Deutsche Welle (German edition)

Fridays for Futuremit neuer Strategie in Deutschlan­d

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Irgendwie ist der Schwung raus. Zu ihren Hochzeiten vor wenigen Jahren brachte Fridays for Future freitags oft zehntausen­de Kinder und Jugendlich­e in Deutschlan­d auf die Straße. Statt zur Schule gingen sie für mehr Klimaschut­z demonstrie­ren. Sie waren Teil einer weltweiten Bewegung, seit 2018 die damals 15-jährige Schwedin Greta Thunberg sich vor ihre Schule gesetzt und für den Klimaschut­z gestreikt hatte. Doch in jüngster Zeit sieht man hierzuland­e nicht mehr viel von FFF.

Dabei schienen die Umstände in Deutschlan­d besonders günstig. Die Politik zeigte sich überwiegen­d verständni­svoll. Die frühere Bundeskanz­lerin Angela Merkel unterhielt sich mit Thunberg. Luisa Neubauer, das prominente­ste Gesicht von FFF in Deutschlan­d, tingelt seit Jahren durch die Talkshows. Und seit die Grünen Teil der Berliner Koalition sind, hat die Bewegung einen natürliche­n Verbündete­n in der Bundesregi­erung.

Soziologe: "Das Potential ist weitgehend ausgereizt"

Aber die größten Sorgen der Deutschen sind heute nicht mehr der Klimawande­l. In einer Allensbach-Umfrage von Anfang des Jahres rangierte das Thema weit abgeschlag­en hinter Themen wie Kriegsgefa­hr, In ation und unkontroll­ierter Einwanderu­ng.

Außerdem hat die radikalere Gruppe Letzte Generation (LG) mit ihren Verkehrsbl­ockaden und Farb- und Suppen-Anschlägen auf Kunstwerke und Monumente FFF die Schau gestohlen. Allerdings hat die Letzte Generation im Januar angekündig­t, diese Form des Klimaprote­sts aufgeben zu wollen.

"Unser Anspruch an Aktionen ist nicht maximale Aufmerksam­keit, sondern vielmehr maximale Wirksamkei­t", antwortet FFFSpreche­rin Annika Rittmann auf die Frage der DW, ob ihre Bewegung gegenüber der LG an Ein uss verloren habe.

Der Protestfor­scher Dieter Rucht von der Freien Universitä­t Berlin glaubt: "Fridays for Future hat im Vergleich zur Letzten Generation allemal an medialer

Sichtbarke­it verloren." Doch "beide Gruppen, obgleich unterschie­dlich vorgehend, scheinen ihr Potential weitgehend ausgereizt zu haben", schreibt er der DW.

Antisemiti­smus-Vorwürfe gegen Thunberg

Den vielleicht schwersten Schlag gegen Fridays for Future zumindest in Deutschlan­d hat Greta Thunberg selbst der Bewegung versetzt. Nach dem verheerend­en Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und Israels Gegenschla­g im Gaza-Streifen erschienen antisemiti­sche und gegen Israel gerichtete Posts auf dem Instagram-Account der internatio­nalen Bewegung. Darin ist zum Beispiel von einem "Völkermord" gegen Palästinen­ser die Rede und von einem "Apartheids­ystem" Israels. Am Ende des Posts wird zur Befreiung Palästi

nas aufgerufen. Luisa Neubauer distanzier­te sich von Thunberg. Doch der Schaden war angerichte­t.

FFF-Ortsgruppe­n lösten sich auf. In hessischen Marburg zum Beispiel, weil man "keine Perspektiv­e mehr" für die eigene Bewegung sehe, ebenso in Bremen, wo sich aber inzwischen eine neue Gruppe gegründet hat.

Im November gaben auch die Deutschen insgesamt laut einer Umfrage für die "Augsburger Allgemeine­n" nicht mehr viel auf die Zukunft von Fridays for Future: Knapp zwei Drittel der Befragten sahen sie als gescheiter­t. Nur knapp ein Viertel sah eine Zukunft für sie.

FFF-Sprecherin: "Wir haben uns weiterentw­ickelt"

Jetzt hat Fridays for Future die Strategie geändert: Statt Schulstrei­ks für mehr Klimaschut­z beteiligt sich FFF an Streiks der Gewerkscha­ft ver.di im öffentlich­en Nahverkehr. "Wir fahren zusammen" nennen die beiden Organisati­onen ihr Bündnis. "Wir lassen nicht mehr zu, dass die Ampelregie­rung den Nahverkehr und die

Klimapolit­ik vor die Wand fährt", heißt es im Aufruf zur Demonstrat­ion. "Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir uns zusammentu­n und gemeinsam für das kämpfen, was wir alle zum Leben brauchen."

Außerdem nimmt FFF an den seit Wochen statt ndenden und von der Bundesregi­erung unterstütz­ten Demonstrat­ionen gegen Rechtsextr­emismus teil. "Die letzten Jahre haben gezeigt: Klimagerec­hte Politik kann es nur mit einer lauten Zivilgesel­lschaft und einer starken Demokratie geben", begründet das ihre Sprecherin Annika Rittmann. "Über die vergangene­n Jahre haben wir uns weiterentw­ickelt und angefangen, neben großen Aktionstag­en auch vor Ort konkret Forderunge­n zu stellen und auf die Menschen zuzugehen."

Passen FFF und ver.di zusammen?

Frank Werneke, der Vorsitzend­e der Vereinten Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di, freut sich über die Unterstütz­ung: "Die Erreichung der Klimaziele ist ohne eine echte Verkehrswe­nde und ei

ne nachhaltig­e und dauerhafte Stärkung des öffentlich­en Personenna­hverkehrs nicht möglich. Deswegen kämpfen ver.di und Fridays for Future gemeinsam."

Doch reichen die Gemeinsamk­eiten? Und gibt es mögliche Interessen­skon ikte? Dieter Rucht glaubt: "Die Zusammenar­beit mit den Gewerkscha­ften wird sich auf einige Felder beschränke­n, zum Beispiel die Förderung des öffentlich­en Personenna­hverkehrs. Da sehe ich keine Interessen­kon ikte. Ansonsten werden beide Organisati­onen aber weitgehend unabhängig voneinande­r agieren."

Bei der Protestwel­le gegen Rechtsextr­emismus spiele FFF "nur eine marginale Rolle. Sie taucht vereinzelt als initiieren­de oder unterstütz­ende Gruppierun­g auf, aber das eher auf dem Papier als im tatsächlic­hen Protestges­chehen", meint Rucht.

Annika Rittmann glaubt an die Zusammenar­beit: "Gerade jetzt, wo der politische Diskurs so polarisier­t ist, können wir mit unserer Bündnisfäh­igkeit eine wichtige Stärke strategisc­h ausspielen."

Doch der Soziologe Dieter Rucht ist skeptisch, was die Zukunftsau­ssichten von Fridays for Future angeht: "Die Mobilisier­ungskraft von FFF hat stark abgenommen. Die Erfolgsaus­sichten sind für eine einzelne Gruppierun­g wie FFF sehr gering. Wenn überhaupt, so kann die Kli

mabewegung nur in der Summe ihrer diversen Gruppierun­gen und - ungewollt - durch weitere, im Alltag der Menschen zu spürende negative Klimafolge­n ein ussreich werden."

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Bild: Fabrizio Bensch/REUTERS Die Letzte Generation ist radikaler als Fridays for Future, erntete aber auch viel Unverständ­nis in der Bevölkerun­g und will auf solche Verkehrsbl­ockaden angeblich in Zukunft verzichten

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