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Saudi-Arabien: Hinrichtungen trotz Reformen
Seit Kornprinz Mohammed bin Salman, kurz MBS, Saudi-Arabiens De-facto-Herrscher geworden ist, erlebt der Staat zwei gegenläu ge Entwicklungen. Mit einem weitreichenden Modernisierungsprozess, genannt "Saudi Vision 2030", will die Regierung die Wirtschaft vom Öl unabhängig machen, das Land für den Tourismus ö nen und Frauenrechte verbessern. Gleichzeitig benutzt sie das Antiterrorgesetz, um rigoros gegen die Zivilgesellschaft vorzugehen, vor allem gegen Menschenrechtsaktivisten und Religionsgelehrte, die nicht auf Regierungslinie liegen.
Außerdem steigt die Zahl der Hinrichtungen: Sie hat sich seit 2015 fast verdoppelt. Das zeigt ein Bericht von Reprieve, einer internationalen Organisation gegen die Todesstrafe, und der Menschenrechtsinitiative European Saudi Organization for Human Rights (ESOHR). Während es zwischen 2010 und 2014 im Schnitt 70 Hinrichtungen gab, waren es zwischen 2015 und 2022 durchschnittlich 129 Hinrichtungen pro Jahr. "Die durchschnittliche Anzahl an Exekutionen ist um 82 Prozent gestiegen", so der Bericht, "obgleich das Land nach außen ein modernes Image verbreitet."
MBS: Regierung durch Repression
"Das Konzept von Modernisierung, das MBS verfolgt, ist sehr selektiv und abhängig von politischen Launen", erklärt ESOHR-Direktor Ali Adubisi im Gespräch mit der DW. "Die Hinrichtungen sind eine tragende Säule seines repressiven Verhaltens. Mit ihnen schüchtert er sein Volk ein, um so viel Schweigen wie möglich zu garantieren."
Das bestätigt Julia Legner von ALQST, einer saudischen Menschenrechtsorganisation in London. "Wenn die Regierung es mit den Reformen ernst meinte, dann würde sie der saudischen Bevölkerung erlauben, in deren Mittelpunkt zu stehen", betont sie gegenüber der DW. "In einem Land ohne freie Zivilgesellschaft sind Reformen der Regierung jedoch ein politisches Mittel, jede Kritik innerhalb und außerhalb zum Schweigen zu bringen."
Auch Sebastian Sons, Wissenschaftler beim Thinktank Center for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO) in Bonn, sieht kaum Anzeichen einer politischen Ö nung - trotz der wirtschaftlichen Veränderungen und der gesellschaftlichen Liberalisierung: "Ganz im Gegenteil. Repression ist ein integraler Bestandteil der saudischen Herrschaftsform unter MBS."
Saudi-Arabien verweise zum einen immer wieder darauf, "dass das interne Angelegenheiten seien, in die sich der Westen nicht einzumischen habe", so Sons im DW-Interview, und "dass es sich bei den zum Tode Verurteilten um Terroristen handele und man eben die nationale, aber auch die internationale Sicherheit gewährleiste".
Warnung vor Massenhinrichtungen
Der Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul hatte 2018 weltweit für Empörung gesorgt und das Land vorübergehend isoliert. Doch die meisten Prozesse gegen Aktivisten oder Kritiker bekommen nicht diese internationale Aufmerksamkeit.
Solche Verfahren nden normalerweise am saudischen Specialized Criminal Court (SCC) statt, einem Gericht, das zuständig ist für Fälle von Terrorismus und Bedrohung der Staatssicherheit. Die Richter am SCC verurteilten 2022 beispielsweise die beiden Frauen Salma al-Schihab und Nura alKahtani zu 34 bzw. 45 Jahren Haft, weil sie Twitter-Posts von Frauenrechtsaktivistinnen geteilt hatten.
"Die saudische De nition von Terrorismus stellt es in das Ermessen der Justiz, schon für die Kritik an der Regierung harte Urteile zu fällen, die Todesstrafe und außergewöhnlich lange Haftstrafen eingeschlossen", erklärt Ramzi Kaiss von der Menschenrechtsorganisation MENA in Genf gegenüber der DW. Das Antiterrorismusgesetz sei sehr vage. Ein terroristischer Akt könne zum Beispiel "jede Tat sein, die die ö entliche Ordnung stört, die nationale Sicherheit oder die
Stabilität des Staates untergräbt oder die nationale Einheit bedroht. Aber keiner dieser Begri e wird de niert."
ESOHR-Direktor Ali Adubisi ist extrem besorgt: "Es gibt alarmierende Hinweise, nach denen derzeit mehr als 60 Männer von der Todesstrafe bedroht sind, darunter Minderjährige. Ist ist sehr wahrscheinlich, dass Saudi-Arabien bald einzelne oder auch Massenexekutionen durchführt."
Hintergrund seiner Befürchtungen sind die Massenhinrichtungen im März 2022. Obgleich eine königliche Anweisung aus dem Jahr 2020 bestimmte, dass keine Hinrichtungen aufgrund von Ermessensentscheidungen vollstreckt werden sollten, die sich auf das Antiterrorismusgesetz beriefen, wurden 81 Gefangene getötet, die nach diesem Gesetz angeklagt worden waren.
Sportevents als Hebel für Menschenrechte
CARPO-Mitarbeiter Sebastian Sons ist überzeugt, dass der Königspalast internationale Reaktionen auf saudische Menschenrechtsverletzungen genau beobachtet. Er kann sich "vorstellen, dass diese Debatte auch innerhalb Saudi-Arabiens an Fahrt aufnimmt, wenn zum Beispiel große Veranstaltungen in Saudi-Arabien statt nden, die dann internationale Kritik noch mal schüren". Das könnten internationale Sportevents sein, um die Saudi-Arabien sich im Rahmen seiner globalen Sport-Offensive erfolgreich beworben hat.
