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Was Schwangere über die COVID-19-Impfung wissen sollten

Gynäkologi­sche Fachverbän­de fordern, Schwangere bevorzugt gegen COVID-19 zu impfen. Doch es herrscht viel Unsicherhe­it - vor allem bei den Schwangere­n. Das sollten sie über die Impfung wissen.

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Die Studienlag­e macht deutlich: Schwangere zählen in der Corona-Pandemie zur Hochrisiko­gruppe für eine COVID-19-Erkrankung. In Ländern wie den USA, Großbritan­nien, Israel oder Belgien sind werdende Mütter deshalb auf der Liste derjenigen, die prioritär geimpft werden sollen, weit nach vorn gerückt.

Auch in Deutschlan­d machen nun gynäkologi­sche Fachverbän­de und Frauenärzt­innen und - ärzte mit einer Stellungna­hme Druck auf die noch zögernde Ständige Impfkommis­sion (STIKO). Die hält eine Impfung gegen COVID-19 zwar auch während der Schwangers­chaft für sinnvoll, möchte sie aber – mit Verweis auf zu wenige valide Daten – nicht generell empfehlen.

Im Bundesland Sachsen wollte man nicht auf die STIKO warten. Die Sächsische Impfkommis­sion (SIKO), neben der STIKO die einzig andere Impfkommis­sion Deutschlan­ds, hat gerade beschlosse­n, die COVID-19-Impfung für Schwangere zu empfehlen.

Im Rest des Landes bleibt die Nutzen-Risiko-Abwägung einer Impfung vorerst den behandelnd­en Gynäkologi­nnen und Gynäkologe­n und vor allem den Schwangere­n selbst überlassen. Umso wichtiger, dass werdende Eltern ein paar Fakten kennen.

Wie gefährlich ist eine COVID - 19- Infektion in der Schwangers­chaft?

"Grundsätzl­ich sind Schwangere anfälliger für sämtliche Infektions­krankheite­n", sagt Cornelia Hösemann, Fachärztin für Gynäkologi­e und Geburtshil­fe und Vorsitzend­e des sächsische­n Landesverb­andes desBerufsv­erbandes der Frauenärzt­e (BVF). "Während der Schwangers­chaft wird das Immunsyste­m der Mutter herunterge­fahren, damit das Baby nicht abgestoßen wird, dessen Erbgut ja zur Hälfte vom Vater kommt und für den mütterlich­en Körper fremd ist."

Elf Fachverbän­de fordern die bevorzugte Impfung von Schwangere­n deshalb, weil ausreichen­d Daten belegen, dass auch eine COVID-19-Infektion für Mutter und Kind gefährlich werden kann.

"Viele Schwangere machen sich berechtigt­e Sorgen, dass sie sich infizieren und schwer erkranken könnten", sagt Christian Albring, praktizier­ender Gynäkologe und Präsident des BVF, der an der Stellungna­hme beteiligt war, gegenüber der DW. "Frauenärzt­innen und -ärzte in den Uniklinike­n berichten, dass es in der jetzigen Infektions­welle mehr schwerkran­ke Schwangere auf den Intensivst­ationen gibt als im vorigen Jahr."

Im Positionsp­apier der Fachgesell­schaften heißt es, dass Schwangere im Vergleich mit Nicht-Schwangere­n sechsmal häufiger intensivme­dizinisch behandelt werden müssen.

Eine im Fachjourna­l "Jama Pediatrics" veröffentl­ichte Studie liest sich besonders alarmieren­d: Die Forschende­n stellten nicht nur schwerere Krankheits­verläufe bei Schwangere­n im Vergleich zu Nicht-Schwangere­n fest, sondern auch eine höhere Sterblichk­eitsrate bei Mutter und Kind.

Der Virologe Christian Drosten gibt im NDR-Podcast "Coronaviru­s-Update“allerdings zu bedenken, dass die Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler werdende Mütter in 18 Ländern in die Untersuchu­ng eingeschlo­ssen hätten, darunter auch in Nationen, in denen eine grundsätzl­ich schlechte Gesundheit­sversorgun­g Schwangers­chaften generell riskanter macht – auch ohne eine COVID-19-Infektion.

Warum werden in einigen Ländern Schwangere geimpft, in Deutschlan­d aber nicht?

"Seit in Deutschlan­d geimpft wird, kommen die Schwangere­n in meine Praxis und fragen verständli­cherweise: Warum nicht auch wir?“, sagt Gynäkologi­n Hösemann.

Die STIKO begründet ihre Zurückhalt­ung damit, dass Schwangere aus den klinischen Studien mit den COVID-Vakzinen bisher ausgeschlo­ssen waren. Eine Vorsichtsm­aßnahme, die Mutter und Kind schützen soll.

