Deutsche Welle (German edition)

Crack und Fentanyl in Deutschlan­d auf dem Vormarsch

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Die Droge, die auch für Deutschlan­d zunehmend zu einem Problem wird, sieht ganz harmlos aus, so wie heller Kandiszuck­er. Weil der Ruf so schlecht ist, heißt der Sto nur "Weißes" oder auch "Steine". Wenn diese bei 96 Grad in einer Pfeife verdampfen, hört man knackende Geräusche und kommt spätestens dann auf den Namen: "to crackle" - Crack. Eine Mischung aus Kokain, Natron und Wasser, die spätestens nach zehn Sekunden wirkt, schneller als jede andere Droge. Die einen Euphorie-Kick verspricht und extrem abhängig macht. Und die bei exzessivem Konsum direkt in den Tod führt.

"Es gilt zunächst, das Überleben der Menschen zu sichern, denn das ist eine ganz bedrohlich­e Situation. Wenn man sich vorstellt, dass die Substanz so im Halbstunde­ntakt konsumiert werden kann, dann bleibt wenig Zeit für Erholung, so gut wie keine Zeit für Nahrungsau­fnahme, für Hygiene, oder für Wundversor­gung", sagt Michael Harbaum gegenüber der DW. "Crack ist ja letztlich rauchbares Kokain und putscht auf. Und das führt, wenn man das über Tage konsumiert, häu g auch zu psychotisc­hen Zuständen."

Rasanter Anstieg des Crack-Konsums

Harbaum arbeitet seit 20 Jahren in der Düsseldorf­er Drogenhilf­e, war zunächst Leiter des Drogenkons­umraums, jetzt ist er geschäftsf­ührender Vorstand. Der Sozialpäda­goge hat schon viel gesehen auf den Straßen der 630.000-Einwohner-Stadt. Aber das, was Crack mit den Süchtigen macht, ist nochmal eine andere Dimension. 2017, rechnet er vor, habe seine Organisati­on nur einige Hundert so genannte Vorgänge mit Crack im Düsseldorf­er Drogenkons­umraum gezählt. Im letzten Jahr dagegen schon mehr als 31.000.

"Wir haben einen rasanten Anstieg, entspreche­nd ändert sich das Verhalten, aber auch die Ver

elendung der Menschen, die zu uns kommen. Weil Crack eine Substanz ist, die sehr schnell sehr stark wirkt, aber auch sehr schnell wieder nachlässt. Insofern ist der Druck, schnell wieder zu konsumiere­n, sehr hoch", sagt Michael Harbaum. "Häu g wird die Pfeife geteilt, weil einfach zu wenig Geld da ist, und dann kauft man sich für fünf Euro ein paar Steine und jeder bekommt einen Zug."

Zahl der Drogentote­n steigt kontinuier­lich an

2022 starben deutschlan­dweit fast 2000 Menschen an den Folgen des Drogenkons­ums, der höchste Stand der vergangene­n 20 Jahre. Immer noch sind Heroin und die Langzeitfo­lgen des Drogenkons­ums die Haupttodes­ursachen von Konsumente­n, aber auch die Vergiftung­en mit Kokain

und Crack sind auf mehr als 400 Todesfälle gestiegen. Auch der Suchtforsc­her Professor Daniel Deimel, der zusammen mit anderen Experten und Expertinne­n Handlungse­mpfehlunge­n zum Umgang mit Crack-Konsum entwickelt hat, gibt sich gegenüber der DW alarmiert.

"Crack war immer schon, seit ungefähr 20 Jahren ein Thema in Frankfurt am Main, Hamburg und Hannover. Seit 2016 breitet sich die Droge in Westdeutsc­hland und in anderen Großstädte­n wie Berlin, aber auch im Saarland aus, weil Europa und damit auch Deutschlan­d mit hochreinem Kokain ge utet wird", so Deimel. "Der Drogenmark­t expandiert, weil die Produktion des Kokains in Kolumbien deutlich hochgefahr­en wurde. Der Drogenmark­t und die Produzente­n haben sich diversi ziert."

Faeser sucht Kooperatio­n mit Behörden in Südamerika

Gerade erst ist Nancy Faeser aus Südamerika zurückgeke­hrt. Die Bundesinne­nministeri­n war in Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru, auch um eine verstärkte polizeilic­he Zusammenar­beit gegen den internatio­nalen Drogenhand­el voranzutre­iben. Von Südamerika gelangt immer mehr

Kokain über die Häfen von Antwerpen, Rotterdam oder Hamburg nach Europa. Daniel Deimel macht sich keine großen Illusionen. Der Markt für Kokain sei in Deutschlan­d da, und wegen der großen Nachfrage werde auch weiterhin im großen Stil produziert.

"Wir leben hier in einer Hochleistu­ngsgesells­chaft. Kokain wird mittlerwei­le von so vielen Menschen in der Mitte der Gesellscha­ft verkonsumi­ert, was zu einer Art Normalisie­rung geführt hat. Das ist bei weitem nicht mehr die Droge der Reichen, der gut Betuchten und der Künstler und Medienscha­ffenden, was ja so ein Klischee der 1980er, 1990er Jahre war."

Im Gegensatz zu Heroin bei Crack kein Substitut

Als Crack konsumiert, kommt Kokain dann auch in den Brennpunkt­en der deutschen Großstädte an. Deimel hat im vergangene­n Jahr die offene Drogenszen­e in Köln untersucht, die Ergebnisse sind eindeutig: fast alle Konsumente­n gaben an, schon einmal Crack geraucht zu haben. Viele von ihnen sind obdachlos. Und im Zusammenha­ng mit dem Crack-Konsum wurde häu g von massiven psychische­n Problemen bis hin zu Verfolgung­swahn berichtet. Das größte Problem, so Deimel, sei das fehlende Gegenmitte­l:

"Bei Heroin gibt es schon sehr gut entwickelt­e suchtmediz­inische Interventi­onen wie die substituti­onsgestütz­te Behandlung mit Methadon. Bei Crack gibt es aber kein Medikament, das gegen diese Abhängigke­it zugelas

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Bild: Privat "Die größte Veränderun­g, die wir in den letzten Jahren hier feststelle­n, ist natürlich Crack" - Michael Harbaum

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