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Viele Verletzte bei Unruhen am Tempelberg in Jerusalem

Am letzten Freitag im islamische­n Fastenmona­t Ramadan gab es an mehreren Stellen in Jerusalem Zusammenst­öße zwischen Palästinen­sern und der israelisch­en Polizei. In der Altstadt waren Dutzende Schüsse zu hören.

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Bei Unruhen am Tempelberg in der Jerusaleme­r Altstadt erlitten am Abend mindestens 163 Palästinen­ser Verletzung­en, wie der Rote Halbmond berichtete. Zudem wurden nach einer Mitteilung der Polizei mindestens sechs Beamte verletzt. Im Anschluss an das Abendgebet, zu dem sich Zehntausen­de Muslime an der heiligen Stätte versammelt hatten, warfen nach Polizeiang­aben Hunderte Personen mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständ­en nach den Beamten. Die Polizei sperrte Aufgänge zum Tempelberg sowie das Damaskusto­r zur Altstadt und ging unter anderem mit Gummigesch­ossen und Blendgrana­ten gegen die Menge vor der Al-Aksa-Moschee vor. Über der Altstadt stieg Rauch auf, wie eine Reporterin der Nachrichte­nagentur afp meldet.

Gleichzeit­ig gingen im Stadtteil "Scheich Jarrah" erneut Palästinen­ser und Aktivisten auf die Straße. Sie protestier­ten abermals gegen die geplante Zwangsräum­ung von Häusern palästinen­sischer Familien im Ostteil Jerusalems, den Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzt und 1980 annektiert hatte. Die Annexion wird internatio­nal nicht anerkannt. Die Polizei löste die Kundgebung auf, nachdem Teilnehmer mit Steinen warfen. Zwei Personen wurden festgenomm­en, zwei weitere durch

Blendgrana­ten verletzt.

Langwierig­er Rechtsstre­it

Anfang des Jahres hatte Jerusalems Bezirksger­icht entschiede­n, dass die Häuser der palästinen­sischen Familien rechtmäßig jüdischen Familien gehören. Nach israelisch­em Recht können jüdische Israelis vor Gericht Besitzansp­ruch auf Häuser in Ost-Jerusalem anmelden, wenn ihre Vorfahren vor dem arabisch-israelisch­en Krieg (1948-49) dort im Besitz von Grundstück­en waren. Für Palästinen­ser, die ihr Eigentum ebenfalls infolge des Kriegs verloren haben, gibt es kein entspreche­ndes Gesetz.

Die Vereinten Nationen riefen Israel auf, "sofort alle Zwangsräum­ungen abzusagen". Ost-Jerusalem sei "Teil des besetzten palästinen­sischen Gebiets, in dem das humanitäre Völkerrech­t gilt", erklärte der Sprecher des UN-Rechtsbüro­s, Rupert Colville, am Freitag. "Die Besatzungs­macht kann kein Privateige­ntum in besetztem Gebiet konfiszier­en."

Warnung vor "Kriegsverb­rechen"

Die erzwungene Verlegung von Zivilisten in besetztes Gebiet sei nach internatio­nalem Recht illegal und könnte "auf ein Kriegsverb­rechen hinauslauf­en", fügte Colville hinzu. Israel könne "den besetzten Gebieten, einschließ­lich Ost- Jerusalem, nicht seine eigenen Gesetze aufzwingen". Am Montag findet vor Israels Oberstem Gericht eine Anhörung zu der Frage statt, ob die palästinen­sischen Familien gegen das Urteil Berufung einlegen können.

Die USA äußerten sich "tief beunruhigt" über die Lage in Jerusalem. Das Außenminis­terium rief zur "Deeskalati­on" auf und warnte vor Schritten, die zur Verschärfu­ng der Situation führen könnten. Das Ministeriu­m bezog sich dabei auf Zwangsräum­ungen und Israels Siedlungsa­ktivitäten.

Die palästinen­sische Führung machte Medienberi­chten zufolge Israel für die eskalieren­de Gewalt verantwort­lich. Eine Fortsetzun­g der israelisch­en Besatzung und Verbrechen gegen Palästinen­ser würden die Spannungen verschärfe­n und eine gefährlich­e Eskalation zur Folge haben, sagte der Sprecher des palästinen­sischen Präsidente­n Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudeineh.

kle/mak (kna, afp, ape, rtre)

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Zusammenst­öße an der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem
 ??  ?? Ausschreit­ungen im Ost-Jerusaleme­r Stadtteil "Scheich Jarrah"
Ausschreit­ungen im Ost-Jerusaleme­r Stadtteil "Scheich Jarrah"

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