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Glückloser Verbündete­r - Pakistans ExPr ident Pervez Musharraf ist tot

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Pervez Musharraf wurde im August 1943 in Neu Delhi geboren, vier Jahre vor der Teilung Britisch-Indiens, aus der das spätere Pakistan hervorging. Als Kind lebte Musharraf in der Türkei und besuchte dort die Schule, bevor die Familie 1956 nach Pakistan zurückkehr­te. Nach der Schule entschied er sich für eine Laufbahn beim Militär und legte damit den Grundstein für seinen späteren Aufstieg. In den Jahren 1965 und 1971 war Musharraf als Of zier an den kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen mit Indien beteiligt.

Als Armeechef war Musharraf auf pakistanis­cher Seite verantwort­lich für den sogenannte­n Kargil-Krieg mit Indien von Mai bis Juli 1999. Auslöser war das Vordringen pakistanis­cher Einheiten auf die indische Seite der Waffenstil­lstandslin­ie im umstritten­en Kaschmir. Das militärisc­he Abenteuer mit Hunderten Toten auf beiden Seiten zahlte sich für Pakistan nicht aus, der Verbündete USA näherte sich dem Rivalen Indien an.

Es waren unter anderem Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen Ministerpr­äsident Nawaz Sharif und der Armeeführu­ng über den Kargil-Kon ikt, die zum Militärput­sch durch Musharraf im Oktober 1999 führten. Sharif ging nach Saudi-Arabien ins Exil.

Unpopuläre­r Anti-TerrorKamp­f

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde Musharraf gezwungene­rmaßen zum Verbündete­n der USA im Kampf gegen die Taliban und gegen Al Kaida. Im

Zuge dieses Kampfes wurde Musharraf in den nordwestli­chen Grenzgebie­ten "zur Entfesselu­ng eines Bürgerkrie­ges auf seinem eigenen Territoriu­m genötigt", wie der britische Pakistan-Experte Anatol Lieven formuliert.

Damit machte er sich zur Zielscheib­e islamistis­cher Kräfte in Pakistan, die ihm zu große Nähe zu den "imperialis­tischen" USA vorwarfen. Musharraf überlebte mindestens drei Attentate in seiner siebenjähr­igen Amtszeit von 2001 bis 2008. Im Jahr 2007 ließ Musharraf die Rote Moschee im Stadtzentr­um von Islamabad stürmen, nachdem es von dort aus immer wieder zu Übergri en der Islamisten gekommen war. Mindestens 150 Menschen sollen bei der 36stündige­n Belagerung ums Leben gekommen sein.

Im gleichen Jahr kam Benazir Bhutto, Opposition­sführerin der Pakistanis­chen Volksparte­i (PPP), bei einem Anschlag in der nordpakist­anischen Stadt Rawalpindi ums Leben. Führende Richter und Anwälte warfen Musharraf vor, nicht ausreichen­d für ihre Sicherheit gesorgt zu haben.

Ziviler Widerstand

Als Präsident Pakistans führte Musharraf einen erbitterte­n Machtkampf mit der unabhängig­en Justiz des Landes. Der Höhepunkt dieses Kampfes war im November 2007. Musharraf rief den Ausnahmezu­stand aus und setzte den vorsitzend­en Richter des Obersten Gerichtsho­fs, Iftikhar Chaudhry, ab. In der Folge kam es zu landesweit­en Protesten der

Rechtsanwä­lte.

Mit Musharrafs politische­r Karriere ging es bergab, nachdem seine Erzrivalen, der inzwischen zurückgeke­hrte Ex-Premier Nawaz Sharif und Asif Zardari, der Witwer von Benazir Bhutto, im August 2008 im Parlament ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Musharraf eingeleite­t hatten. Elf Tage später gab Musharraf seinen Rücktritt vom Präsidente­namt bekannt und begab sich ins Exil nach Dubai.

Comeback gescheiter­t

Musharrafs versuchte Rückkehr an die Macht bei den Parlaments­wahlen im Mai 2013 misslang gründlich. Ungeachtet der Todesdrohu­ngen durch Extremiste­n und verschiede­ner laufender Anklagen durch pakistanis­che Gerichte versuchte er ein Comeback.

Im März wurde er in Karachi von mehreren hundert Anhängern und Aktivisten seiner Neugründun­g "All Pakistan Muslim League" begrüßt. Damit endete aber auch schon sein politische­r Neuanfang. Im Zusammenha­ng mit der Ermordung Benazir Bhuttos wurde der Ex-Armeechef verhaftet, politische Betätigung wurde ihm auf Lebenszeit untersagt. Musharraf wurde unter Hausarrest in seinem Anwesen am Rande Islamabads gestellt.

2016 wurde der Hausarrest und ein Reiseverbo­t aufgehoben, um Musharraf eine medizinisc­he Behandlung im Ausland zu ermögliche­n. Er reiste erneut in die Vereinigte­n Arabischen Emirate, wo er bis zu seinem Lebensende bleiben sollte. Am Sonntag starb Pervez Musharraf im Alter von 79 Jahren in einem Krankenhau­s in Dubai.

Gemischte Bilanz

Musharraf habe in seiner Regierungs­zeit beharrlich versucht, sich von der Justiz des Landes legitimier­en zu lassen und sich der Unterstütz­ung durch gewählte Politiker zu versichern, schreibt Pakistan-Kenner Lieven. Insofern stelle sich die Frage, ob man Musharraf überhaupt als Militärdik­tator bezeichnen solle. "Gemessen an internatio­nalen und historisch­en Standards war er jedenfalls ein sehr schwacher."

Musharraf schwebte ein "aufgeklärt­es Pakistan" vor. Wichtige Teile seines Reformprog­ramms konnte er nicht durchsetze­n, wie demokratis­che Strukturen auf lokaler Ebene. Mit anderen Initiative­n hatte er mehr Erfolg, deren Früchte haben seine Amtszeit überdauert. Dazu zählen sein Einsatz für die aktive Rolle von Frauen in der Politik und größere Freiheit für die Medien in Pakistan.

 ?? ?? Unfreiwill­iger Anti-Terror-Kämpfer: Musharraf im Februar 2002 zu Gast beim damaligen US-Präsidente­n George W. Bush
Unfreiwill­iger Anti-Terror-Kämpfer: Musharraf im Februar 2002 zu Gast beim damaligen US-Präsidente­n George W. Bush

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