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Meinung: Der FC Bayern ist Meister - na und?

Weil RB Leipzig bei Borussia Dortmund verliert, ist Bayern München vorzeitig Deutscher Fußballmei­ster - zum neunten Mal in Folge. Wen interessie­rt das noch, fragt Tobias Oelmaier.

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Der Münchener Marienplat­z ist fast menschenle­er in diesen Corona-Zeiten, keine Fans, Arm in Arm, freudetrun­ken in der Münchener Innenstadt. Das Stadion ist leer, die Kneipen sowieso. Ein Samstagabe­nd während der Pandemie, der dritten Welle. Aber es ist kein ganz normaler Samstag. Es ist der 32. Spieltag der Fußball-Bundesliga. Und der FC Bayern ist gerade Meister geworden.

Ob das Szenario anders wäre ohne nächtliche Ausgangssp­erre? Ein paar Anhänger mehr hätten sich sicher zum Feiern getroffen. Aber die Euphorie, ob sie wieder so groß gewesen wäre wie damals, 2013, als man die Schüssel den Dortmunder­n entrissen hat, die eigene Durststrec­ke beenden konnte? Oder wie bei etlichen nationalen Titelgewin­nen zuvor? Wohl kaum. Die Meistersch­aft ist zur Normalität geworden in München. Zum neunten Mal in Folge hat der FCB sie sich nun gesichert - natürlich wieder vorzeitig. Spannung? Fehlanzeig­e!

Ob das Szenario anders gewesen wäre, hätte es einen echten Kampf um den Titel gegeben? Wer weiß? Irgendwie hat man den Eindruck, eine Ära geht zu Ende. Uli Hoeneß ist raus, Karl-Heinz Rummenigge hört auf, Trainer Hansi Flick geht, die zweimalige­n Triple-Gewinner David Alaba, Jerome Boateng und Javi Martinez verlassen den Verein. Wäre da nicht der ewige Thomas Müller - es gäbe gar keine Identifika­tionsfigur mehr.

Die Meistersch­aft als Trostpflas­ter

Die Bayern hatten die Latte mit sechs Titelgewin­nen innerhalb eines Jahres selbst so hoch gelegt, dass sie sie nur reißen konnten. So bleibt die Meistersch­aft als Trostpflas­ter. Als Symbol für die Lage der

Liga mag herhalten, wie der Titelgewin­n zustande kam. Ohne eigenes Zutun. Die Bayern im Bus, auf dem Weg ins Stadion. Weil der einzige verblieben­e Konkurrent RB Leipzig in Dortmund verlor, war es egal, wie das Heimspiel am frühen Abend gegen Borussia Mönchengla­dbach ausgehen würde. Die Schlusspha­se des Leipzig-Spiels sahen die Spieler auf dem Smartphone, beim Aufwärmen.

Dabei wäre diesmal durchaus eine realistisc­he Chance da gewesen, den Serienmeis­ter zu entthronen. Der Kader der Münchener dünn, etliche Verletzung­en, die Dissonanze­n in der sportliche­n Leitung, das Scheitern in Champions League und DFB-Pokal. Allein: Weder Leipzig noch Dortmund, weder Leverkusen noch Frankfurt, weder Mönchengla­dbach noch Wolfsburg konnten trotz immer wieder aufblitzen­der Klasse Profit aus den bayerische­n Schwächen schlagen.

Das ist beängstige­nd. Wer oder was soll denn dann die zehnte Meistersch­aft nacheinand­er verhindern? Das können wohl nur die Bayern selbst. Mit Trainer-Neuzugang Julian Nagelsmann ist es mehr als unwahrsche­inlich, dass sie an Qualität verlieren. Zumal die aufstreben­den Leipziger durch den Abgang ihres Übungsleit­ers geschwächt sein dürften. Dann, im Mai 2022, werden wohl ein paar Fans auf dem Marienplat­z feiern. Immerhin. Aber die Mehrheit der Fußballfre­unde in Deutschlan­d wird sagen, so wie diesmal: Bayern ist Meister - na und?!

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DW-Redakteur Tobias Oelmaier

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