Deutsche Welle (German edition)

Küstenstäd­te sinken - und derMeeress­piegel steigt

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Es sind zwar nur ein paar Millimeter pro Jahr, aber die Folgen werden dramatisch sein: Viele Küstenstäd­te weltweit werden deutlich früher als bisher angenommen mit massiven Überschwem­mungen zu kämpfen haben. Das liegt nicht nur an steigenden Wasserpege­ln durch den Klimawande­l, sondern auch am Absinken der Landmassen in Küstennähe.

Die Gründe für die Subsidenz, also die Landabsenk­ung, variieren je nach Region. Natürliche Faktoren wie Erdbeben, vulkanisch­e Aktivitäte­n und der Verdichtun­g feinkörnig­er, unverfesti­gter Sedimente spielen eine Rolle. Aber auch Bebauung, Bergbau sowie Abbau von Erdgas und Erdöl, also durch den Menschen bedingte Faktoren, tragen zur Absenkung bei. Besonders groß ist das Ausmaß in Regionen, in denen dem Boden sehr viel Grundwasse­r entzogen wird, um Wohngebiet­e oder Industriea­nlagen zu bauen. Dadurch wird der Untergrund instabiler und senkt sich ab.

Kaum Dämme und Flutmauern an der US-Ostküste

Ein bedrohlich­es Absinken der nordamerik­anischen Ostküste

hatte zuletzt ein Forschende­nTeam um Leonard Ohenhen und Manoochehr Shirzaei von der Virginia Tech nachgewies­en. Laut der im Fachjourna­l "Pnas Nexus" erschienen­en Studie gibt vor allem der Boden unter den Metropolen New York, Baltimore und Norfolk messbar um ein bis zwei Millimeter pro Jahr nach. In dem auf einer Halbinsel gelegenen

Charleston in South Carolina senkt sich der Untergrund sogar um vier Millimeter pro Jahr.

Wird die Senkungsra­te mit dem klimawande­lbedingten Anstieg des Meeresspie­gels um durchschni­ttlich 3,1 Millimeter pro Jahr addiert (Wert des Weltklimar­ats (IPCC) vom April 2022), wird das Bedrohungs­potential deutlich: Allein an der nordamerik­anischen Ostküste werden laut der Berechnung­en bis 2050 hunderttau­sende Menschen von häu gen schweren Überschwem­mungen bedroht. Dabei dürften vor allem sozial benachteil­igte Bevölkerun­gsteile besonders stark betroffen sein.Sozialwohn­ungen be nden sich häu g in niedrig gelegenen Über utungsgebi­eten, weil das Land dort billiger ist. Wohlhabend­e können sich eher Häuser in höheren Lagen leisten.

In 24 von 32 analysiert­en USKüstenst­ädten könnte der Meeresspie­gel bis zum Jahr 2050 um mehr als 30 Zentimeter ansteigen. Von den untersucht­en Städten an der Atlantikkü­ste verfügen bislang nur drei über entspreche­nde Dämme oder Flutmauern. An der Pazi kküste werden die Pegel voraussich­tlich langsamer ansteigen.

Asiatische­n Millionenm­etropolen besonders betroffen

Noch unheilvoll­er wird sich die Kombinatio­n von absinkende­n

Landmassen und steigenden Meeresspie­geln vor allem in Südostasie­n, Ostasien und Südasien auswirken.

2022 hatte ein Forschende­nTeam um Matt Wei von der University of Rhode Island die Senkungsra­ten von 99 Küstenstäd­ten weltweit analysiert. Absenkunge­n um mindestens zwei Millimeter wurden in fast allen Küstenstäd­ten beobachtet. Aber "in 33 der 99 Städte sinkt ein Teil der Stadt um mindestens zehn Millimeter pro Jahr", heißt es in der Studie. Dieser Wert wäre dreimal höher als der durchschni­ttliche weltweite Anstieg des Meeresspie­gels.

Besonders betroffen sind einige dicht besiedelte Ballungsrä­ume wie Tianjin östlich von Peking, Chittagong in Bangladesc­h und Semarang auf der indonesisc­hen

Hauptinsel Java. Dort senkt sich der Boden um 30 Millimeter pro Jahr - das ist zehnmal so viel wie der durchschni­ttliche weltweite Anstieg des Meeresspie­gels. Auch Shanghai, Hanoi, Bangkok und Mumbai sind betroffen.

Zwei Milliarden Menschen global bedroht

Wie dramatisch sich Überschwem­mungen auswirken können, ist zum Beispiel in der indonesisc­hen Hauptstadt zu beobachten: In Jakarta lag der Senkungswe­rt zeitweise bei 280 Millimeter, also 28 Zentimeter pro Jahr. Schon jetzt liegt ein Großteil unter dem Meeresspie­gel, Überschwem­mungen sind eine ständige Bedrohung. Unter anderem ist das ein Grund, warum die Hauptstadt nach Nusantara auf der Insel Borneo verlagert werden soll.

Ein Forschungs­team um Dr. Tsimur Davydzenka von der Colorado School of Mines hat anhand von mehr als 46.000 Senkungsda­ten eine globale Berechnung erstellt. Demnach sind auf Grundlage von 23 Umweltpara­metern mehr als 6,3 Millionen Quadratkil­ometer der globalen Land äche von signi kanten Senkungsra­ten betroffen, schrieb das Team jüngst in den Geophysica­l Research Letters. Dazu gehören 231.000 Quadratkil­ometer städtische und dicht besiedelte Gebiete mit einer Bevölkerun­g von fast zwei Milliarden Menschen.

Landabsenk­ung lässt sich verlangsam­en

Obwohl Landsenkun­gen ein globales Problem sind, fehlt ein Bewusstsei­n dafür. "Das Problem des steigenden Meeresspie­gels und der Landabsenk­ung wird auf breiter Ebene kaum wahrgenomm­en", beklagt Leonard Ohenhen von der Virginia Tech. Das liege vor allem daran, dass es viele nicht mehr direkt betreffen werde, da die Auswirkung­en erst in Jahrzehnte­n massiv spürbar würden. Um ein Bewusstsei­n zu schaffen haben sich die Forschende­n auf einen "viel näher liegenden Zeitraum fokussiert, nur 26 Jahre von jetzt an."

Ein Bewusstsei­nswandel seiwichtig, denn durch strengere Regeln für die Grundwasse­rentnahme lasse sich die Bodenabsen­kung in einigen Ballungsze­ntren zumindest verlangsam­en, meint auch Matt Wei von der University of Rhode Island.Dies habe zum Beispiel in Shanghai und auch in Jakarta funktionie­rt. "Diese Beispiele zeigen, dass eine solche Regulierun­g ein effektives Werkzeug für das Stoppen der Subsidenz sein kann."

Quellen:

Nature: Disappeari­ng cities on US coasts, 2024, https://www.nature.com/articles/s41586-02407038-3

PNAS Nexus: Slowly but surely: Exposure of communitie­s and infrastruc­ture to subsidence on the US east coast, 2024, https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgad426

Geophysica­l Research Letters: Subsidence in Coastal Cities Throughout the World Observed by InSAR, 2022, https://doi.org/10.1029/2022GL09

Geophysica­l Research Letters: Unveiling the Global Extent of Land Subsidence: The Sinking Crisis, 2024, https://doi.org/10.1029/2023GL10

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