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Meinung: Olympia bitte ohne Russland

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Der Sport soll zusammenfü­hren, statt zu trennen. Mit diesem hehren Gedanken begründet das Internatio­nale Olympische Komitee seine Haltung, auch Athletinne­n und Athleten aus Russland und Belarus unter neutraler Flagge wieder zu internatio­nalen Wettbewerb­en zuzulassen. Es ist kein Geheimnis, dass es dabei vor allem um die Olympische­n Spiele 2024 in Paris geht, für die in den nächsten Monaten die Quali - kationswet­tbewerbe beginnen.

Die Ukraine reagiert auf diese Diskussion erwartbar harsch. Präsident Wolodymyr Selensky sagte, erst wenn Krieg und Terror von Seiten Russland gestoppt würden, könne man über diese Idee reden.

Ex-Olympiasie­ger Wladimir Klitschko forderte, den Ausschluss beizubehal­ten.

Dessen ungeachtet "spüre" IOC-Präsident Thomas Bach für diese Überlegung­en "eine weltweite, riesengroß­e Mehrheit." Und tatsächlic­h gibt es auch aus dem kritischen Westen Stimmen, die diese O enheit begrüßen. "Nachvollzi­ehbar" ndet den Schritt etwa Andreas Michelmann, der Präsident des Deutschen Handballbu­nds. Eine Sprecherin des nationalen Olympische Komitees der USA signalisie­rte im "Wall Street Journal" schon Anfang Dezember vorsichtig­e Zustimmung.

Wundern über das IOC

Bitte was? Während zu Hause

Bomben auf Freunde und Familie fallen, tre en ukrainisch­e Sportler also unter den olympische­n Ringen direkt auf Konkurrent­en aus Russland - in "friedliche­m Wettkampf", wie es das IOC so gerne propagiert? Ein unzumutbar­es Szenario, auf das es jedoch am Ende hinausläuf­t, allen Einschränk­ungen zum Trotz. So müssten Athletinne­n und Athleten aus Belarus und Russland weiterhin unter neutraler Flagge starten. Dass dies eher Augenwisch­erei denn wirksame Sanktion ist, zeigt ein kurzer Blick auf die Winterspie­le in Peking. Trotz Verbots waren bei der Schlussfei­er russische Nationalfa­rben deutlich zu sehen.

Direkt nach den Spielen ließen sich etliche Sportler aus dem russischen Team für Präsident Putins

Kriegsprop­aganda einspannen. Sport und Staat sind dort eben seit jeher enger als anderswo verbunden. Das ist spätestens seit dem Skandal um Moskaus Staatsdopi­ng offenbar. Im Übrigen ein weiterer Punkt, der zeigt, wie ernst man es in Russland mit den olympische­n Werten nimmt. Der weitgehend­e Ausschluss von internatio­nalen Wettkämpfe­n ist deswegen hart aber richtig.

Sport und Politik am liebsten trennen

Nimmt man den Einzelnen in den Blick, wird das Bild differenzi­erter. Wie das IOC argumentie­rt auch DHB-Chef Michelmann: Man könne nicht "die Sportler für die Politik ihres Landes verantwort­lich machen." In der Theorie ist das richtig, jedoch entpuppt sich das als unlösbares Problem in der Praxis.

Als es darum ging, russische Aktive nach der Dopinga äre wieder starten zu lassen, konnte sich das IOC immerhin auf harte Fakten wie nachprüfba­re Tests und Laborwerte berufen. Eine solche Auswahl könnte nun nicht getroffen werden.

Schließlic­h gibt es unter den Sportlern nachweisli­ch einige, die Putin unterstütz­en, obwohl sie seit Jahren im Ausland leben - wie etwa NHL-Star Alexander Owetschkin. Ebenso gibt es kritische Geister, die sich vorsichtig gegen den Krieg ausspreche­n - so wie Tennisstar Andrey Rublev. Die bestehende Kollektivs­trafe tri t alle und ist dementspre­chend heikel. Dennoch ist sie richtig - denn unabhängig von der politische­n Haltung des Einzelnen: Etwaige sportliche Erfolge würde der Kreml zu Propaganda­zwecken nutzen und seine Position im Krieg damit stärken.

Es muss klar sein: Sport ist immer Bühne. Erst vor einigen Tagen standen sich bei den Australian Open eine Ukrainerin und eine "neutrale" Athletin aus Russland gegenüber. Auf den Rängen jubelten Zuschauer mit russischen Fahnen und Putin-Porträt und bekamen weltweite Aufmerksam­keit. Der Veranstalt­er sah sich danach gezwungen, die russische Flagge zu verbieten - und damit den Putin-Befürworte­rn die ö entliche Bühne schnellstm­öglich zu nehmen.

Vorwurf der Diskrimini­erung

Mit gewichtige­r Miene führt IOCPräside­nt Bach in der Kontrovers­e schließlic­h noch die Menschenre­chte ins Feld. Sonderberi­chterstatt­er beim UN-Menschenre­chtsrat hätten Bedenken geäußert, so seine Argumentat­ion. Ein Ausschluss "wegen eines Passes oder des Geburtsort­s" verstoße gegen das Diskrimini­erungsverb­ot. Kann man eine solche Diskrimini­erung eines russischen Sportlers mit den Folgen russischer Angri en auf die ukrainisch­e Zivilbevöl­kerung vergleiche­n?

Das Leid ist dann doch sehr ungleich verteilt. Die Sperre gegen den Einzelnen aufgrund seiner Herkunft ist unfair, keine Frage. Sie sollte auch so bald als möglich enden. Jetzt ist dafür jedoch (noch) der völlig falsche Zeitpunkt.

 ?? ?? Russische Farben gut erkennbar: das neutrale Team des russischen Olympische­n Komitees in Peking 2022
Russische Farben gut erkennbar: das neutrale Team des russischen Olympische­n Komitees in Peking 2022

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