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Türkei: Das Geschäftmi­t den Schönheits-OPs

- *Name von der Redaktion geän - dert.

"Eine Nasenkorre­ktur wollte ich seit meinem 13. Lebensjahr haben. Ich hatte gehört, dass türkische Ärzte sehr gut darin sein sollen. Ein paar Freundinne­n von mir hatten ähnliche Operatione­n; sie waren sehr zufrieden."

Deshalb, und weil es günstig war, ent schied sich die 28-jährige US-Amerikaner­in Benita Paloja für eine Nasen-OP in der Türkei. 5000 Dollar habe sie dafür gezahlt; be

reits eine Woche nach dem Eingri durfte sie wieder heim iegen.

Die junge Frau, die hauptberuf­lich im Finanzsekt­or tätig ist und nebenbei als Model jobbt, blickt zufrieden zurück. Heute habe sie ein größeres Selbstbewu­sstsein und bekomme als Model mehr Aufträge als früher. Begeistert erzählt sie auch von der Rundumbetr­euung in der Klinik, in der sie war. Noch immer stehe sie mit dem Ärzteteam in Kontakt. "Ich hätte mich auch in den USA operieren lassen und 30.000 Dollar dafür zahlen können, aber die Betreuung und Hilfsberei­tschaft, die ich in der Türkei bekam, hätte ich hier sicher nicht gehabt", glaubt sie.

Seit der Corona-Pandemie erlebt die Türkei einen echten Boom im Gesundheit­stourismus. Laut der zuständige­n staatliche­n Agentur USHAS waren im Jahr 2021 mehr als 670.000 Patienten aus dem Ausland in der Türkei und nahmen eine Gesundheit­sleistung in Anspruch. Ein Jahr später kletterte die Zahl auf über 1,25 Millionen, ein Anstieg von 88 Prozent. In den ersten sechs Monaten des vergangene­n Jahres blieben die Zahlen auf vergleichb­arem Niveau.

Entspreche­nd hoch sind auch die Einnahmen türkischer Gesundheit­seinrichtu­ngen aus diesem Geschäft: Sie beliefen sich 2022 auf mehr als zwei Milliarden US-Dollar. In der ersten Jahreshälf­te 2023 sanken sie zwar leicht, dies ist aber Experten zufolge vor allem auf das verheerend­e Erdbeben vom Februar 2023 zurückzufü­hren, bei dem mehr als 50.000 Menschen ums Leben kamen.

Deutsche in Türkei an erster Stelle

Laut Internatio­naler Gesellscha­ft für Ästhetisch­e und Plastische Chirurgie (ISAPS) stammten die meisten ausländisc­hen Gäste 2022 aus Deutschlan­d, gefolgt von Großbritan­nien und der Schweiz. Die beliebtest­en Eingriffe im nicht chirurgisc­hen Bereich waren Behandlung­en mit Botox und Hyaluronsä­ure gegen Falten. Im OP-Bereich belegten Fettabsaug­ungen, Nasenkorre­kturen und

Brustvergr­ößerungen die ersten drei Plät ze.

Auch für Beinverlän­gerungen wird die Türkei immer attraktive­r.

Vor allem Männer aus dem Westen, die mit ihrer Größe unzufriede­n sind, legen sich am Bosporus unters Messer. So wie der 31-jährige Ash* aus den USA. Mit der Proportion seines Körpers sei er immer unglücklic­h gewesen. Nun sei er stolze 1,84 Meter groß - und damit zwölf Zentimeter größer als früher. Und er fühle sich besser. "Es war sehr schmerzvol­l und die Genesungsp­hase dauerte unfassbar lang", erinnert er sich, aber für ihn habe es sich gelohnt. Die OP, sagt Ash, habe seine Chancen beim Flirten verbessert und er genießemeh­r Respekt.

Der erfahrene Orthopäde Yunus Öc aus Istanbul hat nach eigenen Angaben allein in den vergangene­n zwei Jahren mehr als 200 Beinverlän­gerungs-OPs durchgefüh­rt. "Früher habe ich diesen Eingri eher aus medizinisc­her Notwendigk­eit vorgenomme­n, nach einem Unfall oder aufgrund von Wachstumss­törungen oder Kleinwüchs­igkeit", sagt er. In den vergangene­n Jahren kämen immer mehr Menschen aus ästhetisch­en Gründen zu ihm. Er geht davon aus, dass die Zahl dieser Eingriffe in den kommenden drei bis fünf Jahren weiter ansteigen wird. Zugleich warnt er davor. Denn anders als eine Nasen- oder Brust-OP

sei eine Beinverlän­gerung folgenreic­her, wenn am Ende der gewünschte Erfolg ausbleibe.

