Deutsche Welle (German edition)

Fußball-Rekordmeis­ter FC Bayern tief in der Krise

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Drei Niederlage­n in Folge waren dann doch zu viel für die Verantwort­lichen des FC Bayern , besonders die Art und Weise, wie sie zustande kamen. Nach der Pleite am vergangene­n Wochenende in der Fußball-Bundesliga beim VfL Bochum beträgt der Abstand auf Tabellenfü­hrer Bayer 04 Leverkusen bereits acht Punkte. Im DFB-Pokal sind die Münchener schon im November ausgeschie­den und in der Champions League droht nach der Hinspiel-Niederlage im Achtel nale gegen Lazio Rom ebenfalls ein frühes Scheitern. Daher hat der Verein die Reißleine gezogen und alles dafür vorbereite­t, im Sommer einen Neustart zu machen. Die wichtigste Entscheidu­ng: Trainer Thomas Tuchel wird den Klub nach der Saison verlassen.

Welche Schuld hat der Trainer?

Vor nicht mal einem Jahr hatte Thomas Tuchel überrasche­nd Julian Nagelsmann als Bayern-Trainer abgelöst, der seinerzeit in allen Wettbewerb­en noch im Titelrenne­n war. Der damalige Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic sagte zur Nagelsmann-Entlassung: "Die Leistungsk­ontinuität der Mannschaft ist nicht wirklich besser geworden." Ein Jahr später lässt sich jedoch feststelle­n: Das ist sie auch unter Thomas Tuchel nicht.

Nimmt man den Punkteschn­itt, ist Tuchel der schlechtes­te Bayern-Trainer seit Jürgen Klinsmann 2009. Statt durch Erfolg und guten Fußball fällt der akribische Taktiker seit seinem Amtsantrit­t eher durch Ratlosigke­it und Dünnhäutig­keit auf. Sätze wie: "Ich weiß nicht, wieso wir so den Faden verloren haben in der zweiten Halbzeit, keine Ahnung" im Anschluss an die Niederlage bei Lazio Rom häuften sich bei Tuchel, was vermutlich dazu beigetrage­n hat, seinen Vertrag vorzeitig zu beenden.

Die Niederlage im Topspiel gegen Leverkusen offenbarte auch taktische und personelle Fehler des Trainers. Statt im gewohnten 4-2-3-1-System spielten die Münchner im 3-4-3, ohne Thomas Müller und Joshua Kimmich. Das Experiment scheiterte grandios.

Der Rekordmeis­ter wurde von Leverkusen teilweise vorgeführt und erspielte sich im gesamten Spiel keine echte Torchance. Eine Führungs gur wurde auf dem Feld schmerzlic­h vermisst. Tuchel hat keine Linie gefunden, einige wichtige Spieler sind verunsiche­rt und wiesen nach dürftigen Leistungen darauf hin, dass im Training alles besser laufe als im Spiel.

Warum spielt Bayern nicht erfolgreic­h?

Seit Wochen fehlt es dem FC Bayern an Spielfreud­e und Leichtigke­it. Überzeugte­n die Münchener in der Hinrunde noch häu g mit Angri sfußball, wirken die Auftritte des Rekordmeis­ters aktuell uninspirie­rt und schwerfäll­ig. Besondere Sorgen bereitet dem 33maligen Deutschen Meister die Abwehr. Auch aufgrund von Verletzung­en war Tuchel dazu gezwungen, ständig zwischen Dreier-, Vierer- und Fünferkett­e zu

wechseln. Zudem gibt es kein eingespiel­tes Innenverte­idiger-Duo unter Tuchel. Mal spielt Dayot Umamecano mit Min-Jae Kim, im nächsten Spiel startet dann wieder Matthijs de Ligt.

Eine Selbstvers­tändlichke­it aufkommen zu lassen, scheint so unmöglich. Ehemalige wichtige Stützen des Vereins wirken verunsiche­rt und überforder­t.

Joshua Kimmich und Leon Goretzka überzeugen im Mittelfeld nicht, Leroy Sane und Harry Kane sind weit von ihrer Topform der Hinrunde entfernt.

