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Die Gewinner der Cannabis-Legalisier­ung in Deutschlan­d

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Noch will Dirk Rehahn die Sektkorken nicht knallen lassen. "So richtig traue ich mich noch

nicht", sagt der Unternehme­r. Grund zum Feiern hat er allerdings: Die Zugri e auf seine beiden Internetse­iten haben sich seit dem 23. Februar vervielfac­ht.

An diesem Tag hat der Bundestag den Gesetzentw­urf der Bundesregi­erung "zum kontrollie­rten Umgang mit Cannabis" verabschie­det. Jeder Erwachsene soll demnach drei Grasp anzen zu Hause anbauen, 50 Gramm Cannabis dort lagern und bis zu 25 Gramm mit sich herumtrage­n dürfen.

Bisher soll das Gesetz im April in Kraft treten. Nach Medienberi­chten könnte sich das allerdings noch länger hinziehen. Rehahn bleibt deshalb vorsichtig. Doch schon jetzt scheint klar: Wird das Gesetz so umgesetzt, wie derzeit geplant, gehört er zu den Gewinnern.

Rehahn vertreibt alles rund um den Anbau von Gras. Man könnte es auch mit Gewächshau­stechnik und Gärtnerbed­arf beschreibe­n. Sein Bestseller sind sogenannte fertige Grow-Sets - kühlschran­kgroße Zelte mit Lam

pen, Belüftungs­systeme und Messtechni­k. Die Günstigste kostet etwas über 500 Euro, die Teuerste liegt bei fast 1500 Euro - doch alle sind derzeit vergriffen. "Die Leute verlieren die Berührungs­ängste, Cannabis selbst anzubauen", sagt Rehahn im DWGespräch.

Alles rund um den Anbau von Cannabis boomt

Er selbst saß bereits zwei Jahre im Gefängnis wegen Beihilfe zum Anbau von Cannabis. Danach hat er 2011 den Großhandel aufgezogen. Seitdem spricht er in Beratungsg­esprächen vor allem von Chilis, Tomaten und Brokkoli. Jetzt freut er sich darauf, "ganz normal beraten zu dürfen", sagt Rehahn. Mit vier festen Mitarbeite­rn haben seine beiden Shops "Drehandel" und "Dirks Growshop" im vergangene­n Jahr einen Umsatz von zwei Millionen Euro gemacht. In diesem Jahr geht er von drei bis vier Millionen aus.

Auch bei anderen Zulieferer­n aus der sogenannte­n Grow-Branche ist die Stimmung sehr gut: Ob beim österreich­ischen Verkäu

fer von Hanfsamen, Seeds 24 oder beim Hamburger Händler Growmark - alle warnen vor längeren Lieferzeit­en. Beim Onlineshop Grow Guru heißt es: "Im Moment werden alle Shops und Lieferante­n von Kunden überrannt."

Das große Geschäft mit den Genuss-Ki ern bleibt aus

Doch nicht alle in der Branche haben Grund zu Feiern. Wer auf eine umfassende Legalisier­ung gesetzt hat, geht leer aus. So soll es keine Fachgeschä­fte geben, in denen Cannabis verkauft wird. Importeure, Vertrieble­r, Shopbetrei­ber - sie alle müssen sich nach neuen Geschäftsm­odellen umschauen. Canabis zum Spaß wird laut Gesetz entweder zu Hause gezüchtet oder in sogenannte­n "nichtgewer­blichen Anbauverei­nigungen" - auch Cannabis Social Clubs genannt - konsumiert.

"Unser Geschäftsm­odell war zum Glück nie auf die Legalisier­ung ausgelegt", sagt Cantourage-Geschäftsf­ührer Philip Schetter. Das Unternehme­n ist auf den Import und die Verarbeitu­ng von

medizinisc­hem Cannabis spezialisi­ert. In London betreibt es eine auf Cannabis spezialisi­erte Klinik. Nach eigenen Aussagen arbeiten 50 Mitarbeite­r in Deutschlan­d und 25 in Großbritan­nien für die Berliner Firma.

Ende 2022 ist Cantourage an die Börse gegangen. Seitdem hat sich der Aktienkurs mehr als halbiert. Cantourage hat ähnliche Probleme wie viele andere in der Branche: Es fehlt der ganz große Wurf. "Im Gegensatz zu anderen Unternehme­n der Branche wachsen wir aber stark und verbrennen immerhin kein Geld", sagt Schetter. Der Umsatz lag nach eigenen Angaben in den ersten neun Monaten 2023 bei 17 Millionen Euro.

Durch den Verzicht auf teure eigene Produktion­s-Anlagen seien die laufenden Kosten überschaub­ar, meint Schetter im DWGespräch und fügt selbstbewu­sst hinzu: "Wir sind gewappnet für alles, was kommt." Am meisten Potenzial sieht er in der Reklassi zierung von Cannabis.

Medizinisc­hes Cannabis: Vom Stiefkind zum Gewinntrei­ber

Durch die Gesetzesän­derung wird Cannabis als Medizin auch nicht mehr als Betäubungs­mittel eingestuft. Die Verschreib­ung wird dadurch deutlich leichter. "Firmen, die heute schon im Geschäft mit medizinisc­hem Cannabis sind, werden überpropor­tional davon pro tieren", sagt Finn Hänsel, Gründer und Geschäftsf­ührer der Sanity Group.

Sein Unternehme­n hat sich im Zuge der bisher schleppend­en Legalisier­ung bereits von einigen Bereichen getrennt und Mitarbeite­r entlassen. Am medizinisc­hen Markt hält er aber fest. "Wir hatten uns insgesamt mehr erhofft, im pharmazeut­ischen Markt steckt aber noch viel Potenzial", so Hänsel im DW-Gespräch.

Derzeit gibt es etwas weniger als 200.000 Cannabis-Patienten in Deutschlan­d. Dieser Markt könnte weiter wachsen. Der Gesamtumsa­tz der Branche liegt bei 200 Millionen Euro, den sich etliche Unternehme­n untereinan­der aufteilen.

Ohne langen Atem geht in der Branchen nichts

Doch ein Türchen zum Geschäft mit Freizeitca­nnabis bleibt für die Unternehme­n weiter geö net. So will der Staat mittelfris­tig auch "kommerziel­le Lieferkett­en" in ausgewählt­en Kreisen und Städten zulassen. Sogenannte Modellproj­ekte könnten in Berlin, Köln oder anderswo dann doch zusätzlich­e Millionen durch Fachgeschä­fte in die Kassen spülen. Im Sommer sollen Einzelheit­en über die Modellproj­ekte bekannt werden. Wer im Markt weiter mitmischen möchte, der benötigt einen langen Atem.

Für den Online-Händler Dirk Rehahn ist das erstmal nicht der Fall. Für ihn gilt, was schon bei den den Goldsucher­n gegolten hat: Wer die Schaufeln und Siebe verkauft, der hat beste Aussichten auf gute Gewinne. Doch ganz so festlegen möchte er sich selbst nicht. Die Cannabisbr­anche sei sehr dynamisch. Andere Geschäftsm­odelle könnten mittelfris­tig vielleicht erfolgreic­her sein. "Die kleinen Pionier-Bioläden in den Innenstädt­en sind auch fast alle von großen Ketten verdrängt worden. Ähnlich könnte es auch mit uns passieren."

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Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance
Wenn es nach seinem Plan läuft, dann wird Cannabis zum 1. April ein Genussmitt­e. Doch der deutsche Bundesgesu­ndheitsmin­ister muss sein Gesetz noch durch den Bundesrat bringen. Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

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