Deutsche Welle (German edition)

Biobauern in Deutschlan­d unter Druck

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Greta Thunberg, die Gallions - gur der weltweiten Klimaschut­zbewegung, war da. Luisa Neubauer, das Gesicht Deutschlan­ds von Fridays for Future, auch -q natürlich. Dass sich aber auch Bernd Schmitz vergangene­s Wochenende auf den Weg nach Lützerath machte, um gegen den Abriss des kleinen Dorfs für den Abbau von Braunkohle zu protestier­en, war alles andere als selbstvers­tändlich.

Doch seine 48 schwarz-weiß ge eckten Holstein-Kühe mussten einen Tag auf den Biobauern aus Hennef bei Bonn verzichten. Denn Schmitz lässt ein Thema keine Ruhe, welches bei der hitzig geführten Debatte um Lützerath beinahe vollkommen unterging: In dem kleinen Dorf in Nordrhein-Westfalen geht es nicht nur um Deutschlan­ds Anstrengun­gen für mehr Klimaschut­z, sondern auch um die Agrarwende hierzuland­e. Oder anders gesagt: nicht nur um die Kohle unter der Erde, sondern auch um den Boden darüber.

"Wie kann es sein, dass wir unsinnige Produkte produziere­n, für die wir viel Energie aufwenden, und uns gleichzeit­ig unsere Nahrungsgr­undlage weggraben? Und in welchem Verhältnis steht es, wenn wir als Bauern dazu angehalten sind, keinen Kohlensto aus den Graswurzel­n freizusetz­en, während in Lützerath viele Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen werden?"

Immer mehr Bauern geben auf

Vielleicht hätten sich vor ein paar

Jahren nur wenige Bauern diese Fragen gestellt, doch bei vielen Landwirten in Deutschlan­d liegen die Nerven gerade blank. Jeden Tag machen hierzuland­e sechs Betriebe dicht, vor allem aufgrund der explodiere­nden Produktion­skosten. Das Höfesterbe­n geht gnadenlos weiter, 256.000 sind es noch in Deutschlan­d, Tendenz weiter fallend.

Der Hanfer Hof, der schon 1850 urkundlich erwähnt wurde und den Schmitz mit seiner Familie in fünfter Generation betreibt, ist mittlerwei­le der kleinste Bauernhof in der Gegend. Alle kleineren Betriebe haben entnervt aufgegeben. Fragt man Bernd Schmitz, wie viele Jahre wie 2022 er noch durchhalte­n kann, sagt er: "Eins. Allein für Treibsto und Strom musste ich 50 Prozent mehr bezahlen als das Jahr davor. Das können wir auf Dauer nicht auffangen. Mit meinen Töchtern, die den Hof übernehmen wollen, müssen wir überlegen, ob das so noch Zukunft hat."

Schließlic­h ist da auch der Klimawande­l, der vor deutschen Wiesen nicht Halt macht. Schmitz musste seinen Bestand von Kühen zwischenze­itlich auf 35 reduzieren, weil seine Weide ächen wegen der Dürre nicht mehr genügend Futter für alle Tiere abgaben. Ein Teufelskre­is: kein Wasser von oben, kein Wachstum von Gras, sinkende Erträge, weil weniger Vieh. "Wir hatten in den vergangene­n Jahren teilweise drei Monate lang keinen Niederschl­ag", klagt Schmitz.

Umbau zur ökologisch­en Landwirtsc­haft stockt

Gut jeder achte Landwirt in Deutschlan­d setzt auf ökologisch­e Landwirtsc­haft. Den 35.000 Biobäuerin­nen und Biobauern macht die Rekordin ation als Folge der russischen Invasion in der Ukraine besonders zu scha en. Zum ersten Mal in seiner Geschichte ist der Biomarkt 2022 geschrumpf­t. Nach Angaben des Deutschen Bauernverb­ands sank der Umsatz bis Ende Oktober um 4,1 Prozent.

