Deutsche Welle (German edition)
Fallen die Impfstoff-Patente? Das Für und Wider.
Der US-Vorstoß hat Bewegung in eine existenzielle Debatte gebracht: Soll der Patentschutz für Corona-Impfstoffe ausgesetzt werden? Die Argumente von Gegnern und Befürwortern sind bekannt - aber wer setzt sich durch?
Es ist kaum 24 Stunden her, dass sich die Handelsbeauftragte der Regierung von US-Präsident Biden plötzlich mit demonstrativer Entschiedenheit für eine Aussetzung des Patentschutzes bei Corona-Impfstoffen eingesetzt hat. Die Kehrtwende der USA setzte unmittelbar die Aktien von Impfstoffherstellern unter Druck. Die Papiere von BioNTech verloren am Donnerstag in Frankfurt gut zwölf Prozent, die Titel von CureVac büßten mehr als zehn Prozent ein.
Die Weltgesundheitsorganisation ( WHO) begrüßte den Vorstoß der US-Regierung als "historische Entscheidung". Auch die bisher sehr zögerliche EU zeigt sich nun offen für Gespräche über eine vorübergehende Aussetzung des Patentschutzes. Seit der Kehrtwende der USA wird das Für und Wider heftiger denn je diskutiert - mit den alten Argumenten, aber neuer Dringlichkeit.
Indien und Südafrika hatten den Vorstoß bei der Welthandelsorganisation in Genf vorangetrieben, Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Hilfsorganisationen weltweit sind dafür, viele Vertreter der Pharmaindustrie wenden sich vehement dagegen.
Im Kern geht es um die Frage: Nützt eine Freigabe der Impfpatente wirklich zügig bei der Bekämpfung der CoronaPandemie - oder behindert sie womöglich Entwicklung und Produktion der für die Menschheit überlebenswichtigen Impfstoffe?
"Viele der großen Impfstoffhersteller sind in Entwicklungsländern ansässig. Alle Produktionskapazitäten, die es gibt, sollten genutzt werden", sagte Ellen 't Hoen unlängst der DW. Sie ist Direktorin von Medicines Law & Policy, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für einen besseren Zugang zu Medikamenten einsetzt. "Und das erfordert die Weitergabe von Know-how und Technologie durch diejenigen, die es in der Hand haben."
Die Befürworter einer Ausnahmeregelung wie Ellen 't Hoen, zu denen Dutzende der weniger entwickelten Länder und NGOS gehören, sagen, die Regeln der WTO für geistiges Eigentum stellten ein Hindernis für die dringende Ausweitung der Produktion von Impfstoffen in armen Ländern dar.
Die Aussetzung des Patentschutzes "würden das Angebot kurzfristig um keine einzige Dosis erhöhen", setzte Thomas Cueni bei DW dagegen. "Weil sie die Komplexität der
Impfstoffherstellung übersehen und das Ausmaß ignorieren, in dem Impfstoffhersteller und Ph a r mau n t er n ehmen u n d Entwicklungsländer bereits zusammenarbeiten, um die Impfkapazitäten zu erhöhen." Cueni ist Generaldirektor des Internationalen Dachverbands der PharmafirmenIFPMA.
Dem pflichtete auch Han Steutel bei, der Chef des deutschen Verbandes forschender Arzneimittelhersteller: "Zwangslizenzen helfen nicht", sagte er am Donnerstag im ZDF-Fernsehen. Man wisse in Deutschland sehr genau, wie lange es dauere, bis neue Impfstoffe sicher hergestellt werden können. So habe BioNTech zwar schon im September ein bestehendes Werk in Marburg gekauft. "Und dann hat es noch fast acht Monate gedauert, bevor die jetzt produzieren können. Das Personal muss geschult werden, es müssen extra Bio-Reaktoren kommen und so weiter."
"Profit sollte nicht im Fokus stehen", sagt dagegen Elisabeth Massute, von Ärzte ohne Grenzen, ebenfalls im ZDF. Es sei ja nicht so, dass Produktionskapazitäten außerhalb von reicheren Ländern fehlten. "Es gibt sie. Es war in der Vergangenheit aber so, dass Hersteller selbst in Kanada versucht haben, Lizenzen zu bekommen von produzierenden Herstellern. Sie haben keine bekommen."
Der Verband der Pharamafirmen macht hingegen seit jeher geltend, dass die Firmen nur durch einen Patentschutz, der später Einnahmen garantiert, genügend Anreiz hätten, in Forschung zu investieren. Und gerade weil ihre Patente geschützt seien, hätten Impfstoffhersteller bereits mehr als 200 TechnologietransferAbkommen abgeschlossen, um mit Partnern in ärmeren Ländern mehr Impfstoffe bereitstellen zu können.
Das Problem seien vielmehr Handelsbarrieren sowie Mangel an Rohstoffen und Bestandteilen, die für die Herstellung der Impfstoffe nötig seien. Ähnlich hatte noch Ende April die EU-Kommission ihre ablehnende Haltung begründet: "Die Probleme des Zugangs