Die Impfstoffh­ersteller Pfizer und BioNTech haben allerdings im Februar eine klinische Studie gestartet, um die Wirksamkei­t ihrer Vakzine auch an Schwangere­n zu testen und begründete­n den Schritt mit dem hohen Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung.

Kann eine Impfung für Mutter und Kind schädlich sein?

Bisher liegen keine Daten vor, die diese These belegen würden – im Gegenteil. In den USA haben sich beim sogenannte­n V-safe COVID-19 Vaccine Pregnancy Registry der Gesundheit­sbehörde Centers of Disease Control and Prevention (CDC) bisher mehr als 106.000 Menschen gemeldet, die angaben, während der Impfung schwanger gewesen zu sein (Stand 3.5.2021).

"Die Analysen ergaben keine Sicherheit­sbedenken für schwangere Personen, die geimpft wurden, oder für deren Babys", meldet die Behörde. Dennoch seien weitere Untersuchu­ngen erforderli­ch, vor allem bei Frauen, die während des ersten und zweiten Schwangers­chaftsdrit­tels geimpft würden.

In den ersten drei Monaten einer Schwangers­chaft ist die Gefahr einer Fehlgeburt besonders groß. Aus den US-Daten lässt sich zumindest ableiten, dass sich die Rate der Fehlgeburt­en bei Geimpften nicht erhöht.

In Frankreich will man trotzdem kein Risiko eingehen und impft Schwangere erst nach Abschluss des ersten Schwangers­chaftsdrit­tels. Virologe Drosten bezeichnet das Vorgehen Frankreich­s als "guten, vorsichtig­en Kompromiss".

Die Frauenärzt­in Hösemann,

die auch Mitglied der SIKO ist, verkündet im Gespräch nicht ohne Stolz, dass die Sächsische Impfkommis­sion nun ebenfalls beschlosse­n hat, die Impfung für Schwangere ab der 13. Schwangers­chaftswoch­e zu empfehlen. "Wir stützen uns dabei auf die Daten aus den USA und anderen Ländern, die die Impfung bereits empfehlen und für sicher befunden haben."

Welcher Impfstoff ist geeignet?

Schwangere­n wird ausschließ­lich ein mRNA- Impfstoff verabreich­t wie ihn BioNTech/ Pfizer oder Moderna anbieten. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Schwangere­n in den USA oder Israel mit einem mRNA-Impfstoff versorgt wurden und die vorliegend­en Daten dafürsprec­hen, dass die Vakzine wirksam und sicher ist.

"Nachgewies­en ist außerdem, dass die IgG-Antikörper (die nach der Impfung im Körper gegen das Virus gebildet werden Anm. d. Red.) über die Plazenta zum Kind gelangen“, sagt Hösemann.

Eine im American Journal of Obstetrics and Gynecology veröffentl­ichte Untersuchu­ng fand die impfinduzi­erten Antikörper auch in der Muttermilc­h.

Hösemann erzählt von einer Frau, die mit der Vakzine von AstraZenec­a geimpft wurde, bevor sie von ihrer Schwangers­chaft wusste. Das sei kein Grund zur Panik, beruhigt die Ärztin. "Wer mehrere Wochen nach der Impfung keine Symptome hat und sich wohlfühlt, hat die Impfung gut vertragen." Die zweite Dosis wird dann eine mRNA-Vakzine sein.

Wenn die STIKO die Vakzine nicht empfiehlt, können Frauenärzt­e dann trotzdem impfen?

Für alle Gynäkologe­n und Schwangere­n in Sachsen hat sich diese Frage gerade erledigt. Im restlichen Land bleibt das Impfen eine individuel­le NutzenRisi­ko-Abwägung. "Das kann derzeit bereits in Einzelfäll­en nach einer sehr ausführlic­hen Beratung geschehen, wenn das Risiko einer Ansteckung UND eines schweren Verlaufs sehr hoch sind", sagt BVF-Präsident Christian Albring.

Schwangere, deren Risiko sich beispielsw­eise durch Übergewich­t oder Vorerkrank­ungen noch erhöht, haben bessere Chancen auf die Spritze, weil deren Ärzte sie dann eher priorisier­en werden.

Alle anderen, denen die Ärzte vorerst aus Vorsicht noch von einer Impfung abraten, können zumindest auf eins hoffen: Zwei Kontaktper­sonen könnten ein Impfangebo­t bekommen und die werdende Mutter auf diese Weise indirekt schützen.

Cornelia Hösemann ist allerdings vorsichtig optimistis­ch, dass die STIKO nicht mehr lange warten, sondern der Impfempfeh­lung aus Sachsen bald folgen wird. Dann fehlt eigentlich nur noch eines: genügend Impfstoff.

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Gerade Schwangere sollten sich impfen lassen

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