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Ukraine: Kiew plant schon mit westlichen Kampfjets

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In der Ukraine sind Militärana­lysten überzeugt, dass das Land schon in wenigen Monaten über westliche Maschinenq verfügen wird.q"Das Thema Kampfjets ist auf der Tagesordnu­ng, und ich denke, die Lösung steht in den nächsten Monaten an", sagt der in Kiew bekannte

Militärana­lyst Taras Chmut im DW-Gespräch. Schon "in der zweiten Jahreshälf­te, Richtung Jahresende, könnten sie vielleicht in der Ukraine sein".

Er gehe zu "99,8 Prozent" davon aus, dass "die politische Entscheidu­ng" schon getro en sei.

Die praktische Umsetzung des Kampfjet-Plans liege für ihn schon jetzt "bei 70 Prozent": Also die Klärung von Fragen des Trainings ukrainisch­er Piloten und Bodenperso­nal. Er ist überzeugt, dass die ukrainisch­en Militärs sich zügig an das "Überdenken der Einsatztak­tik" machten, um eine moderne Kampfjet-Flotte in ihre Planungen zu integriere­n.

Diskussion zur Verwirrung des Kreml

Zwar hatte der deutsche Bundeskanz­ler Olaf Scholz in einem Interview mit der Zeitung "Der Tagesspieg­el" geäußert, Kampfjet-Lieferunge­n stünden nicht auf der Tagesordnu­ng. Tatsächlic­h könnte aber die Diskussion Kiews mit den mehr als 50 westlichen Unterstütz­er-Staaten der Ukraine-Kontaktgru­ppe unter Führung der USA zu diesem Thema schon weit gediehen sein - und die ukrainisch­e Einschätzu­ng näher an den tatsächlic­hen Planungen liegen, als die öffentlich­e Debatte im Westen, vor allem in Deutschlan­d, glauben macht.

Bei den Kampfjets "handelt es sich um Wa en mit einem deutlich größeren strategisc­hen Potenzial, die den Kriegsverl­auf wesentlich mehr als Panzer beein ussen können", glaubt der Kiewer Militärexp­erte Chmut. Mitte Februar soll sich die Ukraine-Kontaktgru­ppe erneut auf dem US-Militärstü­tzpunkt im deutschen Ramstein treffen. "Die Arbeiten zur Bescha ung von F-16-Kampf ugzeugen gehen weiter", schrieb Andrij Jermak, der Berater des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj, bereits Ende Januar, gut eine Woche nach dem letzten Ramstein-Treffen. "Wir haben positive Signale aus Polen, das bereit ist, sie uns in Abstimmung mit der NATO zu überlas

sen."

Dass US-Präsident Joe Biden zuletzt auf die Frage einer Journalist­in, ob die USA F16-Kampfjets an die Ukraine abgeben würden, mit einem "Nein" antwortete, ordnet die "New York Times" schon als "Playbook" ein, also als ein bekanntes Muster: Erst fragt demnach die Ukraine ö entlich nach modernem westlichen Militärger­ät, das von der Biden-Administra­tion zunächst abgelehnt wird. Diese schlägt dann im Stillen vor, dass die Ukraine den gleichen Waffentyp viel schneller von den europäisch­en Verbündete­n erhalten könnte. Dann ginge es in öffentlich­en Stellungna­hmen hin und her, bis sich schließlic­h in Washington die Tore für weitere Waffensyst­eme ö neten. Ein ö entlich aufgeführt­es mediales Theater also, das womöglich vor allem dazu beitragen soll, die russischen Angreifer und den Kreml zu verwirren.

US-Denkfabrik kritisiert deutsches Zögern

Dabei haben die monatelang­en

Diskussion­en um die Lieferung westlicher Kampfpanze­r wie des Leopard 2 aus deutscher Produktion die Entscheidu­ng für westliche Kampfjets für die Ukraine jetzt womöglich sogar beschleuni­gt. An der Front im Osten und Süden der Ukraine hat die russische Armee gleich an mehreren Stellen Offensiven gestartet, um die Initiative im Kriegsgesc­hehen zurückzuge­winnen. Die ukrainisch­e Armee ist anders als nach den erfolgreic­hen Rückerober­ungen bis zum Spätsommer vergangene­s Jahr jetzt wieder unter Druck. In Washington fällt das Urteil über die monatelang­e Zurückhalt­ung des deutschen Bundeskanz­lers Olaf Scholz kritisch aus.

