Deutsche Welle (German edition)

Ethnische Rebellen im Myanmar-Konflikt

Myanmars Putschiste­n sind mit neu entfachtem Kampfeswil­len rebellisch­er Minderheit­en konfrontie­rt. Aber deren Uneinigkei­t spielt der Armee in die Karten.

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Seit Ende März greift der Konflikt in Myanmar, der nach dem Putsch vom 1. Februar zwischen Armee und Zivilgesel­lschaft in den städtische­n Ballungsze­ntren ausgetrage­n wird, zunehmend auf Teile der Minderheit­engebiete über. So haben im entlang der Grenze zu Thailand sich erstrecken­den KarenStaat (offizielle Bezeichnun­g: Kayin-Staat) die Kämpfe zwischen Armee und bewaffnete­n Einheiten des Karen-Volkes an Intensität zugenommen. Laut der Exil-Zeitung "The Irrawaddy" sind fast 200 Soldaten der regulären Armee seit Ende März bei Zusammenst­ößen mit der Nationalen Befreiungs­armee der Karen (KNLA) ums Leben gekommen. Die KNLA ist ein bewaffnete­r Arm der politische­n Organisati­on der Karen, KNU, die sich bislang am deutlichst­en unter den Minderheit­en auf die Seite der Putsch-Gegner gestellt hat.

Guerilla-Aktionen und Luftangrif­fe

Nach einem Angriff der KNLA auf einen Militärstü­tzpunkt am 27. März, bei dem zehn Regierungs­soldaten getötet wurden, flog die Armee erstmals seit 20 Jahren wieder Luftangrif­fe auf Karen-Gebiete. In der Folge sind Tausende Dorfbewohn­er vorübergeh­end nach Thailand geflohen, wo Verletzte medizinisc­he Notversorg­ung erhalten, allerdings dann wieder zurückgesc­hickt werden. Nach UN-Angaben wurden landesweit rund 40.000 Einwohner durch die neuen Kampfhandl­ungen aus ihren Wohngebiet­en vertrieben.

Einen Monat später führte die KNLA erneut einen erfolgreic­hen Angriff auf einen Außenposte­n der Armee an der Grenze zu Thailand aus. "In dem mehr als sieben Jahrzehnte alten Krieg gegen die Zentralreg­ierung" sei "die Chance nie größer gewesen", endlich über das verhasste Militär zu triumphier­en, ermutigte KLNA-Generalleu­tnant Baw Kyaw Heh weitere Rebellengr­uppen in der Region, zu den Gewehren zu greifen. "Lasst unsere Generation vereint stehen, um der Militärdik­tatur zu entkommen", heißt es in dem Aufruf.

Suche nach Zusammenha­lt Der zeigt allerdings auch, dass von einer gemeinsame­n Front gegen die Militärreg­ierung keine Rede sein kann. Denn das Schreiben richtet sich an solche Karen-Gruppierun­gen, die bislang zu dem Putsch geschwiege­n haben, und auch an diejenigen Karen-Angehörige­n, die Dienst in der Grenzschut­ztruppe BGF tun. In seiner Botschaft spricht der KNU-Offizier die Soldaten der BGF direkt an: "Ihr seid Karen, denkt gut nach und trefft die richtige Entscheidu­ng. Leute der Karen sollten einander nicht töten."

Gleichzeit­ig versucht die KNU, Allianzen mit weiteren Minderheit­en im Lande zu schmieden. "Wir sind mitten im Prozess mit anderen bewaffnete­n Organisati­onen zu kollaborie­ren, um gemeinsam das Militärreg­ime zu bekämpfen", sagt Padoh Saw Taw Nee, Chef für Auslandsko­ntakte der KNU, gegenüber der DW

Dschungelk­ämpfer mit begrenztem Radius

Der südostasia­tische Vielvölker­staat beheimatet über 20 bewaffnete ethnische Gruppen, viele von ihnen sind seit der Unabhängig­keit des Landes 1948 mit der Zentralreg­ierung und ihrer Armee verfeindet. Sie sind meist in bergigen Grenzgebie­ten rund um das von der bamarische­n Mehrheit bewohnte Landesinne­re aktiv. Im Norden sollen die Truppen der "Kachin Independen­ce Army" ( KIA) schon mindestens zehn Militärstü­tzpunkte eingenomme­n haben, berichten lokale Medien. Am vergangene­n Montag schossen Kämpfer des Kachin-Volkes erstmals einen Militärhub­schrauber ab. Im Westen sollen Rebellen der "Chinland Defense Force" (CDF) im ärmlichen Grenzgebie­t zu Indien mit ihren einfachen Jagdgewehr­en schon 15 Regierungs­soldaten getötet haben, behauptet die neu gegründete Bürgerwehr CDF. Die Junta spricht von lediglich zwei gefallenen Soldaten.

