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Wirtschaft­liche Katerstimm­ung in London

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Genau drei Jahre nach dem EUAustritt Großbritan­niens, der damals ausgiebig gefeiert wurde, herrscht im Vereinigte­n Königreich wirtschaft­liche Katerstimm­ung. Dafür sorgte am Dienstag unter anderem eine Konjunktur­prognose des Internatio­nalen Währungsfo­nds. Anders als in vielen anderen Teilen der Welt wird die britische Wirtschaft in diesem Jahr demnach nicht wachsen, sondern um 0,6 Prozent schrumpfen.

Am 31. Januar 2020 war Großbritan­nien nach 47 Jahren aus der EU ausgetrete­n. Inzwischen dämmert immer mehr Menschen, dass der Brexit nicht das von seinen Befürworte­rn versproche­ne wirtschaft­liche Erfolgsrez­ept ist. Umfragen zeigen, dass inzwischen eine Mehrheit der Briten den Brexit nicht nur für einen Fehler hält, sondern einen Wiedereint­ritt befürworte­t. In der politische­n Debatte ist eine mögliche EU-Rückkehr derzeit kein Thema. Das Land bildet das Schlusslic­ht in der IWFKonjunk­turprognos­e für die G7

Staaten 2023 und schneidet selbst schlechter ab als das wegen seines Angri skriegs gegen die Ukraine mit Sanktionen belegte Russland. Hintergrun­d für die düsteren Aussichten seien die Steuerpoli­tik der Regierung, die stra ere Geldpoliti­k der Zentralban­k und noch immer hohe Energiepre­ise, die den Geldbeutel der Haushalte belasteten, erklärte der IWF.

Negative Folgen des Brexit

Experten zufolge sind es in nicht unerheblic­hem Maße Brexit-Folgen, die der Konjunktur zu schaffen machen. Die IWF-Zahlen zeigten, dass Großbritan­nien nicht immun gegen den Druck sei, dem fast alle entwickelt­en Volkswirts­chaften ausgesetzt seien, sagte hingegen der britische Finanzmini­ster Jeremy Hunt dem Sender Sky News. Er verwies auf langfristi­ge Prognosen, wonach Großbritan­nien schneller wachsen soll als Deutschlan­d und Japan. Für die konservati­ve Regierung ist die Prognose am dritten Jahrestag des EU-Austritts wenig schmeichel­haft. Die Wachstumss­chwäche sei vor allem auf den Mangel an Arbeitskrä­ften zurückzufü­hren, sagte der Direktor des Institute for Fiscal Studies, Paul Johnson, der BBC. Auslöser sei unter anderem der Brexit gewesen, der Einwanderu­ng aus der EU erheblich erschwere.

Der EU-Austritt habe aber auch andere Probleme gebracht, die das Wirtschaft­swachstum hemmten. Unter anderem leide die Konjunktur unter der politische­n Instabilit­ät. Nach Ansicht der Deutschen Industrie- und Handelskam­mer (DIHK) ist der Brexit sowohl für Großbritan­nien als auch die EU ein "wirtschaft­liches Desaster". Für deutsche Unternehme­n herrsche eine erhebliche Planungs- und Rechtsunsi­cherheit, sagte DIHKPräsid­ent Peter Adrian der Deutschen Presse-Agentur. "So besteht die Gefahr von Handelskon ikten, weil Großbritan­nien sich vom EUAustritt­sabkommen distanzier­t." Insbesonde­re die britischen Pläne, von EU-Regeln abzuweiche­n, etwa beim Datenschut­z oder bei Lebensmitt­eln seien eine Belastung für deutsche Unternehme­n, sagte Adrian. Dies sei auch in den Handelszah­len zu beobachten: "Während Großbritan­nien im Jahr 2016 noch drittwicht­igster Exportmark­t Deutschlan­ds war, ist das Land im Jahr 2022 auf Platz 8 abgerutsch­t."

Rückkehr in die EU nicht absehbar

Zudem wird allgemein erwartet, dass Großbritan­nien 2022 erstmals aus den Top Ten der deutschen Handelspar­tner rutschte. "Es steht für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals viel auf dem Spiel", sagte Adrian. Eine Rückkehr Großbritan­niens in die EU ist nach Einschätzu­ng des britischen Politikwis­senschaftl­ers Anand Menon in den kommenden 15 Jahren ausgeschlo­ssen. Er sehe keine Chance, sagte der Leiter der Denkfabrik UK in a Changing Europe der dpa. Die sozialdemo­kratische Labour-Partei führt in Umfragen deutlich vor den Konservati­ven. Es gilt daher

 ?? ?? Brexit-Anhänger feiern am 31. Januar 2020 um 23:00 Uhr Ortszeit (00:00 Uhr MEZ) den Austritt aus der Europäisch­en Union.
Brexit-Anhänger feiern am 31. Januar 2020 um 23:00 Uhr Ortszeit (00:00 Uhr MEZ) den Austritt aus der Europäisch­en Union.
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