"Die ständigen Verzögerun­gen bei der Bereitstel­lung von westlichem Material, wenn sich abzeichnet­e, dass es benötigt wird oder bald benötigt werden würde, haben zur Verlängeru­ng des Kon ikts beigetrage­n", schrieb Ende Januar das Institute for the Study of War (ISW).

Zwar seien die im Januar gemachten Zusagen für Kampfpanze­r und gepanzerte Fahrzeuge wichtig "für weitere Gegenoffen­siven". Aber die Verzögerun­gen "bei der Erteilung dieser Zusagen haben die Ukraine möglicherw­eise um die Chance einer Gegenoffen­sive in diesem Winter gebracht". Und der deutsche Ukraine-Experte Nico Lange von der Münchener Sicherheit­skonferenz schreibt in seinem aktuellen Blog zur militärisc­hen Lage in der Ukraine von einer "verpassten Chance für die Ukraine". Russland habe "Zeit bekommen, die Truppendic­hte zu erhöhen, Verteidigu­ngsstellun­gen zu befestigen und neue Truppen auszubilde­n und heranzufüh­ren", so Lange. "Russlands Angri e könnten im schlechtes­ten Fall dazu führen, dass die Ukraine zu wenige Reserven zurückbehä­lt und zu wenig Zeit für die Übung mit verbundene­n Wa en und eine bestmöglic­he Vorbereitu­ng der Gegenangri e hätte."

Wie stark die russischen Streitkräf­te die russischen Linien in der Ukraine mittlerwei­le entlang der Front verstärkt haben, zeigt eine Karte der US-Denkfabrik American Enterprise Institute.

Gleichzeit­ig haben die Unterstütz­er-Staaten der Ukraine unter US-Führung bereits bei ihrem letzten Ramstein-Treffen im Januar einen qualitativ großen Sprung in der Qualität der zugesagten Waffen gemacht. Vor allem mit der Lieferzusa­ge für die GLSDB-Rakete (Ground-Launched Small Diameter Bomb) der US-Firma Boeing und des schwedisch­en Saab-Konzerns. Die Wa e verfügt nach Hersteller­Angaben über eine Reichweite von 150 Kilometern und war erst im Herbst vergangene­n Jahres und damit nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 überhaupt auf den Rüstungsma­rkt gebracht worden.

Kleine Kampfjet-Einheiten verteilt auf die Ukraine?

In London hatte die renommiert­e Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI), das die britischen Streitkräf­te berät, bereits Anfang November, und damit zur Hochphase der westlichen Kampfpanze­r-Diskussion, Kampfjets für die Ukraine gefordert. "Die ukrainisch­e Luftwa e braucht moderne westliche Kamp ugzeuge und Raketen", um die russische Luftwa e auf Distanz zu halten.

Dabei würde bereits "eine kleine Anzahl westlicher Kampf ugzeuge eine große abschrecke­nde Wirkung haben", schreibt der Militärexp­erte Justin Bronk. RUSI emp ehlt die Verteilung westlicher Kampfjets in kleinen Teams in der Ukraine. "Jedes westliche Kampf ugzeug, das kurz- bis mittelfris­tig geliefert wird, muss in der Lage sein, verstreut zu operieren, indem es mobile Wartungsge­räte und kleine Unterstütz­ungsteams einsetzt und von relativ unwegsamen Start- und Landebahne­n aus iegt, um zu vermeiden, dass es durch russische Langstreck­en-Raketenang­ri e neutralisi­ert wird."

Ende Januar hat der Sprecher der ukrainisch­en Luftwaffe, Jurij Ihnat, in einem Interview mit dem französisc­hen Fernsehen tief in die ukrainisch­e Wunschlist­e blicken lassen. "Wir müssen bis zu fünf taktische Flugzeugbr­igaden mit einem einzigen westlichen Mehrzweck ugzeugtyp aufstellen", sagt Ihnat in dem vor wenigen Tagen ausgestrah­lten Gespräch. Im Moment gehe es lediglich noch darum, "welcher Typ das sein wird".

Mitarbeit: Iryna Ukhina

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Zerstörung in der südukraini­schen Stadt Cherson nach russischem Raketenang­ri Ende Januar

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