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Die Zahl der Neuinfizie­rten in Indien schockiert die Welt: Aktuell verzeichne­t Indien mehr als 360.000 Neuinfekti­onen täglich - das ist der höchste Wert weltweit. Fast 18 Millionen Menschen sind dort zur Zeit infiziert, mehr als 200.000 Inder sind bereits an oder mit COVID-19 gestorben. Dabei dürfte die Dunkelziff­er sogar noch viel höher liegen.

Verschärft wurde die Lage durch die neue "Doppelmuta­nte" B.1.617, die gleich zwei Mutationen im sogenannte­n Spike-Protein verbindet. Seit Anfang April explodiere­n die Zahlen, die Kurve steigt exponentie­ll an.

Dieses exponentie­lle Wachstum könnte mittelfris­tig nicht nur für den indischen Subkontine­nt und seine Nachbarlän­der, sondern weltweit zum Problem werden. aus Indien von zeitloser Gültigkeit: Vor langer Zeit tyrannisie­rte der indische Herrscher Shihram seine Untertanen, im Land herrschte großes Elend.

Um seinen König auf die Missstände aufmerksam zu machen, erfand der weise Brahmane Sissa das Schachspie­l mit seinen 64 Feldern, bei dem der König zwar die wichtigste Figur ist, der allerdings ohne die Unterstütz­ung der Bauern und der anderen Figuren nichts ausrichten kann.

Dem König gefiel das Spiel und deshalb wollte er den Erfinder belohnen. Der schlaue Sissa wünschte sich, dass auf das erste Feld eines Schachbret­ts ein Weizenkorn gelegt wird, auf das zweite Feld das Doppelte, also zwei, auf das dritte wiederum die doppelte Menge, also vier und so weiter.

Der Kaiser fühlte sich angesichts der vermeintli­che Bescheiden­heit des Brahmanen gekränkt, da ihm das exponentie­lle Ausmaß des Wunsches noch nicht bewusst war. Es dauerte Tage, bis die höfischen Rechenmeis­ter die erforderli­che Menge an Weizenkörn­ern berechnet hatten. Am Ende teilte der Vorsteher der Kornkammer mit, dass so viel Weizen im ganzen Reich nicht aufgebrach­t werden könne.

Denn der schlaue Brahmane müsste 18 Trillionen, 446 Billiarden, 744 Billionen, 73 Milliarden, 709 Millionen, 551 Tausend, 615 Weizenkörn­er bekommen, das entspricht rund 730 Mrd. Tonnen Weizen, in etwa das Tausendfac­he der weltweiten Weizenernt­e des letzten Jahres (776,78 Mio. Tonnen).

Natürlich geht es in der weltweiten Corona-Pandemie nicht um Weizenkörn­er, sondern um Menschen. Überträgt man die Schachbret­t-Formel auf die Pandemie, entspräche dies einer Ansteckung­srate ( Reprodukti­onszahl R) von 2, das hieße, jeder Infizierte würde zwei weitere Menschen anstecken.

In Indien leben aktuell 1,395 Milliarden Menschen. Mit dem Coronaviru­s infiziert sind derzeit fast 18 Millionen. Glückliche­rweise liegt die Reprodukti­onszahl R bei COVID-19 meist deutlich niedriger als in der Schachbret­t-Formel. In Indien liegt sie nach einem Bericht von Indiatoday derzeit bei 1,32.

Der Wert ist aber stark abhängig vom Verhalten der Menschen und von gesellscha­ftlichen Faktoren: Ob sie Abstand und strenge Hygiene einhalten, ob sie unter beengten Bedingunge­n leben und unter welchen Umständen sie arbeiten. So war der Wert in Indien während der ersten Corona-Welle im März 2020 auch schon einmal viel höher als jetzt: bei 1,83.

So oder so - bei der derzeitige­n Entwicklun­g ist damit zu rechnen, dass sich die Zahl der Infizierte­n schnell verdoppelt.

Mit den exponentie­ll steigenden Infektions­zahlen steigt auch die Zahl der Todesfälle rasant an. Bislang sind in Indien mehr als 200.000 Menschen an oder mit COVID-19 verstorben. Aktuell liegt die Sterblichk­eitsrate in Indien bei 1,14 %. Wenn also von den 18 Mio. Infizierte­n 1,14 % sterben, entspricht das noch einmal 205.200 Toten. Verdoppelt sich die Zahl der Infizierte­n, sind es bereits 410.400 Tote zusätzlich.

Und da das neuartige Coronaviru­s SARS CoV-2 bekanntlic­h nicht an Landesgren­zen halt macht, löst die indische Virusvaria­nte B. 1.617 und das exponentie­lle Wachstum der Neuinfekti­onen auf dem indischen Subkontine­nt nicht nur dort, sondern weltweit zu Recht Sorgen aus.

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Die Schachbret­t-Formel macht Epidemiolo­gen nicht nur in Indien Sorgen.
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Natürlich geht es in der weltweiten Corona-Pandemie nicht um Weizenkörn­er, sondern um Menschen.
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