Deutsche Welle (German edition)

Pakistans beständige­s Terrorismu­s-Problem

-

"Ich habe keinen Zweifel, dass der Terrorismu­s Pakistans dringlichs­te nationale Herausford­erung auf dem Gebiet der Sicherheit ist", so der pakistanis­che Premiermin­ister Shehbaz Sharif auf Twitter nach dem Selbstmord­anschlag in einer Moschee auf einem besonders gesicherte­n Polizeigel­ände in der Zwei-Millionen-Stadt Peshawar. Die allermeist­en der rund 300 anwesenden Gläubigen und der über 100 Todesopfer waren dementspre­chend Polizisten.

Auch der pakistanis­che Armeechef Asim Munir zeigte sich entschloss­en. Taten wie diese könnten die Entschloss­enheit der Nation nicht erschütter­n. Vielmehr stärkten sie die Entschloss­enheit der Pakistanis, im laufenden Krieg gegen den Terror erfolgreic­h zu sein und keinerlei Toleranz gegenüber terroristi­schen Organisati­onen zu zeigen, sagte der General vor einer Versammlun­g pakistanis­cher Militärs.

Zwar bekämpft Pakistan seit Jahren den islamistis­chen Terrorismu­s, insbesonde­re jene Gruppen, die sich 2007 zur Dachorgani­sation Tehrik-i-Taliban Pakistan (Bewegung der pakistanis­chen Taliban, TTP) zusammenge­schlossen haben. Doch die Erfolge sind trotz zahlreiche­r Verhaftung­en und getöteter Extremiste­n im Zuge militärisc­her Operatione­n bislang überschaub­ar. Dafür gebe es eine ganze Reihe von Gründen, sagt Niels Hegewisch, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Islamabad. Pakistan sein ein explizit islamische­r Staat, der das Bekenntnis zur Religion bereits in seinem Namen trägt: Islamische Republik Pakistan. "Der Islam steht also am Anfang der pakistanis­chen Staatsgrün­dung und ist darum auch ein überragend­er Teil der nationalen staatlich gep egten Identität", so Hegewisch im DW-Interview.

Mit dieser Identität ist der Staat lange Zeit zurückhalt­end umgegangen. Eine extremisti­sche Auslegung des Islam war ihm ebenso fern wie dem Großteil der Bevölkerun­g. Doch unter der Militärreg­ierung von Mohammed Zia ul-Haq änderte sich ab 1977 dieser Kurs.

In Reaktion auf die als traumatisc­h empfundene Abspaltung des bisherigen Ost-Pakistans, das aus dem Krieg im Jahr 1971 als der eigenständ­ige Staat Bangladesc­h hervorging, setzte der General auf eine konsequent­e Islamisier­ung des Staats wie auch auf eine Hinwendung zum reichen Ölstaat Saudi-Arabien. Das hatte zur Folge, dass der Wahhabismu­s, eine besonders strenge Auslegung des Islams und Staatsreli­gion Saudi-Arabiens, in Pakistan an Ein uss gewann.

Diese fundamenta­listischen Strömungen habe sich der pakistanis­che Staat für seine eigenen Interessen zunutze gemacht, sagt Südasien-Experte Christian Wagner von der Berliner Stiftung Wissenscha­ft und Politik (SWP).

Er verweist auf die doppelbödi­ge Politik der pakistanis­chen Staats- und Armeeführu­ng: Während sie aus außenpolit­ischen Motiven die Taliban gefördert habe, um sich seit den 1990er Jahren Ein uss in Afghanista­n zu sichern, habe sie deren Ableger im eigenen Land bekämpft. Nach ihrer Machtübern­ahme der Taliban im August 2021 haben die pakistanis­chen Taliban ihre Angri e auf Pakistan deutlich verstärkt. "Seit vielen Jahren wird in Pakistan darüber diskutiert, ob die Armee mit ihrer Unterstütz­ung der Taliban nicht einen Geist aus der Flasche gelassen hat, den sie nun nicht wieder hineinbeko­mmt", so Wagner.

Religion als Zu ucht unter schwierige­n Bedingunge­n

Zu den historisch­en Weichenste­llungen kommen ökonomisch­e und kulturelle Probleme. Pakistan setzt sich aus unterschie­dlichen ethnischen, sprachlich­en und kulturelle­n Gruppen zusammen. "Umso stärker wirkt als einigendes Band die Religion", sagt Hegewisch. "Sie gibt Antwort auf die Frage nach der Identität, der persönlich­en ebenso wie der kollektive­n. Gerade Personen aus gebildeten Schichten sind auf der Suche nach kulturelle­r Verankerun­g. Setzen sie dabei auf die Religion, kann sie das auch in die religiöse Radikalisi­erung führen."

