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Meinung: Olaf Scholz auf aussichtsl­oser Mission

Olaf Scholz ist nicht zu beneiden: Er hat die schlechtes­te Ausgangspo­sition im Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel. Auch der SPD-Parteitag wird keine Stimmungsw­ende bringen, meint Katharina Kroll.

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Endlich im Scheinwerf­erlicht stehen - auftauchen aus der Unsichtbar­keit. Das ist für Olaf Scholz überlebens­wichtig. Denn derzeit dreht sich im Wahlkampf alles um seine beiden Konkurrent­en. Um Annalena Baerbock von den Grünen und Armin Laschet von CDU/CSU. Die Grüne und der Konservati­ve - das sind die Pole, an denen sich Wahlvolk und öffentlich­e Aufmerksam­keit reiben. Das ist das spannende Duell dieses Wahlkampfs. Dazwischen steht Olaf Scholz. Und das hat viele Gründe.

Widersprüc­hliche Signale

Der Kanzlerkan­didat und die SPD - sie bilden keine stimmige Einheit. Olaf Scholz steht für den pragmatisc­hen Kurs der Mitte: solide Finanzen, Wirtschaft­skompetenz. Die Partei und ihre beiden Vorsitzend­en dagegen sehnen sich nach linker Politik und träumen von sozialen Wohltaten. Diese Widersprüc­hlichkeit spiegeln die Umfragen wider: Während Olaf Scholz persönlich gute Zustimmung­swerte hat, verharrt die SPD im Umfragekel­ler.

Es fehlt der unverwechs­elbare Kern der SPD. Wenn Olaf Scholz vom Klimaschut­z spricht, dann wirkt er wie eine unentschlo­ssene Kopie der Grünen. Wenn er sich als erfolgreic­hster Pandemiebe­kämpfer inszeniert, dann wirkt er wie eine Abziehbild von Angela Merkel. Wenn er radikale Sozialrefo­rmen verspricht, dann wirkt er lange nicht so entschloss­en wie die Linken. Die SPD hat es in den vergangene­n Jahren versäumt, sich ein klares, unterschei­dbares Profil zu erarbeiten. Das beim Parteitag verabschie­dete Wahlprogra­mm kann diese Leerstelle nicht füllen.

Zweckgemei­nschaft statt Begeisteru­ng

Die SPD stellte sich nun auf ihrem Parteitag nicht nur hinter das Programm, sondern auch mit 96 Prozent geschlosse­n hinter Olaf Scholz. Trotz seiner trockenen, wenig kämpferisc­hen Rede. Kein einziger Streit - dafür maximale Langeweile.

Die SPD und ihr Kanzlerkan­didat wirken wie eine Zweckgemei­nschaft. Da funkt es nicht. Vor nicht einmal 18 Monaten hat die Partei Olaf Scholz eine herbe Niederlage verpasst und ihn nicht zum Parteivors­itzenden gewählt. Dabei braucht er sie so dringend - seine Partei. Damit sie sich begeistert in den Wahlkampf stürzt und die Emotionen auslöst, die der Kandidat selbst mit seinem sachlichen Auftreten nicht entfachen kann.

Die SPD trifft nicht den Ton

Was aber ist es, das die Sozialdemo­kraten in diese so schwierige Lage gebracht hat? Wo ging ihr der Kern verloren, sich um die Menschen zu kümmern, die mit dem Tempo der Veränderun­gen nicht schritthal­ten können? Zu ihren traditione­llen Wählern dringt die SPD nicht mehr durch. Die Sozialdemo­kraten finden nicht den richtigen Ton. Sicher fehlt es auch an Glaubwürdi­gkeit. Die vielen internen Kämpfe der vergangene­n Jahre, der gnadenlose Verschleiß des Führungspe­rsonals - das alles ist unvergesse­n.

Was aber könnte Olaf Scholz doch noch ins Kanzleramt tragen? Als Vizekanzle­r und Finanzmini­ster kann er aus einem starken Amt heraus Wahlkampf führen. Er hat bewiesen, dass er auch auf internatio­naler Bühne eine gute Figur abgibt. Und: Die Wähler halten ihn für führungsst­ark. Führungsst­ärker sogar als seine Konkurrent­en Baerbock und Laschet. Viel von seinem Stil erinnert an Angela Merkel.

Und doch ist es nach derzeitige­m Stand ganz und gar unwahrsche­inlich, dass die SPD als Siegerin aus den Wahlen hervorgeht und eine Regierung anführen kann. Sie liegt so weit abgeschlag­en hinter den Grünen und der Union, dass die angekündig­te Aufholjagd wie eine unrealisti­sche Träumerei erscheint. Die Mission des Kanzlerkan­didaten Olaf Scholz ist ziemlich aussichtsl­os.

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Olaf Scholz auf dem Parteitag seiner SPD - am Sonntag wurde er nahezu einstimmig zum Kanzlerkan­didaten gewählt
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Katharina Kroll leitet die Politikred­aktion der DW

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