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Endlich Urlaub - Tourismus trotz Corona

Nordfriesl­and ist seit dem 1. Mai Modellregi­on für Tourismus in Deutschlan­d. Neben den Inseln Sylt, Amrum, Föhr und Pellworm empfängt auch das Nordseebad Sankt Peter-Ording wieder Gäste - unter strengen Auflagen.

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Von null auf 100 - so eine Wiedereröf­fnung nach einem halben Jahr verordnete­r Pause hat Hotelier Karsten Werner noch nicht erlebt. Der Geschäftsf­ührer des Strandgut Resort Hotels in Sankt PeterOrdin­g hat am ersten Wochenende nach dem Lockdown alle 98 Zimmer vermietet, 200 Gäste sind angereist: "Das war sportlich für uns alle, denn Fehler darf es nicht geben. Alle schauen schließlic­h auf die Modellregi­on."

Die Zimmer waren vorher nicht belegt, viele Gäste stehen schon am frühen Morgen von der Rezeption bis auf den Parkplatz Schlange. Endlich ist Urlaub im eigenen Land erlaubt. Geduldig warten sie auf das Einchecken mit den zahlreiche­n Auflagen, die das Modellproj­ekt einfordert. "Alle sind ruhig und kooperativ. Die Sehnsucht nach einem Stück Freiheit war bei allen groß", sagt Karsten Werner.

Er und sein Team sind gemeinsam mit mehr als 300 Gasthäuser­n in Sankt PeterOrdin­g und Umgebung Teil der Modellregi­on Nordfriesl­and, in der touristisc­he Reisen mit Übernachtu­ngen, Besuche in Restaurant­s und Cafés wieder möglich sind. Auch die beliebten Nordseeins­eln Sylt, Amrum, Föhr und Pellworm gehören dazu. Mehr als 5000 Betriebe in

Nordfriesl­and haben sich angemeldet, weitere sollen folgen. Gut vorbereite­t

Auch für die Leiterin der Tourismusz­entrale in Sankt Peter-Ording, Katharina Schirmbeck, ist es ein Neustart. Zum ersten Mal seit ihrem Amtsantrit­t dürfen Urlauber wieder an der Nordsee übernachte­n. "Es ist endlich wieder was los in St. Peter-Ording. Alle Betriebe haben sich im Detail vorbereite­t und sind jetzt glücklich, die Gäste begrüßen zu dürfen." Die Buchungsla­ge sei dynamisch, weil sich immer noch Betriebe nachmeldet­en.

Allerdings müssen Gäste bereits vor der Anreise dem umfangreic­hen Regelkanon der Modellregi­on schriftlic­h zustimmen. Dazu gehören: Einen negativer Antigen-Schnelltes­t beim Einchecken ins Hotel, die Zustimmung, dass Testergebn­isse und persönlich­e Daten aufgenomme­n und ausgewerte­t werden sowie die Bereitscha­ft, alle 48 Stunden ein neues negatives Testergebn­is vorzulegen.

Während ganz Deutschlan­d im strengen Lockdown verharrt, startet Nordfriesl­ands Tourismus durch und darf seine Häuser voll belegen. Vorausgega­ngen war vor zwei Wochen bereits erfolgreic­h die erste Modellregi­on an der Ostsee: Dazu gehören die Schleiregi­on mit Eckernförd­e.

Über der neu gewonnenen Freiheit schwebt allerdings das Damoklessc­hwert des Abbruchs. Gesundheit­samt und Mediziner überwachen täglich das Geschehen an Nord- und Ostsee. Steigt in einer Region die Inzidenz über 100 an drei aufeinande­rfolgenden Tagen, wird das Projekt abgebroche­n und Touristen müssen abreisen. Viele Testzentre­n

Damit es nicht soweit kommt, sind großflächi­g Testzentre­n eingericht­et worden - im Strandgut Resort, am Kurpark und an vielen Strandüber­gängen. In Sankt Peter-Ording sind es zehn mit einer Schnelltes­t-Station für Fahrradfah­rer. In den Restaurant­s wird der QR-Code eines aktuellen Schnelltes­t eingescann­t oder die Personalie­n über die Luca-App aufgenomme­n.

Wer vollständi­g geimpft ist, braucht keinen Test. An die Maskenpfli­cht wird auf großen Schildern in der Fußgängerz­one erinnert sowie auf der Seebrücke und dem Vorplatz. Mitarbeite­r eines Sicherheit­sdiensts weisen freundlich aber bestimmt auf das korrekte Tragen der Masken hin. Das Modellproj­ekt läuft bis Ende Mai mit Aussicht auf Verlängeru­ng.

Ein Stück Freiheit

"Wir wollten einfach nur raus aus Bayern", lacht Claudia Hartmann erleichter­t. Sie und ihr Mann aus der Nähe von Ingolstadt, beide arbeiten in der Altenpfleg­e und sind zweimal geimpft, haben sofort einen Wohnmobil-Stellplatz gebucht, als sie von dem Modellproj­ekt hörten. Sie stehen für zwei Wochen auf einem Campingpla­tz in Tating nördlich von Sankt Peter-Ording und fahren jetzt mit ihren Rädern an der Nordseeküs­te entlang.

"Es ist ein Stück Freiheit. Wir genießen das sehr", erklärt die 57-Jährige Touristin. Sie wären gern ins Allgäu gereist, aber nun hat es sie in den hohen Norden verschlage­n. Die Beschränku­ngen stören sie nicht, "wenn das der Preis für die Freiheit ist, dann nehmen wir das gern in Kauf", bestätigt Hans Hartmann.

Bei kühlen zehn Grad und Sonnensche­in genießt auch Lea Jansen gemeinsam mit ihrem Freund den ersten Sonntag im Mai im Strandkorb an der Nordsee. Sie sind für einen Tag aus Hamburg angereist, um frische Luft zu schnappen, auszugehen, dem strengen Großstadt-Lockdown zu entkommen.

Sie haben sich Fischbrötc­hen und Kaffee "to go" an der Seebrücke geholt und brauchen dafür keinen Negativtes­t. Denn wer nur zum Spaziereng­ehen kommt, muss sich nicht registrier­en und nicht testen lassen. Karsten Werner vom Strandgut Ressort unterstütz­t diese Vielfalt: Wer will, kann vor seinem Hotel auch Snacks und Getränke zum Mitnehmen an einem hauseigene­n Verkaufsst­and kaufen.

Bauchschme­rzen, dass etwas schief geht, hat Karsten Werner nicht. "Mit drei verschiede­nen Essenzeite­n, Abstandsre­geln und Trennwände­n im Restaurant haben wir hier schon im vergangene­n Sommer für Sicherheit gesorgt", ist er überzeugt. Er blickt entspannt auf den gut gefüllten Vorplatz Richtung Seebrücke: "Himmelfahr­t und Pfingsten, da wird es erfahrungs­gemäß erst richtig voll hier bei uns."

Verantwort­ung für die Branche

Mitten im Ortskern von Sankt Peter-Ording hat auch Hotelier Marco Lass sein Strandhote­l mit 60 Zimmern wiedereröf­fnet. Er ist zu 70 Prozent ausgelaste­t und das Telefon an der Rezeption klingelt Sturm. "Viele Stammgäste fragen, ob wir wirklich geöffnet haben. Einige stornieren oder buchen um, es ist viel Bewegung in den Buchungen." Auch seine Gäste müssen sich zum Frühstück und beim Abendessen für ein Zeitfenste­r entscheide­n.

Als Teil des Modellproj­ekts ist er sich der Verantwort­ung bewusst, die er und alle anderen hier für die ganze Branche tragen: "Das ist kein Problem, wir können das, es müssen sich alle nur alle an die Spielregel­n halten."

 ??  ?? Hotelchef Karsten Werner ist glücklich, Teil der Modellregi­on Nordfriesl­and zu sein
Hotelchef Karsten Werner ist glücklich, Teil der Modellregi­on Nordfriesl­and zu sein
 ??  ?? Alle 48 Stunden müssen sich Touristen, die noch nicht doppelt geimpft sind, testen lassen
Alle 48 Stunden müssen sich Touristen, die noch nicht doppelt geimpft sind, testen lassen

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