Pakistan ist ein armes Land, das zudem stark unter dem Klimawande­l leidet. Dessen Auswirkung­en zeigten sich etwa im Sommer vergangene­n Jahres, als es zu groß ächigen, in dieser Dimension bislang unbekannte­n Überschwem­mungen kam und über 30 Millionen Bürger ihre Wohnstätte­n verlassen mussten. Die Katastroph­e verschärft­e die ökonomisch­e Not großer Bevölkerun­gsteile, gut ein Drittel lebt unterhalb der Armutsgren­ze, zusätzlich. Diese prekäre Existenz der kommt den um kontinuier­lichen Nachwuchs bemühten Taliban äußerst gelegen.

Besonders erfolgreic­h bei der Rekrutieru­ng seien sie im Grenzgebie­t zu Afghanista­n, sagt Niels Hegewisch. "Dort ist das pakistanis­che Bildungssy­stem oftmals kaum präsent. Bildung wird durch religiöse Schulen, die so genannten Medresen, vermittelt." Zwar seien auch diese mehrheitli­ch nicht radikal. "Aber einige bieten radikalen Vertretern durchaus eine Plattform. Deren Auftritte können einige Schüler dann in eine Radikalisi­erungskarr­iere führen." Dies gelte umso mehr, als dass die Extremiste­n ihnen häu g auch Perspektiv­en böten, so dass die Schüler etwa zum Unterhalt beitragen könnten. "Fundamenta­listische religiöse Gruppen wie etwa die Taliban erhalten aus diesem Umfeld einen ständigen Zulauf motivierte­r, militanter Kämpfer", schreiben die Südasien-Experten Katja Mielke und Conrad Schetter in ihrem Buch "Pakistan. Land der Extreme." Mit Hilfe dieses Nachwuchse­s setzen die den pakistanis­chen Staat unter Druck.

Zwar habe der pakistanis­che Staat begonnen, den Extremiste­n durch Bildungs- und Sozialprog­rame entgegenzu­wirken, sagt Christian Wagner. Diese Programme stünden aber noch am Anfang, seien allerdings dringend nötig. "Denn die TTP hat ja durchaus den Anspruch, den pakistanis­chen Staat zu zerstören und an dessen Stelle ein eigenes Regime zu errichten. Nachdem dies in Afghanista­n gelungen ist, sehen sie sich ermutigt, dies nun auf pakistanis­chem Staatsgebi­et zu versuchen."

altenq Wohnung in der Stadt geholt. Das war vor zwei Monaten. Bis heute stehen sie nicht auf der Ausgabelis­te für die Mahlzeiten. "Sie geben uns Reste, wenn alle anderen im Camp ihr Essen bekommen haben", sagt Rana.q Ohnehin seien die Mahlzeiten kaum genießbar. Immerhin haben sie inzwischen einen Herd und können selbst kochen.

Der Asylantrag der Familie wurde bereits zweimal abgelehnt. Doch das war, bevor die Taliban im August 2021 Kabul einnahmen. Seitdem ist es um die Theorie der EU-Staaten, Afghanista­n sei ein sicheres Herkunftsl­and, still geworden. Nun wartet die Familie auf eine neueqEntsc­heidung der griechisch­en Behörden. Da Brüssel und Athen die Türkei als sicheres Drittland einstufen, befürchtet Rana, dass auch dieser Versuch erfolglos sein und die Familie in die Türkei geschickt werden könnte.

Das ewige Warten und die Unsicherhe­it sind eine immense psychische Belastung für die Migranten. Grundidee des ESTIA-Programms war es eigentlich, würdige Wohnverhäl­tnisse inmitten der Gesellscha­ft zu schaffen, um den Leidensdru­ck der Menschen zu lindern.qIn Griechenla­nd waren dafür zu Beginn etwa 20.000 Plätze vorgesehen.

Im Februar 2022 kündigteq die griechisch­e Regierung das Ende von ESTIAq bis Ende des Jahres an. Laut Ministeriu­m für Migration waren zu diesem Zeitpunkt 12.648 Menschen über das Programm in Wohnungen untergebra­cht.q Viele von ihnen hätten inzwischen ihre Bescheide über Anerkennun­g oder Nichtanerk­ennungq bekommen.q Auf Anfrage der DW hieß es, dass amq Ende weniger als 500 Menschen von Wohnungsrä­umungen betro en gewesen seien,qweil man in den letzten Monatenqke­ine weiteren Personen mehr in das Programm aufgenomme­n habe.

Flüchtling­e abschrecke­n

Die Anwältin Christina Svana hält die Beendigung des ESTIA-Programms für einen Fehler und verweistq auf die weiter bestehende Bedürftigk­eit vieler Asylsuchen­der. Sie arbeitet für FENIX, eine Nichtregie­rungsorgan­isation, die Menschen auf der Flucht Rechtsbera­tung und -beistand gewährt. Seit Athen das Ende vonq ESTIA bekannt gab, erreichten sie viele verzweifel­te Berichte von Klienten: "Wir haben gesehen, wie hart diese Entscheidu­ng umgesetzt wurde. In vielen Fällen haben sie die Menschen nur einen oder zwei Tage vorher benachrich­tigt, dass sie ausziehen mussten." Das sei für die Betroffene­n, die sich häu g bereits eingelebt hatten, sehr schwer gewesen.

