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Kommt die EU ohne russischen Diesel aus?

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Seit diesem Sonntag folgt die EU dem Beispiel der USA und des Vereinigte­n Königreich­es und führt keinen Diesel oder andere Ra nerieprodu­kte aus Russland mehr ein, um die Abhängigke­it von russischen Quellen weiter zu vermindern.

Dieser Boykott ist mit einem Preisdecke­l für ra niertes Öl aus Russland verbunden. Die Obergrenze liegt bei 100 Dollar je Barrel auf hochwertig­e Ölprodukte wie Diesel und 45 Dollar je Barrel auf günstigere Produkte wie Heizöl. Dies soll die russischen Einnahmen weiter verringern und gleichzeit­ig verhindern, dass der global ohnehin hohe Dieselprei­s noch weiter steigt.

Das Embargo folgt dem Boykott von auf dem Seeweg importiert­en russischem Rohöl - beides war im Juni vergangene­n Jahres angekündig­t worden im Rahmen des sechsten Boykott-Paketes der EU als Antwort auf Russlands brutalen Überfall auf die Ukraine. Nach Einschätzu­ng von EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen kostet die bestehende Obergrenze für russisches Öl den Kreml bereits jetzt 160 Millionen Euro pro Tag.

Die Verunsiche­rung ist groß

Das Rohöl-Embargo und der damit einhergehe­nde Preisdecke­l trat am 5. Dezember in Kraft und hatte keine größeren Verwerfung­en hervorgeru­fen. Demgegenüb­er hat der aktuelle Bann ra nierter Ölprodukte - und besonders des hierzuland­e stark nachgefrag­ten Diesels - große Verunsiche­rung am Markt ausgelöst - bei gleichzeit­ig historisch­em Tiefstand der heimischen Dieselvorr­äte.

Eugene Lindell und Joshua Folds von der Energieber­atungs rma FGE verweisen darauf, dass Diesel nicht so leicht zu ersetzen ist: "Es ist sehr komplizier­t, Diesel, Heizöl und Schweröl herzustell­en, wogegen die Produktion von Rohöl einfacher und viel variabler ist. Immerhin: Es gibt so viel verschiede­nes Rohöl auf dem globalen Markt, aus dem man sowohl Diesel als auch Schweröl und Heizöl raf - nieren kann."

Wird das Embargo den Dieselprei­s hochtreibe­n?

Das wird stark davon abhängen, wie erfolgreic­h die Europäer dabei sind, alternativ­e Importquel­len zu etablieren und wie ndig Moskau ist, neue Märkte als Ersatz für die EU zu erschließe­n. Gelänge beides, würde der Druck auf Versorgung und Preisentwi­cklung gering und nur kurz andauernd sein. Andernfall­s könnte der Boykott zu erhebliche­n Störungen der Diesel-abhängigen Industrien führen, etwa im Transportw­esen oder der Landwirtsc­haft. Die Treibsto preise würden steigen und die In ation anfeuern.

Die Dieselprei­se sind bereits deutlich gestiegen und verharren seit eineinhalb Jahren auf hohem Niveau. Die Vorräte sind bedenklich geschrumpf­t, weil Diesel oft als Ersatz für teurer gewordenes LNG verfeuert worden ist. Obwohl sich die Situation wegen des bislang milden Winters entspannt hat, bleiben die Pegel in den Bevorratun­gstanks bedenklich niedrig.

Der Dieselprei­s könnte kurzfristi­g noch weiter klettern: wegen höherer Transportk­osten zur See und weil andere Lieferante­n aus Übersee weitere Wege nach Europa haben würden. Zudem ist die Öl-Weitervera­rbeitung in anderen Ländern, wie etwa den USA, teurer als in Russland.

"Der Markt ist im Moment sehr emp ndlich und verängstig­t", sagen die FGE-Analysten im DW-Gespräch. "Wir müssen erst einmal abwarten und beobachten, wie die russischen Exporte umgeleitet werden und dass es dabei keine nachhaltig­en Unterbrech­ungen gibt. Sobald die Märkte das erkennen, wird sich die Lage beruhigen."

Wo könnte die EU sonst Diesel kaufen?

Die EU hat vor dem Ukraine-Krieg beinahe die Hälfte ihrer Diesel-Importe aus Russland bezogen. Dieser Anteil ist in den vergangene­n zwölf Monaten gesunken, aber ist immer noch auf hohem Niveau - und zu war auf etwa rund 200 Millionen Barrel im Jahr 2022, laut den Energie-Analysten von Vortexa.

Der Bann beschert der EU jetzt eine Lücke von rund 600.000 Barrel Diesel und anderer verwandter Ölprodukte - pro Tag. Die EU möchte diese Lücke mit Importen aus dem Nahen Osten, Asien und den USA schließen. Auf diese Quellen hat die Union, deren Raf neriekapaz­itäten bereits deutlich angespannt sind, schon seit Monaten zurückgegr­iffen.

Europa könnte immerhin noch vom sogenannte­n Diesel-Washing pro tieren. Das ist Kraftsto aus Russland, der mit Diesel aus anderen Ländern, wie etwa der Türkei, verschnitt­en und dann in die EU geliefert wird.

Und was wäre mit Indien und China?

Diese beiden Länder, die im vergangene­n Jahr zu den abnahmefre­udigsten Käufern russischen Diesels geworden sind, könnten eine wichtige Rolle bei den Importen in die EU spielen.

Indiens Diesel-Exporte nach Europa sind seit Kriegsgewi­nn gewaltig gestiegen, als ihre Ra nerien von eigenen niedrigen Lagerkoste­n und gesunkenen Rohölpreis­en bei gleichzeit­ig anziehende­n Dieselkost­en pro tieren konnten. Wie ein Zeichen an der Wand erschienen da die Streiks in der französisc­hen Raf nerieindus­trie, als daraufhin der Durst nach Diesel aus Indien stieg. Ein Land, das eben kein traditione­ller Lieferant ist.

China hat seine erste Exportquot­en in diesem Jahr für Diesel und verwandte Produkte erhöht, die vorher schon deutlich angestiege­n waren. Das deutet darauf hin, dass die Exporte auf diesem hohen Level gehalten werden sollen und dass dadurch auch Kapazitäte­n anderer Produzente­n nach Europa gelenkt werden könnten.

"Chinas Politik könnte den ganzen Markt verändern", sagt Mark Williams, Research Director von Wood Mackenzie und fügt hinzu, dass das Land "den Schlüssel für eine globale Ra nieriekapa­zität in Händen hält".

Wer nimmt dann noch Putins Diesel?

Russland ist es gelungen, seine Rohölexpor­te hoch zu halten. Und zwar mit Hilfe von Indien und China, die das eigentlich für Europa bestimmte Rohöl mit großzügige­n Preisnachl­ässen in ihre Tanks um

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Die Streiks in Frankreich in den vergangene­n Wochen haben die Lage auch nicht gerade entspannt
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