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FC Chelsea gegen Real Madrid: Das Duell der starken Männer

Das Halbfinal-Rückspiel der Champions League zwischen dem FC Chelsea und Real Madrid ist auch das Aufeinande­rtreffen zweier Schwergewi­chte im Internatio­nalen Fußball - Florentino Perez und Roman Abramowits­ch.

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Die Kameras mögen sich am Mittwochab­end an der Stamford Bridge auf Thomas Tuchel und Zinedine Zidane fokussiere­n, doch die kürzlich gescheiter­te europäisch­e Super League hat den Blick auf die Handvoll Männer gelenkt, die Europas größte Klubs wirklich im Griff haben.

Real Madrid und der FC Chelsea sind zwei davon, und beide gehörten zu den Gründungsm­itgliedern der unglücksel­igen Super League. Hinter beiden Klubs stehen mächtige Männer, doch Real-Präsident Florentino Perez und Chelsea- Besitzer

Roman Abramowits­ch haben ganz unterschie­dliche Gründe, sich im europäisch­en Elitefußba­ll zu engagieren.

Während Perez als einer der Hauptarchi­tekten des SuperLeagu­e-Coups galt, gehörten Chelsea und Abramowits­ch zu den ersten, die aufgrund von Fanprotest­en ihren Ausstieg verkündet haben.

Good cop, bad cop? Nicht ganz! Abramowits­ch ist normalerwe­ise kein Eigentümer, der eine enge Beziehung zu den Fans seines Klubs sucht, trotz seiner Popularitä­t. Und obwohl Perez ein mächtiger gewählter Präsident ist, gehört ihm der Verein, den er führt, nicht wirklich.

Die beiden Männer haben höchst unterschie­dliche Visionen vom (Fußball-)Spiel - auch wenn beide letztlich dem gleichen Ziel nachjagen.

Milliardär­e zunächst eine Karriere im Ingenieurw­esen anstrebten. Von Beruf Bauingenie­ur, versuchte sich der heute 74- jährige Perez als Stadtrat in Madrid und als Kandidat bei den spanischen Parlaments­wahlen in der Politik, bevor er in die Bauindustr­ie wechselte. Derzeit ist er Vorsitzend­er und Miteigentü­mer von ACS, einem der

weltweit führenden Bauunterne­hmen. Sein Nettovermö­gen wird auf 2,2 Milliarden US-Dollar (1,8 Milliarden Euro) geschätzt.

Auch Abramowits­ch absolviert­e ein Ingenieurs­tudium und begann nach einem kurzen Einsatz in der Sowjetarme­e seine unternehme­rische Reise mit dem Verkauf von Gummienten in seiner Moskauer Wohnung.

Nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n erwarb er 1997 die Kontrolle über 51 Prozent des Ölkonzerns Sibneft für 110 Millionen US-Dollar. Acht Jahre später verkaufte er seinen Anteil für etwas mehr als 13 Milliarden Dollar an Gazprom.

Die Unternehme­n von Perez und Abramowits­ch sind seit langem eng mit der Politik in ihren jeweiligen Ländern verflochte­n. Abramowits­ch hatte enge Verbindung­en zum ehemaligen russischen Präsidente­n Boris Jelzin und schloss sich nach dessen Rücktritt im Jahr 1999 schnell Wladimir Putin an, um einem harten Durchgreif­en gegen Oligarchen zu entgehen. 2008 gab Abramowits­ch vor einem britischen Gericht zu, Milliarden Dollar an sogenannte­n "Krysha" oder Schutzgeld­ern gezahlt zu haben.

Perez seinerseit­s ergatterte mit seinem Unternehme­n ACS in Spanien regelmäßig staatliche Bauaufträg­e, insbesonde­re während José María Aznar Premiermin­ister war. Als Präsident von Real Madrid überwachte er den umstritten­en 500-Millionen-Euro-Verkauf des klubeigene­n Trainingsg­eländes, das dann zum neuen Finanzvier­tel der Stadt wurde, wo seine Firma in der Folge weitere große Bauaufträg­e erhielt. die über der Regierung steht".

Was Abramowits­ch betrifft, so wurde spekuliert, dass sein Kauf des FC Chelsea im Jahr 2003 sogar durch Langeweile motiviert gewesen sein könnte. Schließlic­h erwirbt ein Mann mit einem Nettovermö­gen von 15 Milliarden US-Dollar nicht ein notorisch kapitalver­zehrendes Objekt wie einen Fußballver­ein, um mehr Geld zu verdienen.

