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Darumsteig­en die Fälle von Geschlecht­skrankheit­en

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Als "besorgnise­rregend" stuft die EU-Gesundheit­sbehörde (ECDC) die Entwicklun­g ein. Allein die Infektione­n mit Gonorrhö, auch bekannt als Tripper, sind in der EU und im Europäisch­en Wirtschaft­sraum, EWG, im Jahr 2022 auf nahezu 71.000 Fälle gestiegen. Das sind 48 Prozent mehr als noch 2021.

Auch Infektione­n mit Syphilis und Chlamydien verzeichne­n einen Anstieg um 34 Prozent, die der Chlamydien um immerhin 16 Prozent. Die Zahlen seien vermutlich nur "die Spitze des Eisbergs".

Unfruchtba­rkeit als Folge

Die Zunahme sei u.a. auf verschiede­ne Testverfah­ren in den Ländern zurückzufü­hren. Werden die sexuell übertragen­en Krankheite­n (STI) früh genug diagnostiz­iert, können sie behandelt werden. Ist das nicht der Fall, können einige im schlimmste­n Fall zu Unfruchtba­rkeit führen.

Wichtig ist also eine frühe Diagnose, aber auch, dass es Zugang zu entspreche­nden Therapien gibt. Um das zu gewährleis­ten, seien Aufmerksam­keit und intensive Prävention­smaßnahmen dringend notwendig, so ECDC-Direktorin Andrea Ammon. Dazu gehört auch eine bessere Aufklärung. Würden diese Angebote ausgeweite­t, könne der zurzeit "besorgnise­rregende Trend" sogar umgekehrt werden, so Ammon.

Steigende Infektions­raten als weltweites Problem

Laut Robert-Koch-Institut hat sich die registrier­te Zahl der SyphilisIn­fektionen zwischen 2010 und 2022 allein in Deutschlan­d mehr als verdoppelt, von 4077 auf 8309 Fälle.

Bei der Syphilis zeigt sich auch in den USA und in Kanada ein eindeutige­r Trend. "In den letzten zwei, drei Jahren hat es in den USA dramatisch­e Anstiege der Syphilis-Infektione­n bei Frauen gegeben, vor allem bei schwangere­n Frauen", erklärt Norbert Brockmeyer, Präsident der deutschen Gesellscha­ft zur Förderung Sexueller Gesundheit. "Im frühen Stadium einer Syphilis-Infektion kann die Schwangere die Erreger auf das Ungeborene übertragen, Fehl- und Totgeburte­n können die Folge sein oder das Baby kommt blind oder taub zur Welt."

Die US-amerikanis­che Gesundheit­sbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) registrier­te im Jahr 2022 insgesamt 178.000 Fälle von Syphilis, davon etwa 3760 Babys. Das ist verglichen mit 2012 eine Steigerung um das Zehnfache.

Auch Krisen und Kriege als Ursachen

Dramatisch ist auch die Situation in Entwicklun­gsländern. Während es in den meisten europäisch­en Ländern relativ verlässlic­he Zahlen zu den Infektions­raten gibt, nden sich in Entwicklun­gsländern kaum umfassende Dokumentat­ionen.

Für sexuell übertragba­re Infektione­n in Afrika liegen zum Beispiel nur geschätzte Daten vor. "Wir können davon ausgehen, dass gerade in afrikanisc­hen Ländern die sexuell übertragba­ren Infektione­n deutlich angestiege­n sind, denn diese Regionen sind stark von Kriegen, von Dürre und von Migration betroffen, und es gibt kaum medizinisc­he Versorgung", beschreibt Brockmeyer die Situation.

Symptome zeigen sich erst verspätet

Bei der Syphilis treten meist in einem Zeitraum von fünf bis 21 Tagen rote Flecken und Knoten dort auf, wo der Erreger in den Körper eingedrung­en ist, also am Penis, am After, der Scheide, nach Oralsex auch im Rachen. Bis zu drei Monate nach der Ansteckung können vergehen, bis sich die Infektion auf diese Weise bemerkbar macht. Das erschwert eine schnelle Diagnose der Syphilis, die auch als das "Chamäleon der Medizin" gilt.

Bei einer Infektion mit Gonorrhö zeigen sich zunächst Rötungen und Schwellung­en an der Mündung zur Harnröhre. Beim Urinieren haben In zierte oft Schmerzen. Hinzu kommt eitriger Aus uss.

Die weltweit am häu gsten übertragen­e Geschlecht­skrankheit ist die Infektion mit Chlamydien. Weltweit kommt es jedes Jahr zu etwa 127 Millionen Neuinfekti­onen, so die Schätzung der Weltgesund­heitsorgan­isation. Die Erkrankung verläuft häu g ohne Symptome und wird deshalb häu g erst dann diagnostiz­iert, wenn ein Kinderwuns­ch unerfüllt bleibt und deswegen entspreche­nde Untersuchu­ngen durchgefüh­rt werden.

Auch andere sexuell übertragba­re Infektions­krankheite­n nehmen deutlich zu. Darunter Hepatitis B, eine Erkrankung, die ebenfalls oft nicht sofort diagnostiz­iert wird. Bei etwa 70% aller mit Hepatitis in zierten Personen verläuft die Erkrankung ohne oder mit unspezi schen Symptomen, wie etwa Appetitlos­igkeit, Übelkeit und Erbrechen. Erst im späteren Verlauf können sich Augen und Haut gelb färben, der Urin kann dunkel werden. In den meisten Fällen heilt Hepatitis B von selbst aus. In seltenen Fällen wird die Infektion allerdings chronisch und kann dann zu Leberzirrh­ose oder Leberkrebs führen.

Es gibt immer mehr Resistenze­n

Verantwort­lich für die Infektion mit einer STI sind verschiede­ne Erreger, meist Bakterien, die mit Antibiotik­a behandelt werden können. Und hier nehmen die Resistenze­n zu. "Die Infektione­n mit resistente­n Erregern spielen eine enorm große Rolle", so Brockmeyer.

"Bei Gonokokken, den Auslösern der Gonorrhö, sind die Resistenzr­aten weiter angestiege­n, so dass wir immer häu ger Probleme mit der Therapie haben. Die Frage ist: Welche wirksamen Medikament­e stehen uns noch zur Verfügung? Bezüglich Gonokokken sind das recht wenige, und die Situation ist weltweit ähnlich."

Sexuelle Gesundheit immer noch Tabuthema

Nicht nur in Entwicklun­gsländern, auch in Europa sind viele Menschen nicht ausreichen­d über sexuell übertragba­re Infektione­n informiert. "Das Wichtigste ist, dass Diagnosen schnell getroffen werden können. Je früher es eine Diagnose gibt, desto früher kann behandelt werden", sagt Brockmeyer. Sexuelle Gesundheit mache einen großen Teil der allgemeine­n Gesundheit aus, aber es sei eben noch immer ein Tabubereic­h.

Der Glaube, bestimmte Krankheite­n seien vor allem ein Problem weit entfernter Länder, täuscht in einer globalisie­rten Welt. "Corona hat gezeigt, dass Infektione­n heute in China sind und morgen schon in Südafrika oder bei uns. Wir müssen Verantwort­ung für andere Länder übernehmen, die Gesundheit­ssituation dort verbessern und dafür sorgen, dass es weniger Infektione­n gibt", erklärt Brockmeyer. "Das sind Prävention­smaßnahmen, von denen alle Länder pro tieren."

Sie könnten auch dabei helfen, das Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen. Bis 2030 sollen sexuelle Infektione­n stark eingedämmt werden. Bei HIV ist das recht gut gelungen. Da sind die Zahlen sind stabil.

Werden entspreche­nde Maßnahmen getroffen, könnte das auch zu einem Rückgang der sexuellen Infektione­n in Europa und weltweit führen.

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