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Ute Groth: "Hickhack an DFB-Spitze ist wirklich peinlich"

Vor zwei Jahren wollte Ute Groth DFB-Präsidenti­n werden, doch der Verband ließ sie abblitzen. Für den Machtkampf an der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes hat sie kein Verständni­s - und sie wünscht sich Veränderun­gen.

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DW: Ute Groth, wie erleben Sie den Machtkampf, der gerade an der Spitze des Deutschen FußballBun­des (DFB) abläuft?

Ute Groth: Es ist peinlich. Und es hat auch nicht gerade erst angefangen, sondern es geht ja schon über Monate so. Das Hickhack zwischen Generalsek­retär Friedrich Curtius und Fritz Keller hat ja schon im vergangene­n Jahr begonnen. Jetzt hat es im Grunde genommen den Showdown gegeben. Gerade in der jetzigen Zeit haben aber alle Vereine ganz andere Sorgen und bräuchten eigentlich Unterstütz­ung, auch mediale Unterstütz­ung von solch präsenten Personen. Aber da ist überhaupt nichts passiert. Und das ist wirklich peinlich.

Die jetzige Führung - zumindest DFB-Präsident und Generalsek­retär - stehen vor der Ablösung. Glauben Sie, dass sich danach etwas ändert?

Dazu müsste sich auch die Zielsetzun­g verändern. Es ist schon in den vergangene­n Jahren immer an den Amateurver­einen vorbei gearbeitet worden. Es gab zwar nie eine Revolte der Basis, weil bei den Abstimmung­en schließlic­h auch immer offen gewählt wird. Aber der Unmut bei den Amateurver­einen schwelt schon lange, und es hat sich strukturel­l in den Verbänden nichts verändert. Deswegen wird sich nur durch einen Personalwe­chsel an der Spitze auch nichts ändern.

Was müsste sich denn ändern? Es gibt keine wirkliche Mitwirkung der Amateure, die Spaß macht, wo man gerne hingeht, sich einbringt und gemeinsam überlegt: Wie bringen wir den Vereinsspo­rt weiter? Was müssen wir in den nächsten Jahren tun, damit der Verein weiter attraktiv bleibt? Was machen wir mit den Kindern, die jetzt den ganzen Tag in der Schule sind? Wann haben sie ihre Trainingsm­öglichkeit­en?

Die heutigen Verbandsst­rukturen haben auch schon vor 20 Jahren gegolten, sind aber heute längst überholt. Da muss man doch jetzt langsam mal anfangen, andere Wege zu gehen. Und ganz krass ist das Thema Mitbestimm­ung. Da gibt es zu wenig Möglichkei­ten, nur alle drei Jahre. Das funktionie­rt nicht. Mitwirkung und Mitbestimm­ung wären für mich Hauptschwe­rpunkte, die umgesetzt werden müssen.

Hat sich die Verbandssp­itze also zu sehr von der Basis entfernt?

Ich glaube nicht, dass die Personen ganz oben im Verband regelmäßig Kontakt zu Amateurver­einen haben und mitbekomme­n, welche Probleme dort zu bewältigen sind.

In den Landes- und Regionalve­rbänden rücken mittlerwei­le auch schon mal Jüngere nach, die mehr Ahnung haben, aktiv in der täglichen Vereinsarb­eit sind und wissen, was unten passiert. Aber dass es irgendwelc­he Konsequenz­en hat, dass man bei den Amateuren mal genauer hinguckt und hinhört, kann ich nicht erkennen. Da fehlt etwas.

Sie sind vor zwei Jahren bei Ihrer Bewerbung als DFB-Präsidenti­n angetreten, um die "Vetternwir­tschaft im Fußballges­chäft zu beenden" und "den Filz zu beseitigen". Ist das wirklich möglich?

Ich glaube, wenn man mit neuen, anderen Leuten anfängt, dann ist das möglich. Aber dazu muss auch die Struktur eine andere werden. Da müssen Leute arbeiten, die andere mitmachen lassen, die zuhören und die auch Aufgaben abgeben. Es ist einfach ein ganz anderes Zusammenar­beiten erforderli­ch.

Was muss eine neue DFB-Präsidenti­n oder ein neuer DFB-Präsident mitbringen, um im Amt bestehen zu können?

Er oder sie muss zunächst einmal ehrlich sein, muss die Sache vor die Person stellen und nicht glänzen wollen. Man muss geerdet sein, bei den Vereinen sein und nicht nur bei der Nationalma­nnschaft auf der Tribüne sitzen wollen. Man muss konfliktfä­hig sein, integratio­nsfähig. Und vor allen Dingen muss man einfach auch mal über den Tellerrand schauen. Es geht ja nicht nur um die Bundesliga und um Verträge oder Vermarktun­g oder die neue Fußball-Akademie. Das ganze System hat sieben Millionen Mitglieder, 25.000 Amateurver­eine. Die bewegen doch den Verband, und da muss man genau hinsehen und unterstütz­en.

Sehen Sie bei den Namen, die gehandelt werden, jemanden, auf den das zutri t?

Nein, den sehe ich nicht. Gehandelt werden ja KarlHeinz Rummenigge, Rudi Völler und Philipp Lahm. Die haben alle Ahnung von Fußball, das ist unbestritt­en. Aber ist das genau das, was der Verband jetzt braucht? Das glaube ich nicht, wir brauchen eine Neuausrich­tung für die Zukunft.

Denken Sie selbst daran, sich nochmal zu bewerben?

Als sich das Theater vergangene Woche angekündig­t hat, habe ich gedacht: Sollst du nochmal? Aber wenn man über die Umstände nachdenkt, was alles passiert ist und wie wieder gegeneinan­der gearbeitet wird, dann könnte ich mir das wirklich nur vorstellen, wenn die Personen auf ganz vielen Posten ausgewechs­elt werden. Ansonsten würde ich genauso wie Fritz Keller anfangen, aber dann wären da immer noch die Leute im Hintergrun­d, die auch jetzt gerade im Hintergrun­d weiterarbe­iten. Das bringt ja dann nichts. Von daher würde ich sagen: Nein!

Ute Groth ist seit 2007 Vorsitzend­e des Sportverei­ns DJK TUSA 06 Düsseldorf, der vor allem für seine große Abteilung für Mädchenfuß­ball bekannt ist. Die breite Ö entlichkei­t wurde 2019 auf Groth aufmerksam, als sie sich auf die Nachfolge des zurückgetr­etenen DFB-Präsidente­n Reinhard Grindel bewarb. Die 62-Jährige ist gelernte Bauzeichne­rin, arbeitet als Projektkoo­rdinatorin im Krankenhau­sbau und hat zwei erwachsene Kinder.

Das Interview führte Andreas Sten-Ziemons.

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Die überwiegen­de Mehrheit der deutschen Fußballer sind Amateure

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