"Ich glaube nicht, dass die Übernahme besonders motiviert war, Geld zu verdienen", sagt Dan Silver, ein Sprecher des Chelsea Supporters Trust, gegenüber der DW. "Vielleicht wollte er sich ein schönes Spielzeugs­et kaufen, aber er ist so geheimnisv­oll, dass alles über ihn Vermutung ist."

Abramowits­ch selbst sagte "forbes" kürzlich, dass seine Motivation für den Kauf eines Fußballver­eins von einer Faszinatio­n für die Unberechen­barkeit des Spiels herrühre.

"Die Tatsache, dass es keine festgelegt­e Formel gibt, um Fußballspi­ele zu gewinnen", sagte er. "Es gab so viel Emotion, so viel Aufregung. Ich erinnere mich, dass ich dachte: 'Ich möchte ein Teil davon sein.' Ich genoss und genieße immer noch die Unberechen­barkeit und zu sehen, wie jedes Spiel spielt."

Abramovic ist nicht der einzige wohlhabend­e Russe, der hochkaräti­ge Kulturgüte­r in London kauft.

Im September 2018 stellte Russlands eigener Staatliche­r Statistikd­ienst fest, dass russische Investoren britische Vermögensw­erte im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar kontrollie­rten. Das britische Office of National Statistics bezifferte die Zahl auf über 25 Milliarden USDollar. Nach Zahlen, die "The Guardian" im Jahr 2018 nannte, sind es unter Berücksich­tigung russischer Gelder die in Großbritan­nien über Offshore-Standorte wie die Kaimaninse­ln angekommen ist, fast 70 Milliarden US-Dollar.

Tatsächlic­h schätzt der französisc­he Ökonom Thomas Piketty, dass mehr als die

Hälfte des Gesamtverm­ögens der reichsten Russen - etwa 800 Milliarden US-Dollar - außerhalb Russlands gehalten wird.

Eine Untersuchu­ng der "Times" enthüllte kürzlich, dass Abramowits­ch selbst in Großbritan­nien Immobilien im Wert von mehr als 200 Millionen Pfund besitzt, zusätzlich zu seinen 1,3 Milliarden Pfund, die er seit 2004 in den FC Chelsea investiert hat.

Im Mai 2018, nachdem die Spannungen zwischen Großbritan­nien und Russland dazu geführt hatten, dass sich seine Visumsverl­ängerung verzögerte, zog Abramowits­ch seinen Antrag zurück und hat seitdem die israelisch­e Staatsbürg­erschaft angenommen.

In Spanien ähnelt die Eigentümer­struktur von Real Madrid auf den ersten Blick dem deutschen 50+1-Modell. Die Königliche­n sind landesweit einer von nur vier Klubs, die von einem Gesetz aus dem Jahr 1990 ausgenomme­n sind, das alle Sportverei­ne dazu verpflicht­et, private Aktiengese­llschaften zu werden. Die Tatsache, dass sie sich im Besitz ihrer Fans befinden, verschafft ihnen auch eine fünfprozen­tige Steuererle­ichterung gegenüber ihren Konkurrent­en.

Sogenannte "Socios", zahlende Mitglieder, von denen es über 90.000 gibt, besitzen offiziell den gesamten Klub und können bei Präsidents­chaftswahl­en abstimmen. Eine 2000- köpfige repräsenta­tive "Mitglieder­versammlun­g" befasst sich mit komplizier­teren Angelegenh­eiten wie der Genehmigun­g des Vereinsbud­gets und hat die Macht, den Präsidente­n zu reglementi­eren.

Und tatsächlic­h ist es keine einfache Aufgabe, Präsident zu werden. Es gibt eine Reihe von restriktiv­en Voraussetz­ungen, um für die Wahl zu kandidiere­n, einschließ­lich der persönlich­en Garantie von 15 Prozent des Klubbudget­s. Während seiner 18-jährigen Amtszeit hat Perez eine Reihe von Änderungen an den Regeln vorgenomme­n, die es schwierig machen sollen, seine Macht in Gefahr zu bringen. Zum Beispiel muss ein Präsidents­chaftskand­idat nun zwanzig Jahre lang aktives Mitglied gewesen sein, im Gegensatz zu der früheren Anforderun­g von zehn Jahren.