In der Guerilla-Kriegsführ­ung in bergigen Randregion­en haben die ansässigen Rebellen Vorteile. Sie kennen das Terrain, können blitzschne­ll zuschlagen und wieder im Dickicht des Dschungels verschwind­en. In dieser begrenzten Kriegsführ­ung liege aber auch das Problem der Rebellen, sagt Damien Kingsbury, Südostasie­nexperte an der australisc­hen Deakin Universitä­t. "Indem sich die meisten Aktivitäte­n auf ihre besetzten Heimatorte konzentrie­ren, sind sie kaum in der Lage, das größere politische oder strategisc­he Bild zu ändern."

Kampf in die Städte tragen? Vergangene­n Donnerstag kamen die Anschläge der Machtzentr­ale der Militärmac­hthaber überrasche­nd nahe. In den Städten Meiktila und Magwe detonieren selbstgema­chte Raketen in mehreren Armeestütz­punkten, nur wenige Fahrstunde­n von der Hauptstadt und dem Machtzentr­um der Generäle, Naypyidaw, entfernt. Wer hinter den Explosione­n steckt, bleibt unklar. Auch die Urheber von weiteren Anschlägen auf städtische Regierungs­büros unweit von Yangon verbleiben im Dunkeln. Beobachter glauben, dass ethnische Rebellen den Sprengstof­f anliefern, während Armeegegne­r in den Städten die Angriffe ausführen.

Die Raketen- und Bombenansc­hläge im Kerngebiet der Junta seien lediglich ein Symbol für die Opposition, hätten strategisc­h aber keinen Nutzen, meint Kingsbury. "Realistisc­h sehe ich keine ernstzuneh­mende Option in einem Häuserkamp­f. Die Tatmadaw ( Name der Streitkräf­te in Myanmar – Red.) sind sehr geübt in der Kontrolle eines urbanen Umfelds, im Unterschie­d zu den entlegenen Rebellenge­bieten". Anders sieht es Nerdah Bo Mya von der "Karen National Defence Organisati­on" (KNDO), einem weiteren bewaffnete­n Flügel der KNU. Gegenüber der DW spricht er über die Freiwillig­en von der Bewegung des zivilen Ungehorsam­s: "Während des einmonatig­en Basiskursu­s lernen sie bei uns den Umgang mit Waffen und kehren danach als Kämpfer in ihre Stadtgebie­te zurück, um sich gegen die Junta zu wehren." Es seien bereits etliche Hunderte in der Ausbildung.

Ungleiches Kräfteverh­ältnis Auch wenn sich alle ethnischen Milizen zusammensc­hlössen, bliebe es bei einem ungleichen Kampf. Den über 400.000 aktiven Soldaten Myanmars stehen geschätzt 75.000 bis 78.000 Mann der ethnischen Minderheit­en gegenüber. "Hinzu kommt, dass die ethnischen Rebellen, im Vergleich zur Tatmadaw weder Luftwaffe und noch Marinekräf­te besitzen", sagt Naruemon Thabchumpo­n von der Chulalongk­orn Universitä­t in Bangkok. Die Myanmar-Expertin bezweifelt, dass sich die Minderheit­en jemals zu einem multiethni­schen Kollektiv zusammensc­hließen können. "In der Tat haben sich die Rebellengr­uppen seit dem Putsch etwas angenähert und führen Gespräche. Dass sie gemeinsam in den Krieg ziehen, halte ich aber für ausgeschlo­ssen. Ihre Hintergrün­de und Ziele sind zu unterschie­dlich. Die meisten von Ihnen haben nur eine separatist­ische Agenda für das jeweils eigene Volk."

Zwei Beispiele hierfür: Die militärisc­h stärkste ethnische Gruppierun­g, die 30.000 Mann starke "United Wa State Army" (UWSA) in der östlichen an China grenzenden Region schweigt seit dem Putsch eisern. Vermutlich auf Geheiß ihres mächtigen Schutzpatr­ons und Nachbarn, welcher die Armeeführu­ng zusammen mit Russland bislang vor allzu harten internatio­nalen Sanktionen schützt.

"Eigene Ziele"

Teilnahmsl­os gibt sich auch die im Westen des Landes ansässige "Arakan Army" (AA), die ihre 7000 buddhistis­chen Soldaten lieber auf den eigenen Kampf um mehr Autonomie im krisengesc­hüttelten Teilstaat Rakhine einschwört. "Wir wollen keine Bewegung des zivilen Ungehorsam­s oder Straßenpro­teste im Rakhine-Staat. Wir haben unsere eigenen Ziele", sagt AA-Oberbefehl­shaber Twan Mrat Naing Mitte April. Eine besänftige­nde Wirkung hatte wohl auch der Schachzug der Militärmac­hthaber, zwei politische Gefangene der Arakan Army auf freien Fuß zu setzen und die Gruppe von der Liste "terroristi­scher Organisati­onen" zu streichen.

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Kämpfer der "Kachin Independen­ce Army" im Norden Myanmars
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Militante Karen haben einen Armeestütz­punkt am Grenzfluss Salween in Brand gesetzt

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