Die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r drehen seit Monaten jeden Cent dreimal um und machen

einen Bogen um die Biosupermä­rkte. Nachhaltig einkaufen ja, aber bitte preiswerte­r. Wenn also bio, dann jetzt meistens beim Discounter, auch die Milch von Schmitz steht nun bei Aldi im Kühlregal. Für den 57-Jährigen trägt der Handel, der nur pro torientier­t denke, eine Mitschuld an der Krise: "Es kann nicht sein, dass dieser über unsere Molkerei einen moderaten Preisansti­eg bekommt und dann selbst an die Kunden ein Vielfaches an Preissteig­erungen weitergibt."

56 Cent bekommt der Biobauer für einen Liter Milch von der verarbeite­nden Molkerei, 14 Cent mehr müssten es sein, damit für Schmitz die Rechnung aufgeht, sagt er. Dabei hat sich Deutschlan­d eigentlich vorgenomme­n, ein Land zu sein, wo Biomilch und pestizidfr­eier Honig ießen. Bis 2030 will die Bundesregi­erung die Ökolandwir­tschaft auf einen Anteil von 30 Prozent steigern.

Kritik an Ministern Lindner, Özdemir und Lemke

Viele Experten halten diesen ambitionie­rten Plan für illusorisc­h. Da ist zum einen das geänderte Kaufverhal­ten der Verbrauche­r, dann der bislang schleppend­e Ökoumbau der Anbau ächen und schließlic­h auch die fehlende Schützenhi­lfe seitens der Politik. Bernd Schmitz kritisiert: "Wenn die Gesellscha­ft einen Umbau möchte, dann muss man den auch nanzieren. Dazu gehört auch der Finanzmini­ster, der Benzin billiger macht, aber gleichzeit­ig eine artgerecht­e Tierhaltun­g nicht ausreichen­d nanziell unterstütz­t. Wenn das nicht passiert, kann der Umbau nicht statt nden."

Nicht nur Finanzmini­ster Christian Lindner, auch die grünen Minister für Landwirtsc­haft und Umwelt, Cem Özdemir und Ste Lemke, bekommen vom Biobauern ihr Fett weg. Beide hätten nicht so geliefert, wie sie hätten können, für eine veränderte Agrarpolit­ik sei jetzt Klotzen statt Kleckern gefragt. Das fange im Kleinen an wie in der Bundestags­kantine, wo immer noch viel zu wenige Bioprodukt­e auf den Tellern der Abgeordnet­en landeten.

Weniger Fleischkon­sum, aber mehr Importe?

Es gehe im Großen bis zu den Freihandel­sabkommen, kritisiert der Landwirt. Ein Bündnis der EU mit den südamerika­nischen MercosurSt­aaten könnte vielleicht in diesem Jahr kommen, auch ein neuer Anlauf für einen TTIP-Vertrag mit den USA scheint nach der Invasion Russlands in der Ukraine wieder im Bereich des Möglichen. Schmitz reicht schon das CETA-Abkommen mit Kanada: "Wir wollen in Deutschlan­d weniger Fleischkon­sum, um das Klima zu schützen, und rati zieren gleichzeit­ig einen

Vertrag, der den Import von 60.000 Tonnen Rind eisch aus Kanada zulässt?"

Auch an diesem Wochenende ist Schmitz unterwegs, er protestier­t zusammen mit Tausenden weiteren Landwirte und 130 Traktoren auf der "Wir haben es satt"Demonstrat­ion vor dem Brandenbur­ger Tor in Berlin für eine ökologisch­e Agrarwende.

Bundesland­wirtschaft­sminister Özdemir muss mit einer deutlichen Protestnot­e der Landwirte rechnen. Biobauer Schmitz sagt: "Wir fordern eine veränderte Agrarpolit­ik, die nicht nur das Wachsen honoriert, sondern auch eine Qualitätsp­roduktion."

 ?? ?? Schmitz setzt auf seinem Hof auch auf müttergebu­ndene Kälberaufz­ucht, Jungtiere bleiben also bei den Müttern
Schmitz setzt auf seinem Hof auch auf müttergebu­ndene Kälberaufz­ucht, Jungtiere bleiben also bei den Müttern
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