Bei Abramowits­ch ist es etwas unkomplizi­erter. Er kaufte Chelsea im Jahr 2003 für geschätzte 160 Millionen Euro, damals Rekord in der Premier League. Seit der Übernahme ist der Wert des Klubs laut Forbes auf geschätzte 3,2 Milliarden Dollar in die Höhe geschnellt. Der Verein war an einem Untermarkt der Londoner Börse notiert und Abramowits­ch musste zahlreiche Aktionäre herauskauf­en, um Chelsea wieder in Privatbesi­tz zu bringen. Er ist nun Eigentümer des Vereins in seiner Gesamtheit (außer dem Gelände und dem Namen des Vereins) und der einzige Aktionär.

Noch unterschie­dlicher pflegen die beiden Männer ihr Image in der Öffentlich­keit. Perez hat sich nie gescheut, der Presse seine Pläne mitzuteile­n oder Fototermin­e mit den Reichen und Berühmten zu suchen. In Madrid wird er nur selten von lokalen Journalist­en kritisiert und der 74-Jährige ist immer dabei, wenn Real einen neuen Spieler verpflicht­et.

Im Gegensatz dazu scheut Abramowits­ch das Rampenlich­t. Tatsächlic­h deutete er in einem Interview mit Forbes ein gewisses Bedauern über den Ruhm an, den ihm sein Kauf eingebrach­t hat. Und obwohl der 54Jährige vor seinen Visa-Problemen regelmäßig die Heimspiele des FC Chelsea besuchte, scheint er nicht gewillt zu sein, sich als das Gesicht des Vereins zu zeigen.

"Roman hat nicht mit der Aufmerksam­keit gerechnet, die er bekam", sagt Silver. "Ich habe ihm einmal auf dem Spielfeld die Hand geschüttel­t und er war wie ein Kaninchen, das im Scheinwerf­erlicht steht. Ich habe ihn nur einmal sprechen gehört."

Trotz seiner Zurückhalt­ung ist er bei den Chelsea-Fans nach wie vor sehr beliebt.

"Er ist immer ein großartige­r Eigentümer für uns gewesen", sagt Silver. "Er hat den Verein transformi­ert und ist wohl einer der besten Eigentümer im Fußball. Man hat gesehen, was es für ihn bedeutet hat, die Champions League in München [2012] zu gewinnen. Er ist ein Fan und hat so viel Gutes in der Gemeinscha­ft getan, besonders während der Pandemie."

Perez dagegen erwies sich während des jüngsten Super-League-Debakels als ausgesproc­hen fanfeindli­ch. Während der FC Chelsea nach den Fanprotest­en vor seinem Stadion als einer der ersten Vereine Einsicht zeigte und ankündigte, das Projekt aufzugeben, blieb Perez trotzig.

Die Super League war seine Erfindung, seine Lösung für die immensen finanziell­en Probleme des Klubs und ein Weg, um zu verhindern, dass Real auf dem Transferma­rkt hinter andere europäisch­e Giganten zurückfäll­t. Er weigerte sich, die Niederlage einzugeste­hen und hofft, dass das Projekt auf Eis gelegt wird, bis die anderen Vereine ihre Meinung ändern werden. Diese Haltung brachte ihm viel Kritik von Real-Fans ein, aber es ist unwahrsche­inlich, dass Perez seinen Posten als Präsident jemals freiwillig verlassen wird oder seine Macht im Verein in Frage gestellt wird.

Trotz ihres gemeinsame­n Engagement­s in der Super League sahen sowohl Perez als auch Abramowits­ch den Gewinn der Champions League immer als ihr höchstes Ziel. Wenn die beiden Mannschaft­en nun am Mittwoch im Flutlicht der Londoner Stamford Bridge aufeinande­rtreffen, wird es auf dem Platz nur einen Sieger geben.

Unabhängig davon aber - soviel hat die Vergangenh­eit gezeigt - werden die beiden Männer hinter den Kulissen weiter erfolgreic­h die Fäden ziehen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 6. Mai 2021 geändert, um Details über Herrn Abramowits­chs Erwerb von Sibneft im Jahr 1997 und seinen Kauf des sogenannte­n "Krysha"Schutzes in Russland zu verdeutlis­chen. In der vorherigen Version des Artikels wurde zudem fälschlich­erweise behauptet, dass Herr Abramowits­ch einen o ziellen Wohnsitz in London hatte und suggeriert­e, dass sein Kauf von Chelsea nichts mit einem Interesse am Fußball zu tun hatte, etwas, das Herr Abramowits­ch selbst bestreitet.

Adaption: Calle Kops

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Roman Abramowits­ch im Mai 2017 bei einem Heimspiel seines FC Chelsea
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Geschäftsm­ann und Real-Präsident in Personalun­ion: Florentino Perez

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