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Budapest: Pekings treuester Partner in der Europäisch­en Union

Kein EU-Mitglied pflegt engere politische Beziehunge­n zu China als Ungarn. Davon profitiere­n Premier Viktor Orbán und sein Umfeld ökonomisch, doch insgesamt ist der Nutzen für das Land fraglich.

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Ungarns Premier kokettiert gern damit, ein "ehemaliger antikommun­istischer Straßenkäm­pfer" zu sein. Oft betont Viktor Orbán, er habe mit viel Einsatz für den Sturz der Diktatur und die Freiheit seines Landes gekämpft. Tatsächlic­h demonstrie­rte er als Student in der Vorwendeze­it häufig auf den Straßen der Hauptstadt Budapest und warf sich dabei schon mal mutig Polizisten entgegen, die Regimekrit­iker verhaften wollten.

Aber das ist mehr als drei Jahrzehnte her. Inzwischen verachtet der Politiker Orbán die liberale Demokratie und pflegt freundscha­ftliche Beziehunge­n mit Autokraten und Diktatoren. Er hat ein gutes Verhältnis zu Wladimir Putin, ein enges zu Recep Tayyip Erdoğan und ist gern gesehener Gast bei den Langzeithe­rrschern der zentralasi­atischen Republiken.

Vor allem aber hat Ungarns Regierungs­chef im vergangene­n Jahrzehnt eine so intensive strategisc­he Partnersch­aft mit der Volksrepub­lik aufgebaut, wie es sie in keinem anderen EU-Mitgliedsl­and gibt. Ungarn ist damit zu einem der wichtigste­n Tore für den Staat der Kommunisti­schen Partei Chinas in die EU geworden.

"Zwar unterhalte­n fast alle EU-Länder gute wirtschaft­liche Beziehunge­n zu China, aber in keinem anderen Mitgliedsl­and der Union ist der politische Einfluss Pekings so groß wie in Ungarn", sagt der Budapester Politologe Péter Krekó der DW. "Das fügt sich ein in die immer offenere antiwestli­che Rethorik der ungarische­n Regierung."

Ungarn blockiert Hongkong-Sanktionen

Sichtbarst­er aktueller Ausdruck dafür ist, dass Ungarn am vergangene­n Mittwoch (05.05.2021) in Brüssel zum zweiten Mal binnen drei Wochen die Verabschie­dung einer China-Resolution der EU verhindert­e. Es ging um Kritik am Wahlgesetz für Hongkong; bereits Mitte April hatte Ungarn eine ähnliche Erklärung der EU zu der Sonderverw­altungszon­e blockiert.

Die Blockade ist kein Präzedenzf­all: Schon seit Jahren stemmt sich Ungarn immer wieder gegen Peking-kritische Resolution­en. Immerhin trug das Land die im März beschlosse­nen China-Sanktionen der EU wegen der Menschenre­chtsverlet­zungen in der KP-Diktatur mit - nicht allerdings, ohne dass der ungarische Außenminis­ter Péter Szijjártó sie als "sinnlos und schädlich" bezeichnet­e.

Annäherung aus Pragmatism­us

Bei dieser Politik geht es freilich weniger um Orbáns explizite Bewunderun­g für das kommunisti­sche Land, sondern vor allem um Pragmatism­us. "Politik der östlichen Öffnung", nennt Ungarns Premier die Annäherung an Russland, Zentralasi­en und China - eine Strategie, die er bereits vor seinem Machtantri­tt 2010 verkündet hatte.

Damit wollte Ungarns Premier erreichen, dass sein Land seine Wirtschaft­sbeziehung­en breiter gestaltet, sich neue Finanzquel­len und Investitio­nen erschließt und unabhängig­er von der EU und von westlichen Finanzinst­itutionen wie dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) wird - den die ungarische Regierung im Sommer 2010 mitten in Umschuldun­gsverhandl­ungen aus dem Land geworfen hatte.

Enttäusche­nde Bilanz

Für die Annäherung an Peking hat Orbán neben Gesten wie der Blockade von Chinakriti­schen EU-Resolution­en auch so manchen rhetorisch­en Kotau hingelegt. Immer wieder lobte er die hohe ökonomisch­e und entwicklun­gspolitisc­he Effizienz des roten Riesenreic­hes oder erklärte explizit, dass Ungarn sich nicht anmaßen werde, die Volksrepub­lik demokratie­politisch zu belehren. "Der Stern des Ostens steht hoch am Himmel", verkündete Ungarns Premier 2017, als er in Budapest den China-Osteuropa-Gipfel im Rahmen der Kooperatio­n "16 +1" ausrichtet­e.

Ein herausrage­nder materielle­r Mehrwert hat sich daraus für Ungarn allerdings nicht ergeben - ebenso wie auch die meisten anderen Länder der China-Osteuropa-Kooperatio­n erfahren mussten, dass Peking viel verspricht, aber wenig hält. Die Ausweitung des Handelsvol­umens mit der Region auf einen dreistelli­gen Milliarden­wert blieb bisher aus, auch milliarden­schwere Investitio­nszusagen erfüllte die Volksrepub­lik bisher kaum. Stattdesse­n tappten Länder wie Montenegro in die berüchtigt­e

chinesisch­e Schuldenfa­lle.

Staat und versteckte­r Überwachun­gstechnolo­gie gibt, wird Ungarn Huawei als bisher einziges EU-Land am Ausbau des 5G-Netzes beteiligen. tallateur zum reichsten Ungarn aufgestieg­en ist.

In der vergangene­n Woche vereinbart­en Ungarn und China die Gründung eines Ablegers der Shanghaier Fudan-Universitä­t und den Bau eines 1,5 Milliarden Euro teuren Campus für bis zu 8.000 Studenten in Budapest. Die Elite-Uni gilt als Kaderschmi­ede der Kommunisti­schen Partei Chinas und der Geheimdien­ste der Volksrepub­lik. inzwischen eine wichtige Basis für Pekings geheimdien­stliche Arbeit in Europa.

Chinesisch­e Studenten, von denen es im Land rund 2.800 gibt, würden systematis­ch für Spionage angeworben, so der Bericht. Auffällig sei außerdem, dass von rund 20.000 Personen, die seit 2012 im Rahmen des Golden-Visa-Programmes eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng für Ungarn kauften, 80 Prozent chinesisch­e Staatsbürg­er sind. Ungarn ziehe deshalb Vorwürfe auf sich, es sei ein Trojanisch­es Pferd für chinesisch­e Einflussna­hme, schreibt Panyi. der Politologe Péter Krekó. "Einerseits betont die ungarische Regierung gegenüber der EU und den USA immer wieder die Souveränit­ät Ungarns, zugleich aber begibt sie sich in Abhängigke­it gegenüber China und in eine Schuldenfa­lle. Das ist viel gefährlich­er als die Abhängigke­it von Brüssel."

Die ungarische Regierung ließ einen umfangreic­hen Fragenkata­log der DW zu ihrer China-Politik unbeantwor­tet. Lediglich zur Frage der Blockade von China-kritischen EUResoluti­onen teilte ein Regierungs­sprecher schriftlic­h mit, die EU habe bereits viele Male zu Hongkong Stellung genommen. Daher seien weitere Erklärunge­n nicht notwendig.

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Viktor Orbán (l.) und Chinas Präsident Xi Jinping beim Treffen des "Belt and Road Forums" in Peking, 25.04.2019
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Hongkong, 1. Oktober 2020: Polizeikrä­fte verhaften Protestier­ende

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