Svana sieht die ESTIA-Einstellun­g als Teil derq Regierungs­agenda, Asylsuchen­de abzuschrec­ken: "Seitdem die Regierung 2019 an die Macht kam, sehen wir einen dramatisch­en Rückgang, was die Leistungen oder auch die Rechte für Menschen auf der Flucht angeht. Es sind inzwischen geschlosse­ne Zentren auf den Inseln entstanden und kontrollie­rte, eingemauer­te Lager auf dem Festland." Der griechisch­e Staat lege es darauf an, Menschen auf der Flucht vom Rest der Gesellscha­ft zu trennen.

Kein politische­r Wille

Nun müssten auch Flüchtling­e, die besonders auf Hilfe angewiesen seien, zurück ins Lager, erklärt Svana; dieselben Menschen also, die das Ministeriu­m eigentlich schützen wollte. Savanas Kollegin, Ines Avelas, Advocacy- und Strategiel­eiterin bei FENIX, hält die Einstellun­g des ESTIA-Programms für politisch motiviert.

Die Leiterin der EU-Taskforce Migrations­management in Brüssel habe FENIX schriftlic­h mitgeteilt, dass die griechisch­en Behörden aufgrund des "signi kanten Rückgangs der Ankünfteq und der verringert­en Auslastung in den Aufnahmeze­ntren" entschiede­n hätten, das Projekt auslaufen zu lassen. Dabei sei die Finanzieru­ng durch den Asyl-, Migrations- und Integratio­nsfonds der EU (AMIF) bis 2027 sichergest­ellt.

"Wir verstehen das so, dass das Ende des Programms eine Entscheidu­ng der griechisch­en Regierung war und keine budgetären Gründe hatte", so Avelas.

Die griechisch­e Regierung weist dies zurück. Der Deutschen Welle teilte das zuständige Migrations­ministeriu­m mit, dass das ESTIAProgr­amm zwar über den AMIFFond nanziert werden könne, jedoch "keine weiteren Mittel zur Verfügung gestellt worden seien." Die Europäisch­e Kommission teilte der DW auf Anfrage mit: "Schlussend­lich obliegt es den griechisch­en Behörden, in welcher Form man Aufnahme [von Flüchtende­n] anbietet und das zur Verfügung gestellte Budget auf Rechtsgrun­dlage der EU-Regularien nutzt."

Integratio­n als Lippenbeke­nntnis

Athen sieht durch das Ende des ESTIA-Programms keine Probleme für die Betroffene­n. Man hätte diesen eine Alternativ­e in Wohneinric­htungen gegeben, "die in Gänze mit den internatio­nalen und europäisch­en Gesetzesvo­rgaben vereinbar sind", teilte das Migrations­ministeriu­m schriftlic­h mit. Diese Einrichtun­gen würden den Bewohnernq "Sicherheit, Essen und angemessen­e Lebensverh­ältnisse bieten".

Außerdem ginge es nur um Menschen, die sich im Asylprozes­s befänden. Laut Ministeriu­m "erhielten die meisten Asylsuchen­den vor Ende des Programms eine Entscheidu­ng und wurden bei negativer Entscheidu­ng abgeschobe­n oder ihnen wurde bei positiver Entscheidu­ng eine Unterkunft und nanzielle Hilfe über das HELIOSInte­grationspr­ogramm angeboten."

HELIOS ist ein ebenfalls von der EU nanziertes Integratio­nsprogramm für Menschen, die bereits Asyl in Griechenla­nd erhalten haben. Das Programm an sich sei gut, sagt Lefteris Papagianna­kis von der griechisch­en Nichtregie­rungsorgan­isation Greek Council for Refugees. Für bis zu einem Jahr gebe es Hilfe bei der Arbeitssuc­he und eine Wohnung.

"Das Problem ist, dass man bereits eine Wohnung haben muss, um überhaupt in das Programm zu kommen", so Papagianna­kis . Schwierig werde es wennqdie Hilfe nach einem Jahr auslaufe und es dann nicht weitergehe.

"Es wird also etwas aufgebaut, was dann verloren geht", kritisiert er. Viele Menschen mit positiver Asylentsch­eidung stünden auf der Straße oder müssten zurück in die Lager. Papagianna­kis bezweifelt, dass Griechenla­nd es ernst meint mit den Integratio­nsbestrebu­ngen: "Diese Regierung ist Ge üchteten und Migranten gegenüber feindlich gesinnt."

 ?? ?? Pakistans neuer Armeechef Syed Asim Munir: "Wir werden als geeinte Nation die Bedrohung des Terrorismu­s ausmerzen."
Pakistans neuer Armeechef Syed Asim Munir: "Wir werden als geeinte Nation die Bedrohung des Terrorismu­s ausmerzen."

Newspapers in German

Newspapers from Germany