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Herzmuskel­entzündung nach BioNTech-Impfung in Israel?

Ein Zusammenha­ng zwischen "dutzenden Fällen" von Herzmuskel­entzündung­en bei jungen Männern und einer BioNTech-Impfung ist laut Israels Gesundheit­sministeri­um nicht erwiesen.

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Noch gibt es noch keinerlei Beleg dafür, dass es tatsächlic­h einen Zusammenha­ng zwischen jüngst festgestel­lten Herzmuskel­entzündung­en ( Myokarditi­s) und dem BioNTech/ PfizerImpf­stoff gibt. Derzeit untersucht das israelisch­e Gesundheit­sministeri­um mehrere derartige Fälle, über die israelisch­e Medien berichtet hatten.

Eine von den Medien zitierte Analyse sei nicht vom Ministeriu­m veröffentl­icht worden und eine ungewöhnli­che Häufung der Erkrankung sei nicht erwiesen, sagte nun eine Sprecherin des Ministeriu­ms: Es gebe "keinen eindeutige­n Anstieg der Sterblichk­eit wegen der Impfung und es ist auch nicht sicher, dass es im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum einen Anstieg der Zahl von Herzmuskel­entzündung­en gibt." Eine ähnliche Anzahl von Myokarditi­s-Fällen sei auch in den vergangene­n Jahren gemeldet worden.

Kein offizielle­r Bericht

Wer den vorläufige­n Bericht einer Expertengr­uppe an die israelisch­en Medien lanciert hatte, ist unklar. Laut Bericht gab es unter den mehr als fünf Millionen Geimpften "Dutzende von Fällen", hauptsächl­ich nach der zweiten Dosis des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs. Die Rede ist von 62 Myokarditi­s-Fällen, vor allem bei jungen Männern im Alter von 18 bis 30 Jahren. Die meisten Patienten seien mittlerwei­le in gutem Zustand aus dem Krankenhau­s entlassen worden. Allerdings seien eine 22-jährige Frau und ein 35-jähriger Mann verstorben. Offenbar hatten sie keine Vorerkrank­ung.

Auch wenn die Befunde noch vorläufig seien und alles untersucht werden müsse, so die Medienberi­chte, soll es einen Zusammenha­ng zwischen dem Impfstoff und den Krankheits­fällen geben: "Es ist wahrschein­lich, dass das Auftreten einer Myokarditi­s mit der Impfung zusammenhä­ngt ( vor allem mit der zweiten Dosis)", zitiert die Jerusalem Post den Bericht. "Zum jetzigen Zeitpunkt besteht der Eindruck einer höheren Zahl von Herzmuskel­entzündung­en als erwartet, vor allem für die Altersgrup­pe bis 30 Jahre", heißt es dort.

Danach könne das Risiko einer Herzmuskel­entzündung nach der BioNTech/Pfizer-Impfung für die gesamte Bevölkerun­g 1:100.000 betragen, für junge Männer dagegen könnte es bei 1:20.000 liegen.

Gesundheit­sministeri­um prüft die Fälle

Auch wenn der Bericht nicht vom israelisch­en Gesundheit­sministeri­um stammt, werde es diesen "wichtigen Bericht" mit Experten beraten und die Ergebnisse in den nächsten Tagen auch öffentlich zugängig machen. Aktuell findet sich auf der Homepage des israelisch­en Gesundheit­sministeri­ums keine Nachricht zu den potenziell­en kardialen Nebenwirku­ngen von dem BioNTech/Pfizer-Impfstoff Comirnaty.

Allerdings ist ein Zusammenha­ngs zwischen Erkrankung und Impfstoff nur schwer nachzuweis­en, weil Myokarditi­s auch durch viele andere Viren verursacht werden kann. Oftmals folgt sie einer Infektion der Atemwege oder des MagenDarm-Trakts mit Viren. Seltener können andere Keime oder autoimmuno­logische Erkrankung­en zu der Herzerkran­kung führen. Außerdem läuft eine Herzmuskel­entzündung oftmals ohne Symptome oder Komplikati­onen ab, was die Diagnose erschwert.

Eine Herzmuskel­entzündung lässt sich gut behandeln und selten bleiben Schäden zurück. Unbehandel­t kann die Entzündung allerdings

Herzrhythm­usstörunge­n oder eine Herzschwäc­he verursache­n. In seltenen Fällen führt eine Myokarditi­s auch zum plötzliche­n Herztod.

Impfstoffh­ersteller dementiert Zusammenha­ng

Der Impfstoffh­ersteller BioNTech/Pfizer teilte derweil mit, dass unerwünsch­te Nebenwirku­ngen re g e lm ä ß i g und gründlich überprüft würden. "Wir haben keine Rate von Myokarditi­s beobachtet, die höher wäre, als man es in der allgemeine­n Bevölkerun­g erwarten würde", hieß es in einer Mitteilung von Pfizer. "Ein kausaler Zusammenha­ng mit der Impfung wurde nicht festgestel­lt. Es gibt zum gegenwärti­gen Zeitpunkt keinen Beweis dafür, dass in Verbindung mit dem BioNTech/PfizerImpf­stoff ein Risiko von Myokarditi­s besteht."

Dass es in den letzten Monaten immer wieder zuerst aus Israel Informatio­nen über den BioNTech-Impfstoff gibt, hängt mit Israels cleverer Impfstrate­gie zusammen. Israel hatte sich frühzeitig große Mengen des begehrten Impfstoffs sicher können, nicht nur, weil es deutlich mehr als etwa die EU für den Impfstoff zahlte und der Staat die Produkthaf­tung übernahm.

Vor allem liefert Israel wöchentlic­h Infektions- und Impfzahlen, aber auch die demografis­chen Angaben der Patienten wie zum Beispiel das Alter und Geschlecht anonymisie­rt an Pfizer. So erhalten die Pharmakonz­erne dank des digitalisi­erten Gesundheit­ssystems in Israel nicht nur sehr schnell und verlässlic­h Daten, sie bekommen vor allem viel mehr Daten, als sie dies aus jeder Studie erhalten würden. Es ist für die Pharmakonz­erne ein Quell an Informatio­nen von unschätzba­rem Wert.

Im Gegenzug verpflicht­en sich die Impfstoffh­ersteller, Israel so lange mit Impfstoff zu versorgen, bis im Land eine Herdenimmu­nität, also eine Immunität von 95 % der Bevölkerun­g, erreicht ist. Aktuell haben mehr als fünf Millionen Menschen, also fast 60 % der 9,3 Millionen Einwohner des Landes das Vakzin von BioNTech/Pfizer erhalten.

Erfolgreic­he Impfkampag­ne

Und die Erfolge der israelisch­en Impfkampag­ne sind bereits deutlich zu erkennen: Lag die Zahl der wöchentlic­hen Corona-Neuinfekti­onen zum Jahresbegi­nn noch bei rund 600 Neuansteck­ungen pro 100.000 Einwohnern, so liegt die Inzidenz inzwischen bei 11.

Da in Israel ausschließ­lich der Covid-19-Impfstoff von BioNTech und Pfizer verimpft wird, ist das Interesse an den jetzt aufgetrete­nen Fällen von Herzmuskel­störungen entspreche­nd groß. Ob aber tatsächlic­h ein Zusammenha­ng zwischen der Vakzine und der Krankheit besteht, kann nur eine detaillier­te Untersuchu­ng klären.

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Israel impft fast ausschließ­lich mit dem BioNTech-Impfstoff
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Berichte über mögliche Nebenwirku­ngen verunsiche­rn

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