Seit 2021 fährt die Königsklasse des Motorsports in Saudi-Arabien. Der staatliche Ölkonzern Aramco
ist potenter Sponsor der Rennserie. Er ist darüber hinaus auch beim Team Aston Martin als Hauptsponsor eingestiegen.
2019, 2021 und in diesem Jahr mussten die Fans der spanischen Topteams nach Saudi-Arabien reisen, um ihre Stars bei der Supercopa zu bejubeln. Der Vertrag mit den Saudis läuft noch bis 2029 und bringt La Liga 40 Millionen Euro im Jahr ein.
2018 und 2019 ging auch die Supercoppa Italiana in Saudi-Arabien über die Bühne. Die italienischen Klubs hatten zuvor auch schon in Doha und Schanghai gespielt.
Schon seit Jahren verkauft die brasilianische Selecao Freundschaftsspiele für viel Geld ins Ausland. 2018 und 2019 sicherte sich Saudi-Arabien das Prestigeduell der Brasilianer gegen Argentinien.
Nach zehn Jahren in Südamerika ist die traditionsreiche Wüstenrallye im Jahr 2020 auf die arabische Halbinsel umgezogen. Damit steht sie nanziell wieder auf stabilen Füßen und fährt vor motorsportbegeisterten Zuschauern. Der Vertrag läuft über fünf Jahre.
Im Golf möchte Saudi-Arabien der PGA-Tour Konkurrenz machen und die besten Spieler mit Millionengagen für eine eigene Turnierserie abwerben. Die Saudi Golf Championship ist bereits seit 2019
Teil der European Tour. Potenter Sponsor ist der saudische Staatsfond PIF.
Schon seit 2014 nden in SaudiArabien Wrestling-Events statt. Der Austragungsort sorgte immer wieder für heftige Kritik vieler Fans. 2019 gab es auch den ersten Frauen-Kampf zu sehen. Im Publikum waren Frauen schon vorher erlaubt, wenn auch nur in männlicher Begleitung.
2017 fand die WM im Blitzschach in Riad statt. Allerdings sorgten das Teilnahmeverbot für Israelis und die Vorschrift, dass Teilnehmerinnen außerhalb der Veranstaltungshalle Kopftuch und verhüllendes Überkleid tragen müssen, für einen Eklat.
Und nicht nur in der Heimat lässt sich Saudi-Arabien den Sport etwas kosten. Im Oktober 2021 stieg der saudische Staatsfond PIF mit rund 350 Millionen Euro bei Premiere-League-Klub Newcastle United ein und sicherte sich dort eine 80-prozentige Mehrheitsbeteiligung.
Autorin/Autor: Andreas StenZiemons
Die saudische Tourismusbehörde hatte jüngst bekanntgegeben, dass Saudi-Arabien zu den of ziellen Sponsoren der Frauen-Fußballweltmeisterschaft in Australien und Neuseeland im Sommer 2023 gehören werde. Die gastgebenden Fußballverbände von Australien und Neuseeland haben scharf protestiert und Beschwerde beim Weltfußballverband FIFA eingereicht - unter Verweis auf die Tatsache, dass Saudi-Arabien noch bis 2017 Frauen das Fußballspielen und sogar das Betreten von Stadien verboten hatte.
Saudi-Arabien wird außerdem Gastgeber der Fußball-Asienmeisterschaft 2027 und der asiatischen Winterspiele 2029 und bewirbt sich - gemeinsam mit Griechenland und Ägypten - für die Austragung der Fußball-Männer-WM 2030.
Kronprinz Mohammed bin Salman hat die Bitte der DW um eine Stellungnahme nicht beantwortet.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.
ab, der darauf abzielt, die App vollständig zu verbieten. Wird das Gesetz verabschiedet,q könnte esq USPräsident Joe Bidens Regierung den Weg dafür eben, die Plattform aus Gründen der nationalen Sicherheit landesweit zu verbieten.
TikTok selbst ist sichtlich bemüht, das zu verhindern. Lobbyisten der Firma schwärmen seit Monaten aus zu den Büros von Parlamentariern von Washington D.C. bis Brüssel, um sie davon zu überzeugen, geplante Regulierungen abzuschwächen. Gleichzeitig bereist TikTok-Geschäftsführer Shou Zi Chew verschiedene Hauptstädte der Welt, um sich dort mit politischen Entscheidernungsträgern zu treffen.
Vor dieser Charmeo ensive habeq TikTok jahrelang versucht, die Grenzen bestehender Datenschutzregeln auszutesten, so Datenschutzexpertin Estelle Massé von Access Now. Das massenhafte Sammeln von Daten sei übliche Praxis allerq großenq sozialenq Netzwerke.
"Die Tatsache, dass wir immer noch Fragen zu TikTok haben, ist trauriger Industriestandard, wenn man so will", sagtq Massé. Umso wichtiger sei es deshalb, dass Regierungen bei ihren Überlegungen zu TikTok nicht aus den Augen verlören, was andere Plattformen wie Instagramqtäten.
"TikTok ist im Auge des Sturms, und das aus gutemq Grund", sagtq Massé. "Aber wir sollten dadurch anderen Plattformen nicht die bequeme Möglichkeit geben, sich hinter TikTok zu verstecken, während sie gleiche oder ähnliche Praktiken anwenden."