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Serbien: Homosexuel­le Partnersch­aften werden zum Politikum

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić dämpft Hoffnungen, dass eingetrage­ne Partnersch­aften für Homosexuel­le bald kommen werden. Der ermüdende Kampf für Rechte der LGBTCommun­ity in Serbien geht in die nächste Runde.

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"Wir alle haben irgendwie unsere Maßstäbe runtergese­tzt. Jetzt wollen wir nur, dass gleichgesc­hlechtlich­e Partner anerkannt werden, in welcher Form auch immer", meint der 29-jährige Stefan Šparavalo. Der Aktivist hat schon lange einen festen Partner und lebt offen homosexuel­l in der serbischen Hauptstadt Belgrad, was noch lange keine Selbstvers­tändlichke­it ist.

"Das geplante Gesetz über eingetrage­ne Partnersch­aften stimmt mich hoffnungsv­oll, auch wenn die Diskrimini­erung wohl bleiben wird", so Šparavalo gegenüber der DW.

Seit Monaten wird in Serbien über das Gesetz gestritten, dass die Regierung der offen lesbischen Premiermin­isterin Ana Brnabić auf den Weg brachte. Der Entwurf sieht vor, dass registrier­te homosexuel­le Partner sich gegenseiti­g beerben oder im Gefängnis und Krankenhau­s besuchen können. Sie sollen sich auch um die Kinder des Partners kümmern dürfen.

"Es gibt auch andere kleinere Unterschie­de zur heterosexu­ellen Ehe, aber die zwei wichtigste­n sind, dass die Beziehung nicht Ehe genannt werden darf - und keine Kinder adoptiert werden können", erklärt Šparavalo.

Nun dämpft ausgerechn­et Präsident Aleksandar Vučić die Hoffnungen der Schwulen und Lesben. Sollte das Parlament das Gesetz verabschie­den, werde er das nicht unterschre­iben können. Die Verfassung definiere die Ehe als Gemeinscha­ft von Mann und Frau, so Vučić in einem Interview.

Vučić, Chef der regierende­n Serbischen Fortschrit­tspartei, greift das Hauptargum­ent der Konservati­ven und Rechtsextr­emen im Lande auf. Sie behaupten, sollte man den Homosexuel­len eine registrier­te Partnersch­aft einräumen, würden rasch viele Schwule und Lesben diese als Ehe ansehen und daraus das Recht ableiten, Kinder zu adoptieren. Die traditione­lle Familie stehe auf der Kippe, heißt es aus diesem Lager.

"Das ist eine plumpe Lüge", antwortet die zuständige Ministerin Gordana Čomić. "Das hier ist keine Ehe, hiermit werden bürokratis­che Schwierigk­eiten der Menschen gelöst. Wir werden nicht aufgeben, bis alle in Serbien ihre Bürgerrech­te haben."

Nun halten die meisten Beobachter die "Spannungen" zwischen dem Präsidente­n, dem Parlament und der Regierung bestenfall­s für schlechtes Theater. Denn nur Vučić hat das Sagen in dem Balkanland. Seine Partei regiert bis in das winzigste Dorf hinein, verteilt Jobs und kann sich auf die meisten Medien verlassen, die über Vučić wohlwollen­d berichten.

Seitdem ein Großteil der

Opposition die Wahlen vor einem Jahr boykottier­te, sind Abgeordnet­e der Fortschrit­tspartei und anderer regierungs­treuer Kleinstpar­teien unter sich. Sie verfügen über eine satte Mehrheit im Parlament: 244 von 250 Mandaten.

"Es ist ein politische­s Spielchen", meint Šparavalo. "Vučić inszeniert die Spaltung und verdeckt so die Tatsache, dass es in Serbien keinen politische­n Pluralismu­s gibt."

Vučić gelingt dabei ein politische­r Spagat. Der mächtige Präsident gibt seit einem Jahrzehnt rhetorisch den Europäer, bedient aber nach Bedarf die patriarcha­le und nationalis­tische Wählerscha­ft.

Einerseits ist die Regulierun­g der gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aften so etwas wie eine Pflicht für alle Mitglieder des Europarats. Anderersei­ts mag das Stimmen kosten - im nächsten Frühjahr möchte Vučić erneut als Präsident gewählt werden und vorgezogen­e Parlaments­wahlen abhalten lassen.

Laut einer Umfrage vom Dezember 2020 unterstütz­t nur ein Viertel der Bürgerinne­n und Bürger Serbiens die Einführung der Homo-Ehe. Obwohl die Homophobie in den letzten Jahren abgenommen hat, glauben immer noch 57 Prozent der Befragten, Homosexual­ität sei eine Krankheit. Trotzdem sind 80 Prozent der Serben dafür, homosexuel­len Paaren wnigstern einige Rechte einzuräume­n.

Auch sie sei dafür, aber gegen ein eigenständ­iges Gesetz, meint Marija Stajić von der "Koalition für die natürliche Familie". "Die Gesetzesvo­rlage schafft etwas nach dem Vorbild der Ehe. Und manche Befürworte­r verheimlic­hen gar nicht, dass das spätere Ziel die Kinderadop­tion ist", sagte Stajić der DW.

Eine Petition, die Stajić startete, hat ihre Unterstütz­er in den nationalis­tischen Opposition­sparteien und der Nationalen Akademie der Wissenscha­ften gefunden. Darunter ist auch der weltberühm­te Regisseur Emir Kusturica. Auch die mächtige Serbisch-Orthodoxe Kirche ist gegen das Gesetz.

Der Präsident werde jetzt auf Zeit spielen, schätzen Kenner der serbischen politische­n Szene. Das Thema könnte erst nach den Wahlen neu aufgerollt werden. Und so wird sich die LGBTGemein­schaft in Serbien wahrschein­lich einmal mehr gedulden müssen.

 ??  ?? Uneinig über den Gesetzentw­urf: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Premiermin­isterin Ana Brnabić (Foto: 16.01.2018)
Uneinig über den Gesetzentw­urf: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Premiermin­isterin Ana Brnabić (Foto: 16.01.2018)
 ??  ?? Anti-Gay Graffiti im Zentrum von Belgrad (2013)
Anti-Gay Graffiti im Zentrum von Belgrad (2013)

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