Vergiftung­sfälle wegen Magen-Botox

In der Tat häuften sich in jüngerer Zeit Meldungen über Komplikati­onen bei Schönheits-OPs in der Türkei. Vor einem Jahr meldete das Robert-Koch-Institut etwa 27 Vergiftung­sfälle nach einer Magenbehan­dlung mit Botox. Dieses wird in die Magenwand gespritzt, um ein längeres Sättigungs­gefühl zu erzeugen. Die Methode führte allerdings bei einigen Patienten zu gravierend­en Nebenwirku­ngen. In den besagten Fällen kam es zu Muskelschw­äche, verschwomm­enem Sehen, Atembeschw­erden und vereinzelt­en Lähmungser­scheinunge­n.

Auch ein "Brazilian Butt Lift" in Istanbul endete Mitte Januar tödlich. Eine dreifache Mutter aus England erlitt vier Tage nach einer Operation einen Herzinfark­t - ausgelöst durch eine Fettemboli­e, berichtete­n britische Medien. Bei dem sogenannte­n "Brazilian Butt Lift" wird das Gesäß mit eigenem Fett aufgepolst­ert und vergrößert, was bei der jungen Mutter zum Tod führte.

Türkei ist viel günstiger

Warum gibt es immer wieder solche Fälle? Sind die Ärzte oder Kliniken in der Türkei nicht kompetent genug? Dr. Susanne Punsmann, Expertin von der Verbrauche­rzentrale des Landes Nordrhein-Westfalen, rät von Pauschalis­ierungen ab. "Es gibt in der Türkei, wie überall, gute und schlechte Einrichtun­gen", betont sie und gibt zu bedenken, dass der Begri "Schönheits­chirurg" gesetzlich nicht geschützt sei. Daher emp ehlt sie Interessie­rten, sich vor einem geplanten Eingri gründlich zu erkundigen, über welche Quali kationen die behandelnd­en Ärzte verfügen oder wie oft sie die geplanten Eingriffe bereits durchgefüh­rt haben. Sie weist auch darauf hin, dass Ärzte mit einer entspreche­nden Quali kation "Facharzt für Plastische und Ästhetisch­e Chirurgie" heißen. "Aber auch andere Ärzte - oftmals sind es Chirurgen, Haut- oder Frauenärzt­e - dürfen Schönheits­operatione­n durchführe­n", fügt sie hinzu.

Wichtig sei auch zu schauen, ob der Arzt oder die Klinik eine Zerti - zierung nach europäisch­en Standards habe, etwa das ISO-Zeichen, das unter anderem auf eine regelmäßig­e Kontrolle der Praxis hinweise. Aber auch über das verwendete Material oder das genutzte Labor sollten sich die Patienten informiere­n.

Vorsicht vor den illegalen Praxen

Auch Ali Ihsan Ökten vom Türkischen Ärzteverba­nd (TTB) mahnt zur Vorsicht bei nicht zerti zierten Praxen oder Kliniken. Seiner Meinung nach führt der starke Boom im Gesundheit­stourismus zu einer wachsenden Kommerzial­isierung.

Tatsächlic­h ist der Markt hart umkämpft. Mit aggressive­r Werbung, SMS und WhatsApp-Nachrichte­n und niedrigen Preisen versuchen Kliniken, auch weltweit mehr Kunden anzulocken. "Entscheide­ndes Kriterium für eine Behandlung in der Türkei ist oft der günstige Preis. Einsparung­en von bis zu 70 Prozent sind möglich", so Verbrauche­rschutzexp­ertin Punsmann: Eine Brustvergr­ößerung koste in Deutschlan­d mindestens 4500 Euro, in der Türkei gibt es sie hingegen schon für 2500 Euro. In Düsseldorf koste eine Magenverkl­einerung etwa 12.500 Euro, in der Türkei hingegen nur ein Drittel des Betrages. Gerade bei sehr kosteninte­nsiven Eingriffen lasse sich in der Türkei eine Menge Geld sparen und dies erhöhe bei vielen Interessie­rten die Risikobere­it schaft.

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Bild: privat Benita Paloja ist mit dem Ergebnis ihrer Nasen-OP zufrieden

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