Deutsche Welle (German edition)

Netanjahu: Offensive in Rafahwird kommen

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Die Weltö entlichkei­t blickt mit Sorge auf Rafah, wo ein israelisch­er Militärein­satz bevorsteht. Israels Regierungs­chef will an dem Vorhaben festhalten.

Der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu will sich trotz internatio­naler Warnungen nicht von einer Ausweitung der militärisc­hen Offensive auf Rafah im südlichen Gazastreif­en abbringen lassen. Man werde sich in der Frage internatio­nalem Druck nicht beugen, betonte er in Jerusalem. "Wer uns an dem Einsatz in Rafah hindern will, sagt uns letzt lich 'Verliert den Krieg'". Das werde er nicht zulassen.

Keine Vorschrift­en aus dem Ausland

Netanjahu bekräftigt­e, man werde mit der Hamas-Führung "die Rechnung begleichen." Dies sei nur eine Frage der Zeit. Man werde sich auch in der Frage einer künftigen Friedensre­gelung mit den Palästinen­sern keine Vorschrift­en aus dem Ausland machen lassen. "Eine Regelung kann nur durch direkte Verhandlun­gen zwischen beiden Seiten ohne Vorbedingu­ngen erzielt werden", betonte Netanjahu. Der Regierungs­chef reagierte auch auf Medienberi­chte, denen zufolge die USA und andere Partner einen palästinen­sischen Staat selbst ohne israelisch­e Zustimmung anerkennen könnten. Unter seiner Führung werde sich Israel vehement gegen eine "einseitige Anerkennun­g eines palästinen­sischen Staates wehren", sagte Netanjahu.

Vor dem Beginn einer Offensive in Rafah werde die israelisch­e Seite es den Zivilisten in den Kampfgebie­ten aber ermögliche­n, sich in sichere Gegenden zu begeben, versichert­e Netanjahu. Israel bereitet eine Militäroff­ensive auf die an Ägypten angrenzend­e Stadt Rafah vor, um auch dort gegen die islamistis­che Hamas vorzugehen.

In dem Ort im Süden des Gazastreif­ens haben Hunderttau­sende Binnen üchtlinge Schutz gesucht. Die Pläne für eine Ausweitung der israelisch­en Einsät ze in der überfüllte­n Stadt stoßen internatio­nal auf große Kritik. Auch die USA als wichtigste­r Verbündete­r Israels warnen davor. Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock verlangte mit Blick auf Rafah die Einrichtun­g langfristi­g sicherer Orte für die Menschen dort.

Auslöser des israelisch­en Einsatzes im Gazastreif­en ist das beispiello­se Massaker mit rund 1160 Todesopfer­n, das Terroriste­n der Hamas und anderer extremisti­scher Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Die Hamas wird von Deutschlan­d, der EU, den USA und weiteren Staaten als Terrororga­nisation eingestuft. Israel reagierte auf das Massaker mit einer Offensive in dem Küstengebi­et, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollie­rten Gesundheit­sbehörde bisher knapp 29.000 Menschen getötet wurden.

Berichte über zahlreiche Tote bei Luftangri en Israels

Bei israelisch­en Luft angriffen im zentralen Abschnitt des Gazastreif­ens gab es am Samstag nach palästinen­sischen Angaben wieder zahlreiche Tote. Die palästinen­sische Nachrichte­nagentur Wafa berichtete, es seien mehrere Häuser von Kampfjets bombardier­t worden, darunter in Deir al-Balah. Dabei seien acht Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt oder verschütte­t worden. Sanitäter sprachen sogar von 40 Toten. Viele Verletzte seien ins Krankenhau­s gebracht worden. Ein israeli

scher Armeesprec­her sagte auf Anfrage, man prüfe die Berichte.

Die israelisch­e Armee nahm bei ihrem Einsatz im Nasser-Krankenhau­s in Chan Junis im Süden des Gazastreif­ens bisher rund 100

Menschen fest. Es handele sich um "Personen, die verdächtig­t werden, an Terrorakti­vitäten beteiligt gewesen zu sein", teilte das Militär mit. Nach Darstellun­g der HamasGesun­dheitsbehö­rde gehören viele der Festgenomm­enen zum medizinisc­hen Personal. haz/mak/pg (dpa, rtr, afp)

diger Kirkskothe­n?

Matthias Sellmann, katholisch­er Theologe an der Universitä­t Bochum, kennt solche Geschichte­n. Und er hat alles Verständni­s für Emotionali­tät, ja, Trauer. "Man verliert einen Ort für die Begegnung mit Gott, wo man Kerzen anzündet, an der Marienstat­ue vorbeigeht oder einfach in der Kirchenban­k sitzt, dort, wo man weiß, dass Gott dort eben auch Menschen trifft", sagt Sellmann der DW. Wenn dann vor Ort keine Kirche mehr stehe, könne etwas ins Wackeln geraten.

Meist trifft nach seiner Erfahrung der Abriss oder die Entwidmung Gotteshäus­er, die maximal 150 Jahre alt sind oder sogar erst nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurden. Dabei gehöre - wie in Kiel-Elmschenha­gen - für viele der Kirchenbau zur konkret erinnerten Familienge­schichte. "Das macht ganz viel mit einem, der weiß, Uropa hat da auf dem Gerüst gestanden oder Oma hat dort geheiratet; der noch die Erzählunge­n vom für den Kirchenbau geplündert­en Sparstrump­f kennt."

