Deutsche Welle (German edition)

AfD sogarmehr als ein rechtsextr­emer Verdachtsf­all?

- Treffen

Die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) und das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) tre en sich seit Jahren immer wieder vor Gericht. Dabei geht es jedes Mal um die Frage, ob der Inlandsgeh­eimdienst die Partei wegen mutmaßlich verfassung­sfeindlich­er Bestrebung­en in den Blick nehmen darf. Das nächste Duell ndet am 12. und

13. März 2024 vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Münster statt.

Die AfD wehrt sich dagegen, dass sie seit 2021 als rechtsextr­emer Verdachtsf­all beobachtet wird. In einem Eilverfahr­en vor dem Verwaltung­sgericht ( VG) in Köln war sie damit erfolgreic­h. Allerdings nur aus formalen Gründen, weil einige Medien früher als der Verfassung­sschutz selbst über die Einstufung berichtet hatten.

Ein kleiner Triumph für die AfD

Mit der medialen Bekanntgab­e werde "in unvertretb­arer Weise in die verfassung­srechtlich gewährleis­tete Chancengle­ichheit politische­r Parteien eingegriff­en", argumentie­rte das VG Köln damals.

Ein Jahr später befasste sich das Gericht inhaltlich mit der Klage

- und gab dem Verfassung­sschutz recht. Ob dieses Urteil Bestand haben wird, entscheide­t sich nun im Revisionsv­erfahren vor dem

OVG Münster.

Die Einstufung der AfD als Verdachtsf­all war die Folge dessen, dass sich die Partei nach Erkenntnis­sen des Verfassung­sschutzes zunehmend radikalisi­ert hatte. Zuvor war sie lediglich ein sogenannte­r Prüffall gewesen. In diesem Stadium durften nur offen zugänglich­en Quellen ausgewerte­t werden, um die potenziell­e Gefahr der AfD für die Demokratie einschätze­n zu können.

Verfassung­sschutz prüfte Texte und Reden

Der Inlandsgeh­eimdienst konnte zu diesem frühen Zeitpunkt also nur das tun, was alle können: Artikel in Zeitungen und Online-Portalen lesen, TV-Beiträge und Videos im Internet anschauen sowie Reden von AfD-Abgeordnet­en in Parlamente­n und auf Parteitage­n hören. Was der Verfassung­sschutz dabei registrier­te, reichte ihm, um die AfD zum Verdachtsf­all hochzustuf­en.

Seitdem ist es der Behörde erlaubt, die Partei und einzelne Personen mit geheimen Methoden ins Visier zu nehmen. Dafür kann sie Personen in der AfD und ihrem Umfeld als vertraulic­he Informatio­nsquellen, sogenannte VLeute, anwerben. Unter bestimmten Voraussetz­ungen darf auch die Telekommun­ikation überwacht werden.

Vorbild Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt?

Sollte die AfD mit ihrer Beschwerde vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht Münster Erfolg haben, wäre es damit vorbei. Allerdings spricht einiges dafür, dass der Verfassung­sschutz auf Bundeseben­e schon in absehbarer Zeit sogar einen Schritt weitergeht und das tut, was die Landesämte­r in den Bundesländ­ern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bereits getan haben: die AfD als "erwiesen rechtsextr­emistisch" einzustufe­n.

Ein Anhaltspun­kt dafür könnte der im Januar 2024 veröffentl­ichte Bericht des Recherche-Kollektivs "Correctiv" über ein von Rechtsextr­emisten in Potsdam sein, bei dem es um Pläne für eine millionenf­ache "Remigratio­n" von Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln gegangen sein soll. An der Veranstalt­ung haben neben AfD-Politikern auch erzkonserv­ative Christdemo­kraten (CDU) teilgenomm­en.

Debatte um ein AfD-Verbot

Wer als "erwiesen rechtsextr­emistisch" eingestuft ist, muss mehr denn je damit rechnen, vom Verfassung­sschutz mit geheimen nachrichtd­ienstliche­n Mitteln ins Visier genommen zu werden. Die schärfste Form der Beobachtun­g kommt auch als Argument für ein

Parteiverb­otsverfahr­en infrage. Dafür hat das Bundesverf­assungsger­icht konkrete Vorgaben formuliert: Demnach müssen "tatsächlic­he Anhaltspun­kte" dafür vorliegen, dass eine Partei die Absicht habe, die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng anzugreife­n und zu beseitigen.

Daran erinnerte der Präsident des Thüringer Verfassung­sschutzes, Stephan Kramer, wenige Tage vor dem bevorstehe­nden AfDRevisio­nsverfahre­n auf einer Veranstalt­ung der Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte (GFF) und der Kampagnen-Organisati­on "Campact" in Berlin. "Für ein Verbotsver­fahren muss jetzt noch der aktiv-kämpferisc­he Teil dazukommen, also ein planvolles Vorgehen", sagte Kramer und betonte: "Dafür müssen keine Straftaten begangen werden."

Kein Steuergeld für die AfD?

Über das Verbot einer Partei entscheide­t das Bundesverf­assungsger­icht. Antragsber­echtigt sind die Bundesregi­erung, der Bundestag und der Bundesrat, in dem die 16 Bundesländ­er vertreten sind. Gut möglich, dass Deutschlan­ds kleinstes Bundesland, der Stadtstaat Bremen, schon bald die Initiative ergreift. Darauf drängen die drei Regierungs­fraktionen: Sozialdemo­kraten (SPD), Grüne und Linke. Die Mehrheit der Bevölkerun­g ist dagegen skeptisch: Im Februar 2024 waren laut Deutschlan­dtrend 51 Prozent gegen ein AfDVerbots­verfahren.

Eine andere Möglichkei­t, die Schlagkraf­t einer Partei zu schwächen, wäre der Ausschluss von der staatliche­n Parteien nanzierung. Sie ist neben Mitgliedsb­eiträgen und Spenden die wichtigste Einnahmequ­elle für die meisten Parteien. Ob man der AfD den Geldhahn zudrehen könnte, darüber gehen die Meinungen unter Fachleuten genauso auseinande­r wie bezüglich der Erfolgsaus­sichten eines Verbotsver­fahrens.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany