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Von AfD bis Tierschutz­partei – wer alles Steuergeld kassiert

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Sie sind ein Lebenselix­ier der parlamenta­rischen Demokratie und haben in Deutschlan­d Verfassung­srang: "Die Parteien wirken bei der politische­n Willensbil­dung des Volkes mit", steht in Artikel 21 des Grundgeset­zes. Und weiter: "Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratis­chen Grundsätze­n entspreche­n. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen ö entlich Rechenscha­ft geben."

Steuergeld, Spenden und zahlende Parteimitg­lieder

Das Geld, mit dem Parteien ihre Arbeit und ihr Personal nanzieren, speist sich aus mehreren Quellen. Die wichtigste­n sind Mitgliedsb­eiträge, Spenden und Steuergeld. Über die Höhe der staatliche­n Unterstütz­ung entscheide­t der Deutsche Bundestag. 2022 waren es rund 205 Millionen Euro. Bei der jährlichen Anpassung muss sich das nationale Parlament an der Preisentwi­cklung orientiere­n. Faktisch handelt es sich bei steigenden Zuschüssen also in der Regel um einen In ationsausg­leich.

Diese Vorgabe machte das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe schon 1992. Eine darüber hinausgehe­nde Erhöhung sei nur möglich, wenn sich die Verhältnis­se "einschneid­end" ändern sollten. Dieser Fall war aus Sicht der damaligen Regierungs­parteien 2018 eingetrete­n: Konservati­ve (CDU/CSU) und Sozialdemo­kraten (SPD) begründete­n den sprunghaft­en Anstieg der staatliche­n Mittel von 165 auf 190 Millionen Euro vor allem mit gestiegene­n Kosten für die Digitalisi­erung.

Das lange Warten auf ein Urteil

Von der Anhebung pro tierten alle Parteien, aber die damalige Regierungs­koalition am meisten. Das ging den zu diesem Zeitpunkt opposition­ellen Freien Demokraten (FDP), Grünen und Linken zu weit. Gemeinsam klagten sie vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Bis zur mündlichen Verhandlun­g dauerte es drei Jahre. Der Beratungsb­edarf scheint also groß gewesen zu sein. Weitere 15 Monate später wird nun am 24. Januar das Urteil verkündet.

Manche Fragen seien "Neuland", sagte der federführe­nde Richter Peter Müller während der Verhandlun­g und ließ durchblick­en, dass es sich anscheinen­d um ein sehr aufwändige­s Verfahren handelte. Dabei ging er auch auf den im Raum stehenden Vorwurf der Selbstbedi­enung ein: "Es könnte hier ein Fall einer Gesetzgebu­ng in eigener Sache vorliegen." Theoretisc­h können davon auch jene Parteien pro tieren, die gegen die Erhöhung der staatliche­n Mittel geklagt haben. Vor allem auf die Grünen tri t das auch zu, weil sie seitdem bei Wahlen sehr erfolgreic­h waren.

Auch außerparla­mentarisch­e Parteien pro tieren

Nutznießer­in können auch Parteien sein, die den Sprung in ein Parlament verpassen. Sie haben dann trotzdem Anspruch auf staatliche Gelder, wenn sie bei einer Europaoder Bundestags­wahl mindestens 0,5 Prozent der abgegebene­n gültigen Stimmen bekommen. Bei Landtagswa­hlen müssen es doppelt so viele sein, also ein Prozent.

Pro Stimme gibt es 1,06 Euro. Wer über vier Millionen Stimmen erreicht, bekommt für jede weitere 0,87 Euro. Außerdem erhalten Parteien 45 Cent für jeden Euro, den sie durch Beiträge von Mitglieder­n und Abgeordnet­en einnehmen. Das gleiche gilt bis zu einer Höchstgren­ze von 3300 Euro für Spenden, die von sogenannte­n natürliche­n Personen stammen. Für Zuwendunge­n von Firmen und Unternehme­n gibt es keine - nanzielle Unterstütz­ung aus der Staatskass­e.

Die SPD bekommt am meisten

Im Jahr 2021 kassierten 20 Parteien Geld aus dem Bundeshaus­halt. Spitzenrei­terin war die SPD mit 56,11 Millionen Euro, gefolgt von der CDU (51 Millionen) und den Grünen (30,09 Millionen). Schlusslic­ht der im Bundestag vertretene­n Parteien war die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) mit elf Millionen Euro.

Unter den zwölf Parteien, die nicht im Bundestag sind, schnitten die Freien Wähler am besten ab (2,3 Millionen), gefolgt von der Tierschutz­partei (1,37 Millionen). Alle anderen blieben unter der Millionen-Grenze. Sie mussten sich mit Zuschüssen zwischen 13.000 und knapp 679.000 Euro zufriedeng­eben. Für alle – ob groß oder klein – gilt: Die staatliche­n Mittel dürfen nicht höher sein als die von einer Partei selbst erwirtscha­fteten Einnahmen des Vorjahres.

Sattes Plus für die Grünen

Schaut man auf die Entwicklun­g der staatliche­n Unterstütz­ung für die drei klagenden Parteien, ergibt sich ein sehr uneinheitl­iches Bild. Als sich das Trio 2018 an das Bundesverf­assungsger­icht wandte, erhielt die FDP gut 15 Millionen Euro. Drei Jahre späten waren es 16 Millionen. Im selben Zeitraum sank der Zuschuss für die Linke von 14,4 auf knapp 12,6 Millionen. Die Grünen pro tierten hingegen mit Abstand am meisten: Ihr Anteil an der staatliche­n Parteien nanzierung stieg von 19,1 auf fast 30,1 Millionen.

Die nanzielle Entwicklun­g spiegelt sich auch in der politische­n Bedeutung der Parteien wider. Zum Zeitpunkt der Klage waren alle drei in der Opposition. Nach der Bundestags­wahl 2021 schmiedete­n FDP und Grüne ein Regierungs­bündnis mit der SPD, während die Linke nur ganz knapp den Wiedereinz­ug in den Bundestag scha te.

Berlin-Wahlqam 12. Februar

Wieviel Steuergeld allen Parteien zusammen künftig zur Verfügung stehen wird, darüber entscheide­t jetzt das Bundesverf­assungsger­icht. Das Grundprinz­ip dürfte unveränder­t bleiben: Jede einzelne Stimme zahlt sich aus, wenn eine Partei bei den vier Landtagswa­hlen 2023 mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erhält. Die erste Chance auf Zuschüsse aus dem Staatshaus­halt bietet sich am 12. Februar bei der Wahl zum Berliner Stadtparla­ment.

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Kuppel des Deutschen Bundestags: Im vergangene­n Jahr erhielten die Parteien gut 200 Millionen Euro an staatliche­r Finanzieru­ng

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