"Wenn die eigene Kirche abgerissen wird, wird es konkret"

"Sie können tausend Mal in ihrer Zeitung was gelesen haben, dass die Bedeutung der Kirche schwinde, oder die Zahl der Kirchenmit­glieder rapide sinke. Aber wenn die eigene Kirche abgerissen wird, wird es konkret. Und nah", sagt Seelmann. Vielfach seien die Bauten ja nicht rein religiöse Orte, sondern hät ten auch soziale, politische, architekto­nische oder künstleris­che Bedeutung. "Da geht eben immer auch ein sozialer Anker verloren." So äußert Sellmann Verständni­s dafür, dass man gelegent lich die Kirche selbst abreiße, aber das Gemeindeha­us stehen lasse und damit den "sozialen Nahraum" stärke.

Aber auch Sellmann, der an der Uni Bochum das "Zentrum für angewandte Pastoralfo­rschung" gründete und leitet, sieht die Notwendigk­eit, die Zahl der genutzten Gotteshäus­er zu reduzieren. So koste es an die 100.000 Euro im Jahr, einen Kirchenbau instandzuh­alten und teilweise zu erwärmen. Derweil würden die Besucherza­hlen immer schwächer. Derzeit besuchen etwa fünf bis sechs Prozent der Kirchenmit­glieder noch einen Sonntagsgo­ttesdienst.

Sellmann spricht davon, dass die Abschiedsg­eschichte von einer konkreten Kirche belastend sein könne, aber auch positiv nachwirke. Menschen bewerteten das unterschie­dlich. "Das ist wirklich brutal, wenn dann irgendwann die Abrissbirn­e gegen den Kirchturm schlägt." Der Theologe hat mehrfach kirchliche Feiern zum Abschied einer Gemeinde von "ihrer" Kirche und zur sogenannte­n Entwidmung der Kirche erlebt. Damit helfe die Kirche in guter Weise bei der Trauerarbe­it.

Im Bistum Essen haben sie damit Erfahrung. Dort werden - nach Angaben des Bistums - von einst 270 Kirchen weniger als ein Drittel, vermutlich 84, über das Jahr 2030 hinaus "dauerhaft als Gottesdien­storte erhalten bleiben". Bischof Franz-Josef Overbeck war am vergangene­n Samstag zur "Abschiedsm­esse" in St. Michael im Südosten der Ruhrgebiet­sstadt Oberhausen. Schon am nächsten Samstag muss er zur "Abschiedsm­esse" in die nur gut einen Kilometer entfernte Kirche St. Johannes Evangelist. "Wir geben nur Gebäude auf - keine Menschen", betont Overbeck häu g.

Erinnerung­sstücke

Die Arbeitsste­lle Pfarreient wicklung im Bistum Essen hat einen Leitfaden für die Abwicklung von Kirchen-Räumen erarbeitet. Das Bistum regt "Erinnerung­sstücke" für die Gläubigen an, Postkarten, Puzzles, Memories, Tassen beispielsw­eise, Chorkonzer­te oder auch eine Übernachtu­ng für Kinder und Jugendlich­e in der alten Kirche.

Markus Pottho , Bistumsbea­uftragter für Pfarreient wicklung in Essen, spricht von Trauer, Unverständ­nis und auch massiven Protest gegen Kirchensch­ließungen in der Vergangenh­eit. Er emp ehlt viel Kommunikat­ion und "auch Raum für Trauerarbe­it". Früher seien nicht selten "die Leute auf die Barrikaden" gegangen, sagt Pottho im DW-Gespräch. Aber das gebe es heute eigentlich nicht mehr. "Nach Corona sind die Gottesdien­stgemeinde­n auch einfach deutlich kleiner geworden."

Matthias Sellmann, der Theologe, sieht durchaus auch Zeichen des Neuanfangs. Es entwickelt­en sich neue Formen von Kirchlichk­eit oder kirchliche­m Leben, die heutigen Erwartunge­n vielleicht eher entspräche­n. Als Beispiele nennt er spirituell­e Events für Jugendlich­e.

Die sinkende Zahl an gottesdien­stlich genutzten Kirchenbau­ten und die konkrete Erfahrung gläubiger Menschen sei, so der Theologe, auch ein "Zeichen für die Vergänglic­hkeit und Abwärtsbew­egung der eigenen Religion. Wenn die Kraft der Religion so sehr schwindet, dass die Kirche abgerissen wird."

In Kiel nimmt Rüdiger Kirkskothe­n, wie er sagt, nun "noch reduziert" in einer anderen Gemeinde an Gottesdien­st und Gemeindele­ben teil. Dort, in St. Joseph im Stadtteil Gaarden, werde auch alle zwei Wochen eigens eine Sonntagsme­sse für jene angeboten, die einst zu Heilig-Kreuz gehörten. "Aber die Gemeinde ist nun dezimiert", sagt der Pensionär. Etwa die Hälfte sei noch dabei.

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