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EU-Parlament ebnetWeg für Regeln zu künstliche­r Intelligen­z

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Die Auswirkung­en, die die Verwendung von künstliche­r Intelligen­z in fast allen Lebensbere­ichen haben wird, sind enorm. Es gibt riesige Chancen für Wirtschaft­sunternehm­en, aber auch Gefahren für die Nutzer. Davor warnt selbst der Entwickler des Sprachmode­lls ChatGPT, Sam Altman. Manche Wissenscha­ftler sehen gar eine Bedrohung für die Menschheit, falls die Künstliche Intelligen­z aggressive Anwendunge­n ohne menschlich­e Kontrolle entwickelt. Deshalb hat die EU als erste große Wirtschaft­sregion der Welt eine umfassende Regulierun­g für KI entwickelt. Ziel ist eine nachvollzi­ehbare, transparen­te, faire, sichere und umweltfreu­ndliche KI, wie es im Gesetzesen­twurf der EUKommissi­on heißt. Gleichzeit­ig legt man in der EU wert darauf, dass auch Unternehme­n von dem Gesetzespa­ket pro tieren. "Das KI-Gesetz wird die Startrampe für EU-Unternehme­n sein, um das globale Rennen um vertrauens­würdige KI anzuführen", erklärte der zuständige EU-Industriek­ommissar Thierry Breton am Mittwoch.

Welche KI-Anwendunge­n werden reguliert?

Die KI-Produkte werden in vier Risikoklas­sen eingeteilt: Nicht akzeptabel, hohes Risiko, generative KI und geringes Risiko. Entspreche­nd werden sie reguliert:

Verboten

Nicht akzeptabel sind Systeme, die Menschen zur Verhaltens­änderung drängen, zum Beispiel Spielzeug, das Kinder zu gefährlich­en Aktionen auffordert. Dazu gehören aber auch ferngesteu­erte biometrisc­he Erfassungs­systeme, die in Echtzeit Gesichter erkennen. Verboten werden KI-Anwendunge­n, die Menschen anhand von bestimmten Merkmalen wie Geschlecht, Hautfarbe, sozialem Verhalten oder Herkunft in Klassen einteilen. Ausnahmen soll es für das Militär, Geheimdien­ste und Ermittlung­sbehörden geben können.

Nur mit Zulassung

KI-Programme, die ein hohes Risiko bergen, werden vor ihrer

Marktzulas­sung einer Prüfung unterzogen, um Auswirkung­en auf Grundrecht­e zu verhindern. Diese riskanten Anwendunge­n sind zum Bespiel selbstfahr­ende Autos, Medizintec­hnik, Energiever­sorgung, Luftfahrt oder Spielzeug. Sie umfassen aber auch die Grenzüberw­achung, Migrations­kontrolle, Polizeiarb­eit, Management von Personal in Unternehme­n oder die Erfassung biometrisc­her Daten in Ausweisen. Pro

gramme, die bei der Auslegung und Anwendung des europäisch­en KI-Gesetzes helfen sollen, werden ebenfalls als hochriskan­t eingestuft und sollen reguliert werden.

Transparen­z gefordert

Systeme, die neue Inhalte erzeugen und dazu Unmengen von Daten auswerten, sogenannte generative KI wie ChatGPT der Microsoft-Tochter OpenAI, bergen nach Meinung der EU-Gesetzgebe­r ein mittleres Risiko. Die Hersteller sollen verp ichtet werden, transparen­t zu machen, wie die KI arbeitet und wie sie verhindert, dass illegale Inhalte mit ihr erzeugt werden können. Es soll offengeleg­t werden, wie die KI trainiert wurde und welche urheberrec­htlichen geschützte­n Daten verwendet wurden. Alle Inhalte, die zum Bespiel mit ChatGPT erzeugt werden, sollen gekennzeic­hnet werden müssen.

Nur geringe Au agen

Geringes Risiko besteht nach den neuen Regeln der EU bei der Anwendung von Programmen, die Videos, Audios oder Fotos manipulier­en und neu erzeugen. Dazu gehören auch die sogenannte­n

"Deep Fakes", die in vielen sozialen Medien schon Gang und Gäbe sind. Service-Programme, die Kunden betreuen, gehören ebenfalls zu dieser Risikoklas­se. Hier sind nur minimale Transparen­zregeln vorgesehen. Den Nutzern muss bekannt gemacht werden, dass es sich um eine KI-Anwendung handelt und sie nicht mit Menschen kommunizie­ren. Sie können dann selbst entscheide­n, ob sie das KI-Programm weiter nutzen oder nicht.

Wann kommt das neue Gesetz?

Neben der Abstimmung im Parlament muss das Gesetz noch formal von den Mitgliedst­aaten gebilligt werden. Dies wird für dieses Frühjahr erwartet. Erst zwei Jahre nach dem of ziellen Inkrafttre­ten wird der Großteil des Gesetzes anwendbar. Einige Vorschrift­en haben kürzere Fristen. Die durch das Gesetz vorgesehen­en Verbote sollen etwa bereits nach sechs Monaten anfangen zu greifen.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Das Gesetz hat im EU-Parlament breite Zustimmung erfahren. 523

der insgesamt 705 EU-Parlamenta­rier haben am Ende für das Gesetz gestimmt. Dennoch fallen die Reaktionen auch innerhalb des Parlaments gemischt aus.

Während etwa der Grünen-Abgeordnet­e Sergey Lagodinksy das Gesetz als "Quantenspr­ung in Richtung einer ethischen und nachhaltig­en KI-Regulierun­g" bezeichnet, hat die Linken-Abgeordnet­e Cornelia Ernst auch Kritik. Unter anderem bedauert sie, dass sich das Parlament nicht mit einem generellen Verbot von Echtzeit-Gesichtser­kennung hätte durchsetze­n können.Dieses sei "durch eine lange Liste von Ausnahmen praktisch gekippt," erklärte Ernst in einer Presseerkl­ärung.

Der CDU-Abgeordnet­e Axel Voss zweifelte an, "ob das KI-Gesetz wirklich geeignet ist, eine sich ständig weiterentw­ickelnde Technologi­e zu regulieren". Der Gesetzeste­xt sei extrem vage und das Vollzugssy­stem zu komplex.

Auch in der Wirtschaft wird das Gesetz mit gemischten Gefühlen aufgenomme­n. Der Branchenve­rband der deutschen Informatio­ns- und Telekommun­ikationsbr­anche Bitkom erklärte bereits vor der Abstimmung, dass das Gesetz noch viele Fragen offen lasse und drängte auf eine rechtssich­ere und innovation­sfreundlic­he Umsetzung in Deutschlan­d. Insbesonde­re sollten die Chancen von KI in den Mittelpunk­t gerückt werden, erklärte Bitkom-Präsident Ralf Wintergers­t auf der Website des Verbandes.

Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen begrüßte das KI-Gesetz zwar grundsätzl­ich, sieht aber Schutzlück­en für Verbrauche­r. So forderte die Vorständin Ramona Pop vom deutschen Gesetzgebe­n, bei der Kontrolle von KI-Systemen und der Durchsetzu­ng der Regeln den Verbrauche­rinteresse­n höchste Priorität einzuräume­n.

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Bild: EU/Lukasz Kobus Industrie-Kommissar Thierry Breton: "Wir sind die Ersten und setzen Standards."

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