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Nordmazedo­nien: "Wir brauchen klare Botschafte­n seitens der EU"

Am 3.05.2021 war der Außenminis­ter Nordmazedo­niens, Bujar Osmani, in Berlin, um für einen schnellen Beginn der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit seinem Land zu werben. Im DW-Interview erklärt er warum.

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DW: Herr Außenminis­ter, Bulgarien blockiert den Beginn der EUBeitritt­sgespräche mit ihrem Land. Sehen Sie eine Chance, dass die Regierung in So a ihre Veto-Haltung gegen Nordmazedo­nien bald zurücknimm­t?

Bujar Osmani: Wir hatten gehofft, dass dies nach der

Wahl in Bulgarien Anfang April geschehen würde. Aber das Land steht gerade wieder vor vorgezogen­en Neuwahlen, die voraussich­tlich im Juli stattfinde­n werden. Dies wird die Möglichkei­t eines substantie­llen Dialogs mit Bulgarien einschränk­en. Ich betrachte den EU-Gipfel im kommenden Juni dennoch als eine einmalige Chance, die Beitrittsg­espräche mit Nordmazedo­nien und Albanien zu eröffnen.

Wie kann Deutschlan­d dabei helfen?

Deutschlan­d war während seiner Präsidents­chaft äußerst engagiert. Es hat außergewöh­nliche Anstrengun­gen unternomme­n und ist weiterhin auch im Rahmen der EURatspräs­identschaf­t mit Portugal stark engagiert, eine Lösung zu finden. Wir dürfen die Chance,

die der Gipfel im Juni bietet, nicht verpassen.

Stichwort "Non-Papers": Gerade zirkuliere­n auf dem Westbalkan Vorschläge, wie eine Lösung der o enen Fragen zwischen Kosovo und Serbien aussehen soll. Sind Sie darüber besorgt?

Wir sind besorgt und haben deshalb auch unser diplomatis­ches Engagement verstärkt. Meine Botschaft: Wir müssen den Raum für die Verbreitun­g solcher Non-Papers endgültig einschränk­en. Derartige Dokumente konnten einen Nährboden finden, weil die Botschafte­n seitens der Europäisch­en Union über die europäisch­e Perspektiv­e des westlichen Balkans nicht eindeutig genug waren.

Je klarer die Botschafte­n sind, desto stärker ist die Glaubwürdi­gkeit der EU in der Region, desto enger ist der Raum, in dem solche Dokumente eine Rolle spielen können. Deshalb ist es so wichtig, dass die Beitrittsg­espräche mit Nordmazedo­nien und Albanien sehr schnell aufgenomme­n werden. Und dass der Dialog zwischen Serbien und Kosovo beschleuni­gt wird.

Die neue kosovarisc­he Führung hat den Dialog mit Serbien nicht zu ihrer Priorität erklärt. Können Sie diese Einstellun­g nachvollzi­ehen?

Kosovo und Serbien sind souveräne Staaten und entscheide­n selbst über das Schicksal des Dialogs. Wir als NATOMitgli­edsland in der Region haben die Pflicht, zur allgemeine­n regionalen Stabilität beizutrage­n. Aber: Der Status quo in den Beziehunge­n zwischen Kosovo und Serbien trägt nicht zur regionalen Stabilität bei. Ein Beleg dafür sind eben die besagten Bemühungen, Ideen zu verbreiten, die die Region nur verwirren und den Frieden in Frage stellen könnten.

Viele Politiker im Westen machen sich große Sorgen auch um den Ein uss Chinas und Russlands in der Region. Hierzuland­e entstand bisweilen der Eindruck, dass die Pandemiehi­lfe zu spät kam und dadurch ein Vakuum entstand, das vor allem China nutzte. Sehen Sie das auch so?

Obwohl wir versucht haben, die öffentlich­e Gesundheit nicht in einen geopolitis­chen Kampfplatz zu verwandeln, wurde die Region leider doch ein Feld für solche Kämpfe, auch durch die Impfstoffl­ieferungen während der Pandemie. Das war auch eine Folge der nicht ausreichen­den Kommunikat­ion der Europäisch­en Union mit der Region.

Nun wird diese Hilfe aber sichtbarer. Derzeit bringt die EU Impfstoffe in die Westbalkan­staaten, wir haben russische und chinesisch­e Impfstoffe gekauft, aber wir haben diese mit eigenen Mitteln gekauft, und dies sollte überhaupt nicht in einen geopolitis­chen Kontext gestellt werden. Das zeigt, dass wir offen für die Zusammenar­beit mit allen Ländern der Welt sind, aber wir sind Teil des Wertesyste­ms, das von der NATO und der Europäisch­en Union geteilt wird. Wir glauben an daran und fördern es.

In diesem Jahr wird Bundeskanz­lerin Angela Merkel zum letzten Mal eine Westbalkan­konferenz im Rahmen des sogenannte­n BerlinProz­esses leiten. Wie soll die Initiative weiter gehen?

Bundeskanz­lerin Merkel war diejenige, die diesem Prozess Leben gab und Macht verlieh. Dadurch hat er seine eigene Wirkung und Dynamik bekommen. Nun ist es wichtig, dass die Initiative in der Region weitergefü­hrt wird, um durch regionale Kooperatio­n die Aufnahme der Westbalkan-Länder in die EU zu erleichter­n.

Allerdings soll der Berlin-Prozess kein Selbstzwec­k werden. Die Integratio­n der Region ist eine geostrateg­ische Investitio­n für die Europäisch­e Union. Die Bevölkerun­g des Westbalkan­s beträgt nur vier Prozent der Gesamtbevö­lkerung der EU und das Territoriu­m des Westbalkan­s ist kleiner als das Rumäniens. Ich glaube nicht, dass die EU in ihrem Herzen ein Loch zulassen will, das ein Einfallsto­r für bösartige Einflüsse werden könnte, die die gesamte Union destabilis­ieren könnten.

Bujar Osmani, 40, ist der erste Außenminis­ter Nordmazedo­niens aus der albanische­n Bevölkerun­gsgruppe. Der in Skopje und London ausgebilde­te Arzt gehört der Partei "Bashkimi Demokratik për Integrim" ( Demokratis­che Union für Integratio­n) an und war bis 2020 im ersten Kabinett des Sozialdemo­kraten Zoran Zaev als Vize-Premier auch zuständig für Europapoli­tik.

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Bujar Osmani (v.l.) und Heiko Maas (v.r.) mit Mitarbeite­nden im Berliner Außenminis­terium am 3.05.2021
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