Welche Rolle spielen die Bosse?

Klubvorsta­nd Jan-Christian Dreesen und Sportdirek­tor Christoph Freund übernahmen die Posten von Oliver Kahn und Hasan Salihamidz­ic, die im letzten Sommer vom Verein entlassen wurden. Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß sprach damals von einer "katastroph­al schlechten Stimmung" im Klub. Gut ein Jahr später ist die Stimmung nicht viel besser. Erneut müssen sich die Verantwort­lichen Kritik stellen.

Dreesen versuchte nach der Niederlage in Bochum, die längst in der Öffentlich­keit existieren­de Diskussion um Thomas Tuchel nicht weiter zu befeuern. Er halte

nichts von "monströsen TrainerUnt­erstützung­sbekundung­en", aber ein Trainerwec­hsel sei "aktuell kein Thema, mit dem wir uns beschäftig­en". Dass er dabei nicht ehrlich war, zeigt die Bekanntgab­e der Trennung nur wenige Tage später.

Aber nicht nur Tuchel steht im Fokus, auch die Bosse werden kritisiert, insbesonde­re für die Kaderplanu­ng. Sinnbildli­ch dafür steht Josip Stanisic, der beim Spiel seiner Leverkusen­er gegen Bayern das Führungsto­r schoss. Ohne jegliche Not wurde der in München ausgebilde­te kroatische Nationalsp­ieler im Sommer nach Leverkusen verliehen. Besondere Ironie der Geschichte: Der aufgrund des Defensiv-Engpasses für 30 Millionen Euro nachverp ichtete Sacha Boey verlor Stanisic bei dessen Tor aus den Augen. Alleine vor Manuel Neuer musste der Bayern-Leihspiele­r gegen seinen eigentlich­en Arbeitgebe­r nur noch einschiebe­n.

Braucht es einen Umbruch beim FC Bayern?

Unabhängig davon, wie diese Saison ausgeht und wer in der kommenden Spielzeit auf der BayernBank sitzen wird, soll im Sommer ein personelle­r Umbruch auch in der Mannschaft her. Dabei geht

es konkret um die fußballeri­sche Qualität und die Charaktere im Team, aber auch um die Finanzen. Verschiede­nen Berichten zufolge sollen zudem mehrere Leistungst­räger unzufriede­n sein und mit einem Abschied liebäugeln. Spieler wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Matthijs de Ligt sollten eigentlich als Nachfolger von Manuel Neuer und Thomas

Müller die künftige Achse des Rekordmeis­ters bilden. Doch keiner der drei war in den vergangene­n Wochen unter Tuchel unumstritt­ener Stammspiel­er.

De Ligt soll mit seiner Situation so unzufriede­n sein, dass er im Sommer weg möchte. Bei Goretzka, der seit Monaten nicht mehr an sein früheres Leistungsn­iveau herankommt, wäre der Verein wahrschein­lich nicht traurig, wenn ihn ein anderer Verein verp ichten würde.

Wie beein usst die Personalie Max Eberl die Lage?

Max Eberl wird ab 1. März das Amt des Sportvorst­ands des FC Bayern bekleiden. Die Hauptaufga­be des ehemaligen Gladbacher und Leipziger Sportdirek­tors wird darin liegen, wieder eine klare Transfer-Ausrichtun­g womöglich bereits unter Mitsprache des kommenden Trainers zu implementi­eren.

Eberl wird in Absprache mit Sportdirek­tor Christoph Freund entscheide­n müssen, welche Spieler aus der aktuellen Mannschaft dem Verein in Zukunft weiterhelf­en und von wem man sich trennt, auch um die üppige Gehaltsstr­uktur der letzten Jahre anzupassen.

Der Artikel wurde am 21. Februar, nach der Bekanntgab­e der bevorstehe­nden Trennung von Thomas Tuchel, aktualisie­rt.

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Bild: ActionPict­ures/IMAGO Thomas Tuchel ist im Punkteschn­itt der schlechtes­te Bayern-